Lucas Cejpek: Unterbrechung. Burn Gretchen.

Sonderzahl Verlag
Wien 2014

cejpek_unterbrechungLücken, Freiräume, weiße Stellen oder auch Pausen im Realen wie in der Literatur sind Inszenierungselemente im jüngsten Buch von Lucas Cejpek.

Wie seine vorangegangenen Werke, setzt sich auch dieses, konzeptuell angelegt aus Modulen, Versatzstücken und Montagesprengseln – allesamt aus dem großen Weltenfundus – zusammen. Intertextualität, Bezüge zu fast allen Wissensbereichen wirken herein, Verweise also, Zitate, Listen, Aufschriften: im Zentrum die Unterbrechung.
Der spielerische und wahrnehmungstechnische Zugang ist evident.

Unterbrechung impliziert stets auch Entwicklung; insofern ist das vorliegende Buch ein Buch in und der Bewegung. Es ist zudem Stellvertreter für eine Arbeits- und Lebenshaltung, für eine Zusammenschau philosophischer, literarischer oder auch lebenstechnischer Art, denn in diesem Buch wirken auch essentielle Erfahrungen des Autors selbst, unausgesprochen wie ausgesprochen.

„Burn Gretchen“ ist ein nicht ganz exaktes Anagramm von „Unterbrechung“, – Gretchenvariationen also auch ­– kulturhistorisch gesehen.

Dieses Buch ist eine spannende Herausforderung für die Leserschaft!

Petra Ganglbauer

Günter Vallaster, Hrsg.: RÄUME FÜR NOTIZEN

edition ch
Wien 2014

Der Herausgeber und Autor Günter Vallaster, legt seit langem trans- und intermediale Fährten in der (nicht nur) österreichischen Literatur- und Kunstlandschaft. Einmal mehr ästhetische und gattungsspezifische Sprengkraft enthält das jüngste Elaborat in der edition ch, der Band Nummer 8 des „Raum(s) für Notizen“.

Ausnehmend schön ist dieses Buch geworden, das den Raum für Notate, Transgressionen, Intermediales mittels Andockstellen freihält und somit eine ursächliche, eine grundsätzliche Potentialität eröffnet.

Dementsprechend vielgestaltig wiewohl konsequent wurde die Auswahl der Beiträge getroffen um eine überzeugende Zusammenschau, eine Aufbereitung und Aufarbeitung zeitgenössischer Tendenzen auf Zeit festzumachen.
Vom Essay bis zur visuellen Poesie findet sich in diesem Buch so manches, das jene Nischen besiedelt, die zwischen den scheinbar finalisierten Kunst-Produkten entstehen. Das Dazwischen ist die Essenz dieser Arbeiten, es leuchtet, ist aufgeladen, zündelt, ist poetischer Kern.

Beiträge von u.a. Erika Kronabitter, Herbert J. Wimmer, Juliana V. Kaminskaja, Thomas Havlik, Christian „Yeti“ Beirer.

Sehr empfehlenswert; mit einem konzisen, informativen Vorwort ausgestattet!

Petra Ganglbauer

Ilse Kilic: Wie der Kummer in die Welt kam

Ritter Verlag
Klagenfurt-Graz 2013

Das Interagieren von Autorin und Romanfigur sowie die Reflexion über das Komponieren von Romanen insgesamt stehen im Mittelpunkt dieses sinnlichen und ansprechenden, mit zahlreichen Zeichnungen der Autorin und weiterem dokumentarischem Bildmaterial ausgestatteten Buchs.

Figuren werden von Werk zu Werk ab und an wiederverwertet, das wird offensichtlich; oder sie finden sich von selbst ein, entwickeln ein Eigenleben, verweigern sich jedoch allenthalben auch ihrer Einbindung.
Soviel wird in dem für die theoretische Auseinandersetzung mit dem Entstehungsprozess von Romanen vorliegendem exemplarischen Werk, das die Figur Ria Monika Glomp (sie hatte bereits mehrere Auftritte im Werk von Ilse Kilic) einleitet – und welches wie ein Buch im Buch anmutet –, evident.
Rund um ein mysteriöses Paket werden spannende erzählerische Exkurse unternommen…Thrill garantiert!

Ilse Kilic versteht es, Literatur- und Schreibtheorie auf lockere, anspruchsvolle und unterhaltsame Art zu beleuchten. Text-Variationen und Genrezugänge werden durchgespielt: Enzyklopädisches, Briefe, Zitate von anderen Autor/inn/en, Textanalysen klingen an.
Ein spannendes Kapitel Schreibforschung ist dieses Buch zudem, ein Buch mit Seltenheitswert, das sich inhaltlich freilich in die Publikationen der Autorin aus den letzten Jahren gut einreihen lässt.

Petra Ganglbauer

Irene Suchy: Litanei gottloser Gebete

Gedichte

Bibliothek der Provinz
Wien 2013

Wenn das Leben durch den Filter der Sprache noch einmal und einmal mehr und heftiger in all seiner Unausweichlichkeit und Schärfe, in seiner Erbarmungslosigkeit offenbar wird wie im vorliegenden Buch, dann packt solch ein „Buch als Leben“ auf exzessive und explizite Weise ebenso die Leserin, den Leser.

Irene Suchy beleuchtet in ihrer – immer wieder auch an die Mutter adressierten – lyrischen Autobiografie Kindheit und Jugend und im Besonderen die Beziehung zu einer Frau, die nicht zärtlich sein konnte, deren Sprache vom Sollen und Müssen beherrscht war und die, indoktriniert von den in der Zeit des Nationalsozialismus üblichen Dogmata, ihre Kälte, innere Enge und Frustration vor allem an der Tochter abreagierte.
Spürbar und evident ist die grenzenlose Einsamkeit, die das Kind und später auch die erwachsene Frau durchmacht; eine Einsamkeit, die sich aus der unausgesetzten Auseinandersetzung mit einer Mutter, die dem Kind keinerlei Nähe, Unterstützung und Wärme zukommen lässt, speist.
Die Hoffnung auf das Gute jedoch blitzt da und dort ebenso auf: „Dass ich manchmal/ Gast sein darf auf dieser Welt“ oder „Eirene – dass der Name auch Liebe-voll besteht“.

Stark aufgeladene, atmosphärische Gedichte sind das; unwillkürlich drängt sich in diesem Zusammenhang einmal mehr Else Lasker-Schülers Bezeichnung für das Drama als „schreitende Lyrik“ auf.

Die Autorin zieht viele formale Register:
Listen, Modalverben, Komposita, serielle Imperative und Negationen oder auch optische Kunstgriffe wie die Rechtsbündigkeit mancher Texte kommen zum Einsatz.

Ein sehr persönliches, aufwühlendes Buch, das – auch durch die Schwarz-Weiß-Fotografien – ein wichtiges Zeitdokument und zugleich Milieustudie ist!

Petra Ganglbauer

Eva Jancak: Paula Nebel

www.jancak.at
Wien 2013

Cover Beispielgebend für das Leben so mancher Frau ihrer Generation, muten Leben und letzte Tage im Dasein der Paula Nebel an.
Eva Jancak setzt ihrer Erzählung einen Passus voran, der impliziert, dass es sich inhaltlich dabei lediglich um Ähnlichkeiten mit der Realität handle. Die Figuren sind frei erfunden.

Erinnern wir uns: „Nebel“ ist die buchstäbliche Umkehrung von „Leben“. In beidem ist manches unscharf und gewissermaßen unaussprechlich. Im Leben selbst so manches auf Jahre verschüttet.

Kleinste Alltagsereignisse, Erinnerungen und Begebenheiten lassen die ehemalige Psychologin Paula Nebel noch einmal auf Personen aus ihrem Leben treffen.
Eva Jancak setzt jedoch auch – wie stets in ihrer Arbeit – auf höchst aktuelle gesellschaftspolitische Fakten, wie die Anhebung des Pensionsalters oder auf unausgesetzt aufzuarbeitende Tatsachen, wie die Geschehnisse am Ort des Grauens „Spiegelgrund“. Diese werden mit den kleinen alltagsspezifischen Ereignissen verknüpft.

Ein anregendes, jedoch unaufdringliches und gerade deshalb ansprechendes Buch!

Liesl Ujvary: Ein Schattenprogramm

Mit einem Nachwort von Ann Cotten

mitter verlag
Wels 2013

Wo setzt Fremdbestimmung ein? Wo Manipulation? Fernsteuerung?
Was ist öffentlich, was privat? Wodurch kommt einer (einem) das Recht auf Urheberschaft abhanden? Gemeint ist jene generelle Urheberschaft, die uns zu eigenverantwortlichen Individuen macht!
In ihrem aktuellen Buch kehrt die Autorin bezeichnenderweise typologische Strukturen der uns auferlegten Wirklichkeit hervor, zeigt die damit verbundenen (Neben)wirkungen auf den einzelnen Menschen auf, Wirkungen, die hart an die Grenze der Existenz gehen.
Phänomenlogisch und syntaktisch einmal mehr die Illusion einer Linearität oder auch Kontinuität in der Selbstwahrnehmung wie der Wahrnehmung von Wirklichkeit generell unterminierend, zeigt das Buch zahlreiche Brüche und Löcher, die sich zwischen den Menschen und in jedem von ihnen auftun: der Mensch registriert seine körperlichen und emotionalen Irritationen, beschreibt sie akribisch einer Maschine gleich, einen – vor einiger Zeit noch vorhandenen – eingebildeten Überblick über das Leben gibt es längst nicht mehr; jeder Satz, jeder Gedanke, jeder Ausspruch fällt – abgesondert von den übrigen – in einen Abgrund, der sich zwischen den Menschen, in der Sprache selbst also der Welt auftut. Fragmentierung.
Dies unterstreicht die different, nämlich handschriftlich gestaltete jeweils rechte Buchseite.
Die in diesem Buch angelegte Wahrnehmung lässt sich auf diese unsere sich selbst überholende Gesellschaft übertragen, deren Individuen bereits längst ihr induziertes Parallelleben führen!
Ein wichtiges Buch auf der Höhe der Zeit und darüber hinaus!

Petra Ganglbauer

Gertrude Maria Grossegger / Günter Egger: GRASFISCHEN TRAVOLOVKE

TEXTE UND BILDER

Bibliothek der Provinz
Weitra 2013

„Rückgebunden“ an den Raum der Musik vollzieht Gertrude Maria Grossegger poetische Setzungen und Markierungen in ihrem neuen Lyrikzyklus, indem dieser aus 13 Sätzen gebaut ist. Die knappen, aufgeladenen und zugleich durch die ihnen immanente Leere weithin schwingenden Sequenzen kreisen um (Garten)mystik und Innerseelisches, um Schmerz, der den Wesenheiten implementiert ist ebenso wie um Beziehungsfelder.
Die Sprache mutet mitunter wie Geflüster an, rhythmisierte, gewisperte Wirklichkeit, die an den Rändern von Sein und Nicht-Sein gesprochen wird. Manche der Verszeilen bestehen aus lediglich ein, zwei Worten – gerade dies macht die Textur so fragil, als ob sie ziseliert wäre oder als ob sie das Leben in seiner ganzen Verletzlichkeit spiegle.
Das Vegetabile zieht sich durch den Zyklus wie das Meer es tut – und auch der Stein verkörpert das ganze Gewicht des Lebens in diesem durch ausnehmend stimmige, weil nicht abbildende Bilder von Günter Egger ergänzte Werk.
Empfehlenswert!

Petra Ganglbauer

Elffriede: aufzeichnensysteme schrei zum hummel

eine art buch

Klever Verlag
Wien 2013

schrei zum hummelDie gesammelten Notizen, Skizzen, Fotos und Abbildungen, Listen, Gedichte, Notate wurzeln im Aufzeichnen und beseelen die Dinge des Alltags und des Lebens generell – sie werden zu „exerzitien“, zu „ingredienzien“ – das vorliegende Buch ist Extrakt eines unausgesetzten Rituals.

Da finden sich Spickzettel mit Überschreibungen, Fehldrucke, Serielles, Rechnungen etwa – wir hätten also Bild und Schrift! Aber die Künstlerin und Autorin erweitert ihre Arbeit um noch eine Dimension: wir hören (!) die Schrift, vielmehr den Schreibvorgang samt Werkzeug: die „feder“ „knackt“ oder „quietscht“ heißt es da. Diese Anmerkungen erinnern an Regieanweisungen. Damit hätten wir also gleich noch eine Gattung!

Die Form-, Gattungs- oder auch Material-Ansätze verschränken und überlappen sich, sie werden zu einem offenen System, zu einem oszillierenden Stück Schreibforschung!

Petra Ganglbauer

Gerhard Jaschke: kikeriki

Mit Bildern von Ilse Kilic & Fritz Widhalm.
wohnzimmers buntes lyrikheft 3.

das fröhliche wohnzimmer – edition
Wien 2013

Bunte Wörter, Zeilen, Gedichte, Skizzen! Bilder – aus dem Leben gegriffen und authentisch, (selbst)ironisch, mitteilsam. Ein wundervolles Büchlein, das die Leserin (der Leser) immer wieder gerne zur Hand nimmt! Diese Kunstwunderpille besteht aus Wortwerk von Gerhard Jaschke, das sich gegen die Strömungen des Alltags richtet.

Herzhafte Zeichnungen von Ilse Kilic und Fritz Widhalm wiederum ergänzen den Text. Die Lektüre ist reine Freude!

Petra Ganglbauer

Manfred Chobot: Lebenslänglich Wichtelgasse

Wiener Erkundungen

Löcker Verlag
Wien 2012

Mit seinem jüngsten Buch erweist sich Manfred Chobot einmal mehr als Autor, der vom ernsten bis zum lakonischen oder sarkastischen Duktus alles beherrscht. Gerade hinsichtlich der vorliegenden Themen erweisen sich die stilistischen und Genre-Wechsel als den Inhalt verstärkende Instrumentarien.

„Lebenslänglich“ sind wir den Mechanismen der immergleichen gesellschaftlichen und kleinbürgerlichen Rituale ausgesetzt bzw. gestalten diese mit – der Autor unternimmt einerseits sachliche, andererseits humorvolle Diskurse zu den Themen Müll (Entsorgung) oder Shopping, die Donau, Strandbaden oder auch Vereinsmeierei.

Zudem sind die jeweiligen Titel ausgesprochene Impulsgeber: „MÜLL – EIN ANFALL UND EINE ABFUHR“ heißt es beispielsweise.
Chobot spiegelt äußerst treffend Banalitäten, Unausweichlichkeiten und festgefahrene Muster von Durchschnittsmenschen und deren Aktionsradius, die kleinen Passionen, Fallen und Verführungen. Der Autor entwirft dabei auch ausgesprochene Typologien von Menschen.

Ein empfehlenswertes Buch, das aufzeigt, wie humorvoll und spannend der Alltag und seine kleinen Abgründe in dieser unserer urbanen spätkapitalistischen Wirklichkeit sein können.

Petra Ganglbauer