Chacha Bevoli: Gedankenströme

Lyrische Texte

Elisabeth Chovanec
Wien 2011

Vom einfachen und vorurteilslosen Umgang mit der Natur, von den Gezeiten, dem Lebens- und Jahreslauf erzählen diese Gedichte; die Naturmetaphorik wird ganz bewusst für seelische Prozesse und die privatesten Momente im Leben „die Stimme verloren/Im Pulsschlag der Nacht“ eingesetzt. Wenig später heißt es im selben Gedicht: „Warte auf die Helle.“
Stets also ist das Hoffnung bringende, die Dunkelheit auflösende Moment jener Impuls, der das lyrische Ich seine Erfahrungen mit der Welt und ihren Geheimnissen machen lässt.
Diese Gedichte sind im eigentlichen Sinn unprätentiös, aber sie machen die Welt des Ungreifbaren, Geheimnisvollen transparent, lassen die Seele der Kristalle, des Wüstensands oder des Teelichts aufleuchten.
Geordnet sind sie in fünf Kapitel, deren hervorstechenster Titel wohl „Lebensoval“ ist.

Die Texte sind Poetiesierungen des Alltags, indem dessen Facetten geprüft und gewendet werden wie die „Heitere Gedankenlosigkeit.“

Ein unaufdringlicher Humor setzt sich in den Gedichten fort und macht sie leicht und das Leben dadurch auch in seiner Schwere verkraftbar.

Petra Ganglbauer

Erika Kronabitter: einen herzschlag nur bist du entfernt

Edition Art Science
Wien-St. Wolfgang 2010

Erika Kronabitters Gedichte sind ein einziges ausladendes Requiem. Sie sind zudem ein Randgang zwischen dem „Gerade Noch“ und dem „Nicht Mehr“.
Die Texte bilden eine formale Zusammenschau aus einem äußerst sphärisch-subtilen Gestus und einer hohen Sprachgeschwindigkeit. Das macht sie so aufgeladen.

Das Buch kreist um die Themen Abschied, Vergänglichkeit, Verlust und Trauer, eine Trauer, die jedoch mitten aus dem Leben gegriffen ist, die vital ist, poetisch, mitunter laut und beinahe trotzig.
„Als ob ich dich schnell anrufen müsste und/ dir erzählen“.
Da spricht/ ruft ein waches lyrisches Ich, das sich vehement der Endgültigkeit und dem Unwiederbringlichen widersetzt.

Da gestalten sich Erinnerungs/Bilder aus der Negation heraus „vor dem haus nicht mehr/ im garten nicht mehr…“ und werden auf diese Weise plastisch, lebendig.

Nicht nur der Mutter sind Gedichte gewidmet. Unter anderen auch Autor/inn/en wie dem verstorbenen Lyriker Gerhard Kofler.

Erika Kronabitter wendet unterschiedlichste formale Umsetzungen des Themas an, manche der Texte sind eher dramatisch angelegt, Partituren gleich, andere wieder von strenger Textur, schmal und voll von Parallelismen.
Die verschiedenen zyklischen Typen von Gedichten machen den Band sehr abwechslungsreich.

Ansprechend, weil zart und wie aus einer anderen Dimension geholt, die Coverzeichnung, von der Autorin, Künstlerin selbst gefertigt.

Ans Herz gelegt!

Petra Ganglbauer

Petra Ganglbauer: Die Überprüfung des Meeres

Edition Art Science
Wien und St. Wolfgang 2010

In ihrem neuen Lyrikband unternimmt Petra Ganglbauer eine konsequente Reduktion von Sprache, ohne diese auszudünnen. Ihr Texte sind kurz, prägnant und gleichzeitig sehr poetisch, in den jeweils wenigen Zeilen eines Gedichts springt eine Bildfülle auf, ein kleiner Wortkosmos, ein in sich schlüssiges Bild, aus unerwarteten Wörtern geformt: „Immer schon in Gang dieses Andere/Bild-Re-velation/Weiße Variante/ (Der Krieg ist unerreichbar) aus Wasser oder Glas/ Oder Schalldämpfer: das Bild kippt und wird real.“ (S.67)

Jedes der Bilder ist real, jedes Wort trägt seine Bedeutung ohne Verfremdung, erhält seine Nobilität in seinem Kontext: „Das Wort wird in die Zeit gepackt,“ (S.23). Die Zusammenhänge ergeben sich nicht vordergründig, sondern resultieren aus poesievollen Splittern, mit denen Weltsicht vermittelt wird.

„Der Zusammenhang der Bilder/Reflektiert den Rest./Des Lichts.“ (S. 63) Es entsteht eine große Dichte, eine faszinierende Konzentration, in den wenigen Zeilen eines Gedichts findet sich nichts Überflüssiges, kein Füllwort, nur die kleine Nennung der Dinge, für die Petra Ganglbauer auch zu eigenwilligen Wortzusammenhängen., Wortschöpfungen greift, um eine größere Präzision, eine perfekte Reduktion zu erreichen. Sie schreibt von „wasserbegonnenen Bildern“, einem „Schockhimmel“, von „wildfarbenen Serpentin“, von “Pixelschnee“ und „Zitterwasser“, Wörter, die, als Beschreibung, für sich stehen könnten und die in ihrem Kontext eine zusätzliche Farbe, Sinnlichkeit erhalten.

Petra Ganglbauer baut auch Kurz-Passagen in anderen Sprachen ein, zitatartig, und sie arbeitet mit grafischen Mitteln (Wortabstände, Kursivschrift, Satzzeichen, Klammern) und intensiviert dadurch noch die Struktur ihrer Gedichte. Daß jedes dieser kurzen Gedichte nicht nur seine Seite, sondern auch die gegenüberliegende (weiße) Seite zur Verfügung hat, sei dem Verlag hoch angerechnet.

Die Wörter, Wort-Bilder in Petra Ganglbauers Gedichten ergänzen sich, bauen sich auf, wenden sich auch gegeneinander, überraschend, unerwartet, und doch werden nie Brüche gebildet, sondern es entsteht eine lyrische, ins sich geschlossen „Montage“. „Eine solche Montage!/Braucht nur wenige Striche:/Wasser, Landschaft, Auge./Into the direction of day.“ (S. 63)

Man könnte dieses Gedicht auch als eine Art Programm für diesen Band lesen, in dem die Autorin mit ihrem so bewussten Umgang mit Sprache, durch die Beschränkung jedes Gedichts auf wenige Zeilen, Raum für intensive Poesie schafft.

Waltraud Seidlhofer

Gregor M. Lepka: Aus dem Fenster der Blick

Resistenz Verlag
Linz-Wien 2009

Zarte Notationen sind das, aus einer Achtsamkeit heraus geschrieben, die den Dingen ihren Raum, ihre Zeit lässt.
Texte, die in sich ruhen und dennoch das Wort ergreifen. Verlangsamungsgedichte in einer Epoche der Beschleunigung und Akkumulation, Texte, die lichten, klären, die behilflich sind, dem Weltverständnis näher zu kommen.

Unprätentiös setzen sich die Gedichte Gregor M. Lepkas, Wort für Wort, wie Markierungen in Raum und Zeit. Schön, die Interdependenz von Innerseelischem und Außerseelischem, zutiefst lyrischen Themen.
Einige der Gedichte sind ruhig in ihrer kontemplativen Qualität, andere wieder um eine Spur expressiver.

Auch sind Zitate in diesem Band vorhanden, von Waltraud Seidlhofer, Michael Hamburger und anderen, sie erweitern den Kommunikationsprozess um diese intertextuelle Note.
Ein schöner Band mit ebenso unaufdringlich wie einprägsamer Gedankenlyrik.

Petra Ganglbauer

Lisa Fritsch: Ausgewählte Gedichte

Podium Porträt 39
Wien 2008

Lisa Fritsch © Podium Verlag

Als ich Lisa Fritschs Gedichte gelesen hatte, fiel mir Ronald D. Laing ein, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass wir Menschen innen und außen oft nicht integrieren können. Die Gedichte haben durchaus das Thema Innenwelt-Außenwelt, sie beschreiben eine Transgression, oft ist es eine zarte Verwunderung über die Widersprüche, die sich ergeben, wenn wir das Wissen von einer Sache mit dem zusammentun, was wir außen wahrnehmen. Am offensichtlichsten ist dies bei den LANDSAT-Gedichten, die als eigenständiger Band 1995 bei Deuticke erschienen sind und von denen hier eine kleine Auswahl vorliegt. Wenn der Astronaut unseren blauen Planeten aus großer Entfernung betrachtet, dann sieht er „rund und zerkratzt (…) die Erde // eine tönerne Kugel / gealtert am Himmel“. Wir wissen aber, wie fest die Erde ist und dass diese „Kratzer“ vielleicht Kanäle oder Flussläufe sind. Und überhaupt entsteht eine Art innerer Musik in diesen Gedichten, wenn man, perspektivisch verzerrt, das Monumentale irdischer Erscheinungen und die durch die große Entfernung entstehende Kleinheit verinnerlicht. Groß und klein sind eben relative Größen. Die übrigen Gedichte des Bandes, in den Jahren 1971 bis 2008 geschrieben, führen mit seltener Stringenz vor, wie die genannten Kategorien entweder kontrovers sind oder einander durchdringen, wie also das Äußere vom Inneren gefärbt oder umgedeutet wird und umgekehrt. Innen ist nicht wie außen, aber beide ergänzen einander und lassen ein neues Bild, eine neue Wirklichkeit entstehen. Diese Gedichte lesend, können wir unsere Vorurteile sanft oder heftig erschüttern lassen. Denn so gemütlich und sicher unsere Innenräume in Wohnungen sind, so erschütterbar erscheinen sie uns, wenn sie von außen gesehen werden. So in dem Gedicht über die „Stadteinfahrt / an Häusern vorbei / Bettzeug / und Möbel // Schlafzimmer / in denen morgens / die Tapeten leuchten.“ Oder der wunderbare Anblick einer Baumkrone in der Sonne kann nicht vergessen machen, dass Schatten unentbehrlich ist – „ich zehre / vom Schatten / in der Sonne Harz.“ Sprachlich steuern diese Texte immer wieder auf äußerste Verdichtung hin. Die Dinge sind nicht die Dinge, das kann man lesend erfahren. Es gibt das Gedicht vom Flug über das Meer, wo Zeit und Raum, Leben und Tod aufs äußerste komprimiert werden, alles geht aus der Differenz zwischen der eigenen Lebendigkeit und dem Fremdanblick der übrigen Passagiere hervor, nicht zu vergessen die prekäre Luftfahrt, die aber von der Autorin nicht erwähnt wird. Hier wird der Widerspruch zwischen Statik und Bewegung interessant, nicht unähnlich der Empfindung, irdisch auf festem Boden zu stehen, indessen der Planet sich mit rasender Geschwindigkeit bewegt, was wir zwar wissen, aber nicht sinnlich erfahren können. Kompression der Zeit: Was geboren werden wird, ist zugleich schon gestorben, („[spatium] unaufhaltsam [spatium] die noch nicht geborenen Toten“). Der Anschein spricht nicht für die Einheit der Welt, vielleicht soll sie in uns erst hergestellt werden. Und dann das Gedicht über die alternde Mutter, deren inneres Dunkel, „das für sie jetzt / zum Blütengewölbe wird“ von den Parkbesuchern nicht wahrgenommen werden kann. Sie sehen nur die Hinfälligkeit ihres „Körpers (…).“ Von Person zu Person sind wir voneinander getrennt, wir leben von innen, für die anderen sind wir aber Außenwelt, die wiederum verwandelt wird in die eigene Innenwelt.

Die Gedichte der Lisa Fritsch trumpfen nicht auf, es sind Erkundungen einer immerwährenden Begegnung und Umwandlung von innen nach außen und von außen nach innen. Und sich als Reisende und als Reisender von der Erde entfernen, heißt sich ihr auf subtile Weise nähern. Der perspektivische Blick ist das große Abenteuer. Und es gibt die Paradoxie der Erscheinung.

Gerwalt Brandl

Christine Haidegger: Herz.Landschaft.Licht.

Gedichte

Otto Müller Verlag
Salzburg-Wien 2009

Fragil, wie gezeichnet, und gleichermaßen expressiv, weil derart durchdrungen von der Stimme des Schmerzes, sind diese Gedichte; sie werden begleitet von einer Traurigkeit, die anhält, die den Tag begleitet und während der Nächte nicht geringer wird.

Das lyrische Ich setzt wiederkehrend Haltepunkte, die wie Abschied klingen. Da ist ein Echo, ein steter Nachklang von Verlust, die Gedichte bewegen sich auf jenem feinen, konzise gebauten Grat zwischen dem Hier und dem Dort, in dieser Lyrik ist keiner der Pole ohne den anderen möglich; die Präsenz der Dinge bringt das unausweichliche „Dämmern“ von Abschied mit sich. Eine Absenz wiederum wirkt nachhaltig herein ins Jetzt ihrer Präsenz.

Ungewöhnlich beeindruckende Textstellen finden sich in diesem Buch, wie zum Beispiel: „Sich hingeben/ hieße/: unvollendet/ sterben.“

Christine Haidegger spannt einen weiten Bogen, der zutiefst lyrische Themata einbezieht, die Stimmführung in ihren Gedichten ist jedoch eine ganz eigene, sehr persönliche.

Ein schönes Buch!

Petra Ganglbauer

Gerhard Ruiss/Oswald von Wolkenstein: Herz, dein Verlangen

Lieder. Nachdichtungen. Band II.

Folio Verlag
Bozen 2008

Wir kennen Gerhard Ruiss als facettenreichen Autor, der auch Selbstironie und Gefühl in seinen Texten zu vereinen vermag. Ein konsequentes Unterfangen ist in der Tat das dreibändige Projekt mit Nachdichtungen der Lieder Oswald von Wolkensteins, von dem Band 1 und 2 bereits vorliegen.

Ruiss, der auch bei seiner organisatorischen Tätigkeit für die IG Autorinnen Autoren stete Disziplin verkörpert, tut dies ebenso in seiner Dichtung. Konzise und dennoch aus einer Leichtigkeit heraus (die in der vorhergegangenen Anstrengung wurzeln mag) sind die Nachdichtungen des letzten und berühmten Minnesängers geschrieben. Musikalisch, onomatopoetisch, rhythmisch, authentisch. Ruiss schafft es, die Leserin/den Leser in kurzer Zeit in jene klingende Umwelt hineinzuholen, die jene des Minnesängers, und die Antrieb für seine Lieder war.

Die Originaltexte finden sich im Anhang.

Zur Lektüre sehr empfohlen!

Petra Ganglbauer

Petra Ganglbauer: Im Schonungslosen

Gedichte

Mit Photographien von Elisabeth Wörndl

edition ch
Wien 2007

im_schonungslosenpetra ganglbauers im schonungslosen ist eine kantige partitur, die jegliche musikalität in die schranken weist, sobald sie in einen rhythmus zu münden droht.
das sprachliche system baut sich auf aus mauern, aus dem stocken, dem stillstand und der atemlosigkeit.
daraus generiert die autorin kurze textbauwerke, stellt sie auf die seiten wie gebäude. unverrückbar. unangreifbar. sprachliche entsprechungen zu elisabeth wörndls fotografien.

Mike Markart

Nils Jensen: Podium Porträt 30

Gedichte
Hrsg.: Hannes Vyoral

Podium
Wien 2007

Nils Jensen © Podium

Eine achtsam zusammen-gestellte Sammlung von Gedichten aus vielen Jahren findet sich in diesem Band, der mit einem ebenso empatischen wie emphatischen Vorwort von Hannes Vyoral ausgestattet ist.

Die Gedichte des Autors weisen, obgleich stilistisch ebenso gekonnt wie bewußt unprätentiös, jene große Gefühlsskala auf, die von Entschiedenheit, Widerständigkeit bis hin zu Melancholie oder innerseelischer Schwere reicht. Facettenreich wie das Leben selbst sind diese Gedichte, die innergesellschaftliche Realität nie außer Acht lassend.

Jensen ruft uns auf, unsere Träume nach vorne auszurichten, den gefährlichen (!)Blick zurück mit aller Kraft zu vermeiden!

Das lyrische Ich ist und bleibt in Bewegung, wandernd, sinnierend, schreibend.
Und über allem liegt – jenseits intensiver Gefühle – eine spürbare Leichtigkeit und Fragilität, die vor allem auch stilistisch transparent wird.

Ein lesenswerter Band, der aufrüttelt und zugleich Freude bereitet.

Petra Ganglbauer

Nikolaus Scheibner: auf der hand

herbstpresse
Wien 2006

Cover leider nicht vorhanden (Foto des Autors © Ritter)

Nikolaus Scheibner spielt vieles (fast alles) durch, was Sprache ist, sein kann und impliziert.

Diese Texte sind in der Tat Artefakte, poetisch, jedoch immer wieder kongenial trashig angelegt, ganz auf der Höhe der Zeit, als ob der Autor mit der Sprache oder nein, mit dem Leben, nicht nur sprachspielerisch umgehen, sondern auch diesen ganzen Wirklichkeitsmüll mitsprechen lassen wollte. Als wollte er Poesie und Existenzmüll verschränken.

Er führt Material aus unterschiedlichsten Kontexten (Zeiten, Orten) zusammen, um mittels immer neuer formaler Anläufe, diese ganz vertraute (Sprach)Wirklichkeit aus ihren Fugen zu reißen, kippen, brechen, unterminieren.

Ja, es ist, als wäre das ganze Buch eine einzige brennende Unterminierung von jenem müden Sprachgebrauch, dem wir alle mitunter anheim fallen.
Als wäre es ein zynischer Weckruf!
Ein poetischer Wächter!

Sehr lesenswert!

Petra Ganglbauer