Helmuth Schönauer: After Hofer

Illustrationen von Bertram Haid

Edition BAES
Innsbruck 2010

Das vorliegende Buch subsumiert viele der gesellschaftskritischen Stimmerhebungen, die der Autor konsequent seit Jahren einsetzt.

Der Sandl-Wirt Handy After Hofer, Handreas Hofer (nunmehr Handy Hofer oder Oasch Hofer) wird in ein bewusst verballhorntes, entfremdetes, pervertiertes Regional-Setting (nördlich von Meran) gestellt, umrahmt von den Insignien der spätkapitalistischen Gesellschaft.

Das lakonische Buch verschränkt die Residuen eines bereits verkommenen und abnormen politischen Bewusstseins mit den Auswüchsen von Artensterben, Tourismus, Showgeschäft, Leistungssportmanie, Totalitarismus usw.

Spannend der sprachreflexive Zugang, der dem Text etwas Skurriles mithin Abstraktes verleiht.
Wo die Sprache – auf Zeit – aufhört, setzen die Illustrationen an; beide, Text und Bild, passen kongenial zueinander.

Petra Ganglbauer

Andreas Unterweger: Du bist mein Meer

Novelle

Droschl Verlag
Graz 2010

Es beginnt alles mit dem Verlust eines Fotoapparats.
Dann folgt ein subtiles Spiel mit Innen- und Außenwahrnehmung, ein Schwenk der Zeiten; zwischen Involviertheit und kühler Distanz bewegen sich die Skizzen, Bildeinstellungen Andreas Unterwegers.
Seine Sprache, schmale Zeilen, unprätentiös und dennoch knisternd, Spannung erzeugend, lokalisiert sich zwischen den Ereignissen, dem Tun, dem Leben also und externen Einwürfen: Regieanweisungen.

Die ruhige poetische Kameraführung gestattet, dass trotz der vielen Wahrnehmungsswitches jede Gedanken- oder Bildeinstellung nachvollziehbar und miterlebbar wird.

Diese Arbeit lebt von der eigenwilligen Zusammenschau aus Ruhe und einer Art Dauerbewegung. Das Buch als Film.

Alles inszeniert sich zwischen den Zeilen, die wenigen Sätze setzen Akzente, die Leere dazwischen spricht und erzählt von der Liebe, auch von dieser.

Petra Ganglbauer

Christian Steinbacher: Winkschaden, abgesetzt

Gedichte und Stimmen

Czernin Verlag
Wien 2011

Aufreizend, tirilierend, ironisierend, – die Stimmführungen im neuen Buch von Christian Steinbacher umfassen diese Qualitäten und noch viel mehr.

Die Gedichte / Stimmen erzeugen ornamentale, irrwitzige, verstiegene, organische oder aber auch höchst artifizielle Blickfänge. Was da alles einverleibt und anverwandelt wird, lässt den Schluss zu, das im Alltag – dem allzu Menschlichen mithin – ebenso viel Zauberhaftes, Poetisches auszumachen ist wie in anderen, weit gefaßteren Kontexten.

Steinbachers Texte prägen sich exzessiv und durchaus lautstark – manchmal wie Posaunentöne – ein.
Es sind komplexe Gedankengebäude, die mittels Sprachspiel und poetischer Fertigkeit, den Ernst des Lebens und wohl auch dessen Unumgänglichkeit verkünden.

Petra Ganglbauer

Thomas Havlik: das auto voller wasser

Audio CD

edition zeitzoo, www.zeitzoo.at
Wien 2011

Dinge, Tiere, Maschinen, – die Elemente und deren akustische Abdrücke.
Die Arbeiten Thomas Havliks sind präzise Setzungen, die das Wabern und Murmeln, das Brodeln unter der Oberfläche der Wahrnehmung spürbar machen.

Es ist, als ob sich das Subjekt zurückzöge, auf einen entlegenen Aussichtspunkt und von dort aus den Stimmen ihren Lauf ließe. Es gibt diese Erzählinstanz gewiss, jedoch inszeniert sie sich nicht.

Die chorischen Vokal-Elemente muten wie Rückversicherungen, Verstärkungen dessen an, was Gegenstand der Tiefgänge ist. So stellt sich das Subjekt in den Dienst von allem.

„Aufgeackert“ in der Tat ist Havliks Sprache; sie wird angebrochen angedacht, ist voll von poetischer Aufladung.

Eine originelle, empfehlenswerte Audio-Arbeit.

Petra Ganglbauer

Manfred Chobot: Der Tag beginnt in der Nacht

Eine Erzählung in Träumen

Sonderzahl Verlag
Wien 2011

cover_chobot_sonderzahlDas neue Buch von Manfred Chobot steckt voll überraschender Wendungen. Die jedoch sind so geschickt inszeniert, dass man als Leser/in die Switches kaum oder gar nicht registriert.

Das Buch fokussiert die Traumwirklichkeit wie den Wachzustand und ist gespickt mit detailfreudigen Ereignissen, topografischen und kontextuellen Exkursen. Darüber hinaus ist es humorvoll.
Das Besondere aber – im Gegensatz zu anderen Traumprotokollen und ähnlichem – ist, dass es gewissermaßen die Bewusstseinbewegung wie einen großen Strom nachzeichnet, einen Strom, der einerseits voll Wirbel und Stromschnellen steckt, andererseits aber den Ich-Erzähler und uns, die Lesenden, quasi mit sich zieht.

Ehe wir es begreifen, stecken wir mit dem Protagonisten und den zahlreichen anderen Personen mitten in einer Situation, einer Geste, einem Gespräch, einer Interaktion, die fest im Tagbewusstsein verankert scheint. Im selben Augenblick hat uns der Schlaf (Traum) – die Übergänge vom einen zum anderen sind fließend.
Die Unterscheidung fällt sichtlich schwer. Die Erzählung mutet äußerst suggestiv an.

Ein Buch, das Tagbewusstsein und Traumbewusstsein gewissermaßen zeitgleich zu erfassen sucht. Sehr gelungen!

Petra Ganglbauer

Manuela Kurt: Figuren

Edition ch
Wien 2011

Körper-Stadt-Seele und schließlich die Dinge, Settings des Lebens überhaupt, sind jene Kernobjekte, um die die Kurzprosatexte von Manuela Kurt kreisen.

Die Autorin durchquert in ruhigen, schlichten Sätzen die Wirklichkeit, setzt über vom einen zum anderen, verlässt das eine wie das andere – Traum oder Realität – kehrt hierhin und dorthin zurück und schafft so einen ganz eigenen Raum.

Den Texten liegen Beobachtungen zugrunde, die nur aus der Stille, der Verlangsamung heraus entstehen können. So gesehen, sind diese Texte kleine Wegweiser im Lärmgetümmel unserer Gesellschaft. Sie zeigen auf, dass es sie doch gibt, die Anhaltemomente, dass der Außenblick zugleich ein Innenblick sein kann und diese Parallelqualität Facetten des Lebens aufzuzeigen imstande ist, die sonst verloren gingen.

Die Texte werden von spannenden Fotografien von Michael Kurt begleitet.

Petra Ganglbauer

Ilse Kilic, Fritz Widhalm: Alles, was lange währt, ist leise

Des Verwicklungsromans siebenter Teil

Edition ch
Wien 2011

Stimmen, Erinnerungen, höchst lebhafte Treffen von lebenden zeitgenössischen, durchaus auch der Rezensentin bekannten Autorinnen und Autoren, Künstlern und Menschen; viele humorvolle und authentische Schwenks – zurück in der Zeit – würzen den 7. Teil des Verwicklungsromans.
Dieses Buch pulsiert, ist nah am Leben und dennoch ungewöhnlich, wie das Leben, die Sprache, die Literatur selbst.

Wir freuen uns, noch mehr und nach und nach über Leben und Wirken, Hoppalas und Sternstunden von Jana und Naz zu erfahren.
Das Buch sei allen, die sich bis jetzt auf diese aufregende Lebensgeschichte des Schriftstellerpaares nicht eingelassen haben, ans Herz gelegt und dringend empfohlen!
Der Titel wirkt wie ein achtsamer Kontrapunkt.
Der Editon ch wiederum sei gedankt, dass sie so konsequent dieses Lebensprojekt fortsetzt – auch wenn es an einer Stelle heißt: „die vergangenheit ist klar vorbei, sagt der dichter ernst herbeck…“
Vielleicht gerade deshalb umso mehr!

Petra Ganglbauer

Monika Giller: Schwarzlicht

Erzählungen

Edition Art Science
Wien und St. Wolfgang 2011

Diese Erzählungen sind dicht gestrickte, emotional aufgeladene Stücke Wirklichkeit (oder fingierte Wirklichkeit). Sie packen zu.
Schon der Cover leuchtet in der Signalfarbe Rot, das Bild in seiner Mitte mutet wie eine Sinnestäuschung an: Einmal zieht es das Betrachter-Auge in die Tiefe, ein anderes Mal stülpt sich der Grund des Bildes aus, als ob er direkt ins Auge fahren wollte.

Monika Gillers Erzählungen bewegen sich tief in und an den Rändern der Wirklichkeit, befassen sich gleichermaßen mit Leidenschaft wie mit der Vergänglichkeit von allem. Sie fassen hinein ins Farbige, Bunte, in die Lebenslust und lassen zugleich etwas Anderes anklingen, etwas das weitaus fragiler ist, das alles auch irgendwie in Frage stellt.

Es sind Geschichten von Leben, Liebe, Abschied, manche ironisch gebrochen und doch insistierend; der Erzählstil ist oftmals ein kreisender; Giller wendet wiederholt Komposita, Assonanzen an, knüpft Worte an Worte, spinnt einige der Texte immer wieder in leichten Abwandlungen weiter.

„Der Staub liegt wie ein Sandstrand in den Zimmern.“, heißt es in einer der Erzählungen. Die Unausweichlichkeiten des Lebens liegen ganz dicht an den Träumen. Dies wahrzunehmen legt dieses Buch nahe.

Petra Ganglbauer

Lisa Spalt: Blüten

Ein Gebrauchsgegenstand

Czernin Verlag
Wien 2010

Mit diesem Buch unternimmt Spalt eine poetische, formal konzise, streng strukturierte Suchbewegung, ist Forschungsreisende in Sachen Kulturgeschichte. Schon der Titel spricht gezielt diese absurde gesteuerte Zusammenschau von Ätherischem und Marktcharakter an.

Wie auch bereits in anderen Texten (Essays) fokussiert die Autorin die Machbarkeit und Verwertbarkeit von Dingen/Waren, setzt sich mit Gewinnmaximierung, Zuordnungen, Kategorisierungen von Körper oder Natur (auch von Sprache) auseinander; der Warencharakter von Organischem wie Anorganischem – und somit auch gewissermaßen deren Gleichstellung – ist Gegenstand dieses Buchs.
Lisa Spalt zeichnet formal wie begrifflich die Überprüfung der Verwertbarkeit von allem nach. Begleitend und die jeweilige Sequenz eröffnend, finden sich botanisch-metaphorische Skizzen.

Den Ausgangsort für den Exkurs bilden die „krankhaften Auswüchse am Beispiel der holländischen Tulpenmanie zu Beginn des 17. Jahrhunderts…
Plötzlich wurden Tulpenzwiebeln statt Aktien gehandelt, Laien riskierten an Tulpenbörsen, die in den Hinterzimmern von Wirtshäusern eingerichtet worden waren, ihr Hab und Gut.“ (So der Verlagstext).

Eine konzeptuell wie sprachlich fordernde, in ihrer Nachdrücklichkeit und präzisen Aufarbeitung radikale Arbeit. Empfehlenswert!

Petra Ganglbauer

Christine Huber / Magdalena Knapp-Menzel: Durchwachte Nacht. Gedankenstrich.

Edition Art Science
Wien und St. Wolfgang 2010

Schön, dass sich zwei zeitgenössische österreichische Autorinnen der weißen Flecken, der Schweigelöcher in der Geschichte der Literatur von Frauen angenommen und gemeinsam diesen „überzeitlichen“ lyrischen Dialog zwischen Annette von Droste-Hülshoff, der bedeutenden deutschen Dichterin und der amerikanischen Dichterin Emily Dickinson, deren Gedichte erst nach ihrem Tod gedruckt wurden, verfasst haben.
Angezettelt wurde das Projekt ehedem von Christine Huber, in Magdalena Knapp-Menzel fand sie schließlich eine kongeniale Partnerin für dieses Unterfangen.

Der soziale Stand der beiden Dichterinnen Annette von Droste-Hülshoff und Emily Dickinson war sehr ähnlich: beide waren unverheiratet, kinderlos und zumindest ohne offiziellen Liebhaber. Zudem waren sie eng verstrickt in ihren familiären Banden. Darüber hinaus schrieben sie unermüdlich. (Vgl. das Nachwort von Christine Huber)

Die vorliegenden Gedichte sprechen Ausrichtung und (Selbst)findung an, emotionale Bewegtheit, Haltung und die Beziehung zum Körper; sie sind bisweilen von großer Fragilität, als wollten sie die Verletzlichkeit weiblicher Schreibexistenz spiegeln; dann wieder entschieden, deutlich, stimmerhebend.
Es ist als ob die beiden Dichterinnen leibhaftig durch die Zeilen schimmerten, Christine Huber und Magdalena Knapp-Menzel gelingt es, einen eigenartigen Sog zu erzeugen, dessen Zeitzeugen wiederum wir sind.

Ans Herz gelegt!

Petra Ganglbauer