Marietta Böning: Die Umfäller

Roman

edition ch
Wien 2008

 Die kühle, überzeugende und unausweichliche Atmosphäre in diesem Buch entsteht dadurch, dass die Autorin auf mehreren Wahrnehmungs- und damit Sprache-Ebenen agiert: Da ist das „setting“, da sind die Szenen, die Personen, das Agieren. Und – noch manifester – ist da diese Metaebene die immer mitspricht; wenn es um die Auswüchse der spätkapitalistischen urbanen Gesellschaft geht; um Zerstören, Verglühen, Zertrampeln, und Vernichtet werden. Um Opfergänge. Um Resignation. Das Buch ist hart aus unserer Wirklichkeit heraus gegriffen.

Es zeigt den Kampf der wirklichkeitskonstituierenden Methoden und Werkzeuge auf. Gerade aus dem sprachlichen Kalkül entsteht das Dräuen, zittert der Abgrund und bebt Satz für Satz, Wort für Wort mit.
Das sind nicht die Plätze, Menschen, Straßen, da teilt sich etwas Dunkles, Unabwendbares, Schweres, Lastendes von Beginn an mit. Dieser Abgrund bleibt, das Grau.
Das Cover, fast kontrastierend, wie aus einem Reiseprospekt, einem Video-Still gleich, als wollte es diesen Zustand aufreißen.

Empfehlenswert!

Petra Ganglbauer

Mike Markart: Dillingers Fluchtplan oder Karajan umzubringen war mir ein Bedürfnis

Erzählung

edition kürbis
Wies 2008

markart_dillingerAuf seine aus früheren Publikationen bekannte (und sich konsequent vertiefende) unnachahmlich perseverierende, sprachlich stringente Art vermittelt Mike Markart im vorliegenden Buch wieder einmal psychisch-mentale Grenzüberschreitungen bzw. erzählt vom Besetztwerden, Verrücktwerden.

Er schafft es, wie stets in seiner Prosa, den kopfinternen Kampf seiner Figuren auf einem Pegel zu halten, der knapp vor dem Zerreißen oder kurz vor einer möglichen Implosion angelegt ist, und diesen Bewusstseinszustand auch auszutarieren.

Durch die der Erzählung folgenden „Geheimen Aufzeichnungen“ und einen weiteren Anhang vermittelt der Autor den Eindruck, dass die Leserschaft gewissermaßen eingeweiht wird…

Heißer Lesetipp!

Petra Ganglbauer

Gerhard Ruiss/Oswald von Wolkenstein: Herz, dein Verlangen

Lieder. Nachdichtungen. Band II.

Folio Verlag
Bozen 2008

Wir kennen Gerhard Ruiss als facettenreichen Autor, der auch Selbstironie und Gefühl in seinen Texten zu vereinen vermag. Ein konsequentes Unterfangen ist in der Tat das dreibändige Projekt mit Nachdichtungen der Lieder Oswald von Wolkensteins, von dem Band 1 und 2 bereits vorliegen.

Ruiss, der auch bei seiner organisatorischen Tätigkeit für die IG Autorinnen Autoren stete Disziplin verkörpert, tut dies ebenso in seiner Dichtung. Konzise und dennoch aus einer Leichtigkeit heraus (die in der vorhergegangenen Anstrengung wurzeln mag) sind die Nachdichtungen des letzten und berühmten Minnesängers geschrieben. Musikalisch, onomatopoetisch, rhythmisch, authentisch. Ruiss schafft es, die Leserin/den Leser in kurzer Zeit in jene klingende Umwelt hineinzuholen, die jene des Minnesängers, und die Antrieb für seine Lieder war.

Die Originaltexte finden sich im Anhang.

Zur Lektüre sehr empfohlen!

Petra Ganglbauer

Barbara Neuwirth: Das steinerne Schiff

Erzählungen

Literaturedition Niederösterreich
St. Pölten 2008

Bereits das Cover des vorliegenden Bandes vermittelt jene sphärische, ätherische Qualität, die auch schon frühere Bände der Autorin signalisierten:
Das Faszinierende an ihrer Arbeit ist, dass sie jene feinste Gratwanderung zwischen Tagbewusstsein und Phantasie nicht nur präzise sondern auch achtsam poetisierend zeichnet.

Ihre Erzählungen leben jedoch auch von einem Bezug zur augenscheinlich rationalen Seite des Lebens und der Dinge – diese spricht, auch wenn die Geschichten noch so alchemistisch anmuten, stets mit.

Rückbindend und unausgesetzt wirken die landschaftlichen Besonderheiten zwischen den Flüssen Donau und Thaya und verleihen den Erzählungen im vorliegenden Band auch diese unnachahmliche Schwingung.
Das Buch versammelt nebst neuem Textmaterial auch Erzählungen, die – teilweise – in abgewandelten Versionen bereits woanders publiziert wurden.

Schön, wieder etwas von Barbara Neuwirth lesen zu dürfen!

Petra Ganglbauer

Ann Cotten: Nach der Welt

Die Listen der konkreten Poesie und ihre Folgen

Klever Verlag
Wien 2008

Die LISTE erfreut sich in jüngster Zeit wieder zunehmender Beliebtheit, weil sie einerseits die Nähe zur Mathematik offen legt und andererseits Poetizität „verkörpert“.

Dieses Buch gewährt einen konzisen Einblick in Wesen und Merkmale bzw. formale Abgrenzungen der literarischen LISTE und ihre Funktionen und zeigt umfassend die unterschiedlichen Spielarten auf.
Insofern ist es auch ein Nachschlagwerk. Aber nicht nur.
Cotten nimmt Bezug auf teilweise beinahe schon klassische Beispiele (Ernst Jandl, Heimrad Bäcker u.a.) und jene jüngerer Autor/innen (Margret Kreidl). Sie zeigt auch jene Grenzlinie auf, die sich zwischen der Liste als Methode für den Alltagsgebrauch und ihrer poetisierten Form findet.

Der Duktus ist lebendig und dennoch präzise. Diesen Band nimmt man immer wieder gern zur Hand, um Einsichten zu verschärfen oder zu vertiefen.

Spannend auch die Fokussierungen auf bestimmte Aspekte „Liste als Antierzählung“, „Liste als Rhythmusinstrument“ etc.

Originell das Glossar! Das Buch ist achtsam gestaltet und eines der ersten, das im neuen Klever Verlag erschienen ist. Ansprechend die attraktive, weil dezente Gestaltung!

Petra Ganglbauer

Günter Vallaster: Hinter dem Buchstabenzaun

Extended Versions. Mit Transformationen von Ilse Kilic und einem Vorwort von Fritz Widhalm

edition ch
Wien 2008

Insistierend, von einer Dringlichkeit, wie sie Träume einfordern, sind die Texte Günter Vallasters in dem handlichen und liebevoll gestalteten Buch.

Wir finden Listen (oder Textvertikalen), Tableaus oder einfach scheinbar assoziative Folgen von Wörtern; gemeinsam ist ihnen diese eigenwillige Verkehrung der Sicht, diese Umkehrung des Standpunkts oder „Auskehrung“ jeglicher Linearität. Geometrisch gelenkt zunächst – erscheint diese Perspektive und ist dann doch jenes Schweben in einem multidimensionalen Raum, ätherisch und federleicht, licht: dieses wortwörtliche durch-die-Wände-Gehen Vallasters. Schön, berührend. Ungewöhnlich. Das Subjekt nimmt sich zurück, gliedert sich ein und ordnet sich den Dingen unter.
Die Benennung der Dinge wird in Frage gestellt; nichts ist mehr (sicher).
Ein dichtes und ebenso leichtes Gewebe, das lesend anzuziehen ich empfehle!

Ergänzt werden die weitgefassten Wortfelder „hinter dem Buchstabenzaun“ durch ein Vorwort Fritz Widhalms und textuelle Transformationen von Ilse Kilic.

Petra Ganglbauer

Gerhard Jaschke: Endlich doch noch

Kurzprosa

Sonderzahl Verlag
Wien 2008

Aus den „geheimen“ Ecken des Lebens und der Literatur gegriffen sind die kurzen Prosastücke in diesem Band.

Wie so oft in Gerhard Jaschkes Büchern erfolgt die konsequente Einbindung intertextueller Bezüge: als literarische Kommunikationspartner fungieren Zürn, Ovid und viele andere.

Diese Texte muten subtil humorvoll an; das sprechende Subjekt nimmt sich selbst aufs Korn, auch, weil es sich unter der Domäne einer fast schon lächerlichen Schicksalhaftigkeit weiß, einer allgemein menschlichen, die wohl jeden von uns betrifft.
Insofern gehen wir Leser/innen einen Pakt mit dem Autor ein.

Melancholie kommt da bisweilen auf, schwarzer Humor, dann wieder regiert der sprachspielerische Gestus, schließlich essayistische Trockenheit. Dies alles zeichnet die vorliegenden Texte aus: Sie sind lakonisch wie das Leben selbst.

Der Autor gewährt uns einen ironischen Blick auf Sinn und Unsinn des Lebens.
Endlich doch noch!

Petra Ganglbauer

Petra Ganglbauer: Im Schonungslosen

Gedichte

Mit Photographien von Elisabeth Wörndl

edition ch
Wien 2007

im_schonungslosenpetra ganglbauers im schonungslosen ist eine kantige partitur, die jegliche musikalität in die schranken weist, sobald sie in einen rhythmus zu münden droht.
das sprachliche system baut sich auf aus mauern, aus dem stocken, dem stillstand und der atemlosigkeit.
daraus generiert die autorin kurze textbauwerke, stellt sie auf die seiten wie gebäude. unverrückbar. unangreifbar. sprachliche entsprechungen zu elisabeth wörndls fotografien.

Mike Markart

Marián Hatala: wenn du vorhast nachts klavier zu spielen

Verlag FOART
Bratislava 2008

Ein schönes Buch, um wieder und wieder darin zu lesen.

Der Autor schneidet sprachliche Kurven an, er biegt tangential ab oder zündet voll Humor das Feuerwerk der Worte.

Meist ist es das Nicht Erwartete, Nicht Erahnte, das sich uns mitteilt.

Ja, es ist nicht selten so, dass wir Leser/innen hängen bleiben bei einer Zeile, weil die lyrische Aussage der Sentenzen eine Wende nimmt. (Die uns freilich nicht vertraut, manchmal auch auf irrwitzige Art fremd ist.)

Hatala bewegt sich im Raum zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, dort verfährt er literarisch: „kaum beginnen wir/uns oft und tief/zu verbeugen/wachsen uns schon einige zwerge/über den kopf“

Der Autor zieht alle Register, mit seinen lebensohilosophischen „logischen“ Schlüssen überrascht und unterhält er uns.

Ein Buch voll von sprachlichen Inversionen und gedanklichen Luftsprüngen.
Ein unterhaltsames Buch!

Petra Ganglbauer

Erika Kronabitter: Mona Liza

Roman

Limbus Verlag
Innsbruck-Hohenems 2007

Ein expressives, lautes Buch ist das, eines das aufhorchen lässt: der Untertitel des Romans lautet „Die Prosa der Verhältnisse“.

Diverse Rollenklischees, die Frau als Gebärmaschine, als angepasstes Weibchen etc. werden angesprochen, aufgezeigt und zugleich in Frage gestellt und unterwandert.

In immer neuen Anläufen, Zugängen, Schnitten, Rückblenden, Bewusstseinswiedergaben rollt die Autorin das Leben der Ich-Erzählerin auf; so Zeit- und- Raum-verschnitten wie das Leben eben ist. Dabei pendelt der Erlebnis- und Empfindungsraum gekonnt zwischen ausgesprochener Involviertheit und bewusster kühler Distanziertheit hin und her. Nicht viele Bücher gibt es, die so komponiert sind und dennoch so reich Inhalt, Geschehen, innerseelische Bewegtheit transportieren. Die meisten montageartig komponierten Werke sind dann schon wieder viel zu materialverliebt.

Immer wieder tauchen Sätze auf, die wie von irgendwoher oder besser, von einer bewussten Instanz in den Welt- und Lebensraum gestellt werden: „Wir müssen annehmen, dass die Zeiten schlechter werden, weil die Bilder bunter werden.“

Zugleich gibt es – Motto für Motto – eine durchgängige Begleitung auf einer Metaebene: Etwa: „Der Versuch/“leichthin“/ zu sein: eine Art/ des Flanierens.“

Da ist einmal die mitteilsame Protagonistin, die verschiedene Lebens- und Bewusstseinsphasen durchwandert; da ist aber auch Liza, eine Art Alter Ego, eine Stimme, die stärkt und aufmuntert, aber auch herausfordert.

Erika Kronabitter spricht viele Themen an, die beispielgebend für die zeitgenössische österreichische Literatur von Frauen generell sind, wie etwa das Geschlechterverhältnis, die Mutter-Tochterbeziehung, die Definitionsmacht der Sprache…

Und das ist wichtig!

Petra Ganglbauer