Eine achtsam zusammen-gestellte Sammlung von Gedichten aus vielen Jahren findet sich in diesem Band, der mit einem ebenso empatischen wie emphatischen Vorwort von Hannes Vyoral ausgestattet ist.
Die Gedichte des Autors weisen, obgleich stilistisch ebenso gekonnt wie bewußt unprätentiös, jene große Gefühlsskala auf, die von Entschiedenheit, Widerständigkeit bis hin zu Melancholie oder innerseelischer Schwere reicht. Facettenreich wie das Leben selbst sind diese Gedichte, die innergesellschaftliche Realität nie außer Acht lassend.
Jensen ruft uns auf, unsere Träume nach vorne auszurichten, den gefährlichen (!)Blick zurück mit aller Kraft zu vermeiden!
Das lyrische Ich ist und bleibt in Bewegung, wandernd, sinnierend, schreibend.
Und über allem liegt – jenseits intensiver Gefühle – eine spürbare Leichtigkeit und Fragilität, die vor allem auch stilistisch transparent wird.
Ein lesenswerter Band, der aufrüttelt und zugleich Freude bereitet.
Die Umkehrung von Subjekt und Objekt, dieser Abtausch, dieses Ineinanderkippen des Beobachters mit dem beobachteten Gegenstand, die Beseelung von allem, die Mystifizierung von allem, die Spiritualisierung von allem, das sind Wirklichkeitsfacetten, die der Autor auf dieser CD aufzeigt. Einmal zirkulär, (meist), dann wieder linear, immer jedoch architektonisch gebaut, aus kühlem Gestus, poetischem Kalkül: Schlanke beeindruckende Texte sind das, kontemplativ, auch was die Vortragsweise des Autors betrifft.
Organisch ist vor allem auch der 1. Text, landfall, irgendwann ändern sich darin die kompositorische Ausrichtung, die Perspektive, der Rhythmus, Vallaster kommt zur Sprache selbst oder besser: sie kommt zu sich.
Sowohl im ersten als auch im zweiten Text ( ich taste ) wird evident, dass der Mensch Teil von einem großen Ganzen ist, darin aufgeht, davon aufgegriffen wird. Auch wenn es im 2. Text ein Ich gibt, wandelt dieses doch wie in Trance durch die Landschaft aus Industrieanlagen und Cyberspace. Ich könnte auch sagen aus Innenenkopfrealität und Wald.
Wundersame, heute schon selten gewordene Texte sind das, empfehlenswert!
Petra Ganglbauer
Ignoranz ist eine Waffe, weil jener, der sich ihrer bedient, ganz bei sich bleibt und sich nicht auf das Energieniveau des Gegners begibt, der ihn herausfordern möchte:
Dieter Sperls Buch ist in diesem Sinne eine Waffe. Es ist äußerst radikal angelegt, weil es all jene Paradigmata unterwandert bzw. ignoriert, die unsere Gesellschaft(s-schreibung) ausmachen.
Ganz in den Nischen, entlang feinster inhaltlicher Ränder bewegt sich das Buch. Sperl schreibt Lücken. Er verlangsamt: Seine Roman ist in jener Tradition zu sehen, die die traditionellen opulenten, ausufernden Romankreationen durchquert. Es gibt keinerlei Spannungsaufbau, geschweige denn Spannungshöhepunkte in diesem Buch. Die Sprache fließt dahin, leise, langsam. Gleichförmig. Als ob alles und jedes, das Leben wie die Sprache selbst, gleichgültig wäre.
Die schreckenerregensten Dinge des Lebens werden von den Protagonisten in Nebensätzen erzählt. Sperl legt seine Figuren in Beiseln und Lokalen an. Lässt sie thematisch um Kulinarisches und anderes kreisen, währenddessen das Grauen, die Einsamkeit, die Angst ganz nebenbei erwähnt werden.
Nicht zu übersehen die spirituellen Bezüge, die der Autor sparsam einsetzt und im Text inhaltlich so geschickt verankert, dass sie nicht anzuzweifeln sind.
Nikolaus Scheibner spielt vieles (fast alles) durch, was Sprache ist, sein kann und impliziert.
Diese Texte sind in der Tat Artefakte, poetisch, jedoch immer wieder kongenial trashig angelegt, ganz auf der Höhe der Zeit, als ob der Autor mit der Sprache oder nein, mit dem Leben, nicht nur sprachspielerisch umgehen, sondern auch diesen ganzen Wirklichkeitsmüll mitsprechen lassen wollte. Als wollte er Poesie und Existenzmüll verschränken.
Er führt Material aus unterschiedlichsten Kontexten (Zeiten, Orten) zusammen, um mittels immer neuer formaler Anläufe, diese ganz vertraute (Sprach)Wirklichkeit aus ihren Fugen zu reißen, kippen, brechen, unterminieren.
Ja, es ist, als wäre das ganze Buch eine einzige brennende Unterminierung von jenem müden Sprachgebrauch, dem wir alle mitunter anheim fallen.
Als wäre es ein zynischer Weckruf!
Ein poetischer Wächter!
Es fällt schwer, während der Lektüre dieses Buchs die exzellente Interpretation der Autorin selbst nicht in Ohr und Auge zu behalten. Tatsächlich spricht sie bei jedem geschriebenen Wort, jedem Staccato, jeder rhythmischen Konsequenz mit, wenn ich in diesem Buch lese.
Widerständig, scharf wie eine geschliffene Klinge muten diese Textsequenzen an, die Autorin zerteilt, zerschneidet, legt offen und frei, was sich an Zutaten in der Sprache verbirgt.
Sie zerkleinert und zerklaubt derart, dass neue verblüffende Sinnzusammenhänge entstehen, die ganz nahe an den Ursprüngen der Sprache, ja, auch nahe an dem, was vor der Sprache liegt – das Schweigen? – angesiedelt sind. Da rennt sich ein aufmüpfiges lyrisches Subjekt den Kopf an: wieder und wieder. Kopf gegen Wand. Gegen Welt. Und noch einmal.
Hin und wieder gibt es kreisende, runde Stellen in den Textabschnitten, dann wieder Zäsuren, hart und irrwitzig.
Kongenial die Holzschnitte (Satz, Nachdichtung) von Anton Manabe.
Ein empfehlenswertes Buch!
Friedrich Hahn hat einige Bücher über die Liebe geschrieben. Dies ist sein erster Roman. Die Liebe ist inkommensurabel, deshalb können Tina, aus einer achtjährigen Haft entlassen, und Harald, ihr vormaliger Bewährungshelfer, nichts über die Liebe sagen. Das, was Harald Kreill als „erfahrung jenseits der erfahrung“ bezeichnet, das getrauen sich die Liebenden nicht beim Namen zu nennen. Die Krise entsteht, weil im Gegensatz zur Unermesslichkeit des Gefühls plötzlich der Anspruch da ist, dass sich etwas Überschaubares, Einsehbares, Lenkbares entwickeln möge.
Die Hauptmelodie des Romans ist reich instrumentiert durch den Gang des Inneren, der Gedanken, Träume, Überlegungen und durch den Kommentar des Autors. Kein happy end! Bettina Szalto verschwindet nach Monaten spurlos und kommentarlos von der Bildfläche. Das ist vom Autor gut vorbereitet. Als sie einmal über den fragmentarischen nachgelassenen Roman ihres Vaters sinniert, den sie veröffentlichen möchte, meint sie: „vielleicht sollte die geschichte besser ohne schluss bleiben. pengg. einfach aus. abgerissen. schluss. ende. hat noch keiner geschichte geschadet …“. – „wer schadet wem?“ kommt es Harald in den Sinn.
Die vielen Witze und Kalauer im Buch gehören zum Thema. Zwei Beispiele: „ich finde in situationen wie dieser kann man nur rauchen oder nicht rauchen.“ Harald hat Geburtstag: „man wird nur einmal das erste Mal 38.“ Klingt merkwürdig überdreht. Man kann es als speziell wienerische Art von existenzieller Verzweiflung lesen oder wird an Frédérik Beigbeder erinnert, der vom postmodernen Leben sagt: „Humor ist Pflicht; die Welt ist ein einziger Scherz.“ Des befreundeten Dusies Name ist eine Kompilation aus „du“ und „Sie. Dusie will vom ernüchterten Harald das Geheimnis einer langen Beziehung wissen, dann gibt er die Antwort selbst: „das geheimnis ist, dass man sich nicht trennt“. Hahaha!
„ich küsste sie, als sei ich in not. ich fühlte, dass sich da etwas breitmachte, was noch am reifen war. als lebten wir eine zeit, tina und ich, die erst eine fortsetzung suchte, die sich uns bisher immer nur in ersten ansätzen dargestellt hatte.“ Das ist nun das Liebesprojekt. Tina reagiert mit Panik. „hilfe, ich bekomm keine luft mehr …“. Aber genau so wenig, wie Harald und Tina wissen, wie sie es richtig anstellen sollen, genau so wenig erschließt sich dem Leser, was richtig und was falsch sein könnte. Konzepte haben oder keine Konzepte haben, was die Liebe anlangt – alles gleich fragwürdig. Harald: „ich will nichts fordern. mit jeder forderung nehme ich mir selbst etwas. alles muss von allein passieren.“ Die Protagonisten fassen die Liebe als eine Art Naturgeschehen auf, ohne zu merken, dass sie sich damit zu Opfern machen. Tina macht sich die Sentenz ihres Vaters zu eigen, dass alles sein Gegenteil brauche, um wahr zu sein. Wenn man das in Gedanken weiterspinnt, braucht das Große das Kleine, das Gute das Schlechte, das Wahre das Unwahre, Leben und Tod sind untrennbar miteinander verbunden. Und Tina spitzt das noch zu: „ alles, was machbar ist“, sagt sie, „ist auch zerstörbar.“ Da verschlägt es ihrem Freund die Rede. Was soll das heißen? Jedenfalls ist klar, dass jede Beziehung dann auch ihr Ende in sich trägt. Und so „natürlich“, wenn auch abrupt, endet dieser Roman, der uns mit Verhältnissen vertraut macht, in denen eigentlich nichts egal ist, denn es geht darum, etwas vom Leben zu haben. Posthistoire! Das Ende der Lebensentwürfe! Gibt es Gründe, die Liebe zu hegen, zu pflegen, weiterzuentwickeln? Oder sollen wir uns an etwas halten, das man eher als heidnisch bezeichnen könnte? Dann heißt die Wahrheit Aufbauen und Zerstören, Werden und Vergehen, dann ist entweder alles gleichgültig, oder – ist dann alles gleich gültig? Der Roman, der aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, vereinigt den Blick auf die Realität aber gerade in diesem Punkt des Zweifels. So manche Lebensäußerung wirkt gespielt, der Autor zeigt anschaulich, dass ein Als-ob herrscht. Auffallend jedenfalls, dass der Blick auf die anderen so zweifelnd ist: Meinen sie es ernst mit dem, was sie zeigen und sagen, oder ist es Theater? Und vieles scheint mehrdeutig zu sein. Es ist das Verdienst des Autors, dass er im Alltäglichen die richtigen Bilder für Ambivalenz findet. Tina sitzt am Frühstückstisch und hält „ihren vornüber gebeugten kopf an ihrem eigenen schopf hoch“. (Sie wartet auf ein Gummiringerl, um ihr Haar binden zu können.) Das kann man positiv sehen und lesen: Sie ist dabei, sich an ihrem eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Man kann es aber auch als Selbstköpfung auffassen. Oder sie erklärt Harald, was der Ausdruck „o.k.“ bedeutet. Ihrer Meinung nach kommt es von „oh, killed“, im Sinne von „es ist ausgestanden“. Auch das ist zweideutig, wenn man als Leser weiß, dass Tina verurteilt wurde, weil sie ihr neugeborenes Kind getötet hat, was übrigens zwischen den beiden nie zur Sprache kommt. Das Buch ist spannend geschrieben und durch Verknappung und Prägnanz gekennzeichnet. Und das Schöne daran: Es kommt leichfüßig daher, aber die Dinge werden intensiv befragt.
Facetten von Wirklichkeit, Nuancen, Schemen, Linien, Gravur:
Das vorliegende Buch ist ebenso sinnlich wie feinsinnig. Es ist zwischen den Welten angesiedelt, zwischen Hier und Dort, zwischen dem Aussprechbaren und dem zu Verschweigenden.
Elffriedes Skizzen, Zeichnungen und Texte kommen auf leisen Sohlen daher, auf Samtpfoten. Es sind Zeichen der Stille, der Suche, es sind Tiefgänge, Wahrnehmungsverdeutlichungen. Sie verkörpern Kontemplation, aber auch das Lächeln darüber.
Das Buch erinnert an dada, an Schwitters, an diverse Vorläufer eines spielerischen Zugangs zur Sprache.
Es macht Lust auf Bücher, auf Lesen, aber auch auf Schreiben, weil es den oft so verkopften Zugang zur Literatur subtil unterminiert.
Ich habe die Lektüre genossen, mir häppchenweise zu Gemüte geführt. Ich werde das Buch wohl immer wieder hervorholen, um mich neu und anders darauf einzulassen.
Der vorliegende Band ist anlässlich des 101. Geburtstags von Samuel Beckett erschienen. Lucas Cejpek lud insgesamt 67 Autor/inn/en unterschiedlichster Provenienz ein, Minidramen zu, für oder nach Beckett bzw. auch unabhängig von ihm zu verfassen.
Formal spannend ist dieses Buch in der Tat, spiegelt es doch Verfahren wider, die jenes Sprunghafte, Sperrige, Reduktionistische enthalten, das auch beispielgebend für die Arbeit des Dichters war und ist.
Die Dialoge (Die Auflage war: Minidramen – für 2 Personen – zu verfassen, deren Ausmaß 2 Seiten Umfang nicht überschreiten sollte) zwingen die Leserin, den Leser, sie wieder und wieder zu lesen bzw. sich nochmals in Erinnerung zu rufen: Die wenigen Sätze, Fragmente, die Interpunktionen muten wie buchstäblich gewordenen „Synapsen“ an.
Echohaft mitunter, schablonenhaft wirken die Dialoge, nicht selten reflektieren die wenigen Worte einen Leerlauf des Denkens, diese Endlosspirale der Stille und des Nichts.
Oder ein Kreisen tut sich auf, ein In-sich-Kreisen des Sprechens, dieses „zu-sich-selbst-“ oder „aneinander-vorbei-Sprechen“, das keine linearen Wort/Fort/bewegungen gestattet.
Was absehbar ist, sind Absprünge, Sprünge überhaupt, Deviationen.
Lucas Cejpek sei gedankt für dieses Buch. Aber auch dafür, dass er immer wieder für seine Projekte zeitgenössische Autorinnen und Autoren einlädt. Diesmal finden sich unter den zahlreichen Geladenen: Elfriede Czurda, Margret Kreidl, Dieter Sperl, Rosa Pock, Gerhard Rühm, Christian Steinbacher, Raymond Federmann oder Zsuzsanna Gahse.
Poetisierte Traumatisierungen sind das, ein Aufzeigen jener Blutleere im Gehirn, die Platz greift, wenn nichts mehr Sinn macht, alles ausgereizt und überdehnt ist. Und somit austauschbar. Wenn nichts mehr, kein Wort, kein Sinn, kein Ding für sich stehen kann; wenn alles verschwimmt und sich zu verlieren beginnt. In Art von Hyperstrukturen hat der Autor den Band aufgebaut; da gibt es ein Weiterschreiben, Korrespondenzen oder auch Schlüsselworte.
Einmal mehr trifft Helmut Schönauer auf geniale Weise den Nerv unserer völlig aus den Fugen geratenen Gesellschaft (Das lyrische Ich lebt an der Peripherie im Österreich des Jahres 2005) und zeigt Mechanismen des grellen Scheins dieser spätkapitalistischen „Ordnung“ auf: Obszönitäten, Wertverlust, Sprachstillstand, Isolation, Einsamkeit, seelische Verrohung usw.
Da ist nichts mehr. Nicht einmal mehr Fragmente einer Zugehörigkeit sind erfahrbar, alles kommt beiläufig neben allem zu liegen oder zu sprechen: dieses verbliebene Nicht-Einmal-Nichts, diese verkommenen Reste aus flacher Sprache und oberflächlichem Handeln ziehen einem die Gedanken, die Worte beim Lesen des Buches dann noch einmal aus dem Kopf wie fade, müde, ausgedünnte Keimlinge. Als kämen sie durch den Lesakt noch einmal zur Welt!
Um sich dann endgültig aufzulösen.
Doch nicht einmal Fragen hinterlässt dieser schreckliche Abgang.
Der Autor erreicht, dass wir zwischen den Sätze durchfallen, nein, regelrecht hinunterstürzen, aber da ist nichts, was uns auffangen könnte.
Das Buch ist mehrschichtig komponiert, verschiedene Stimmen repräsentieren unterschiedliche Instanzen. Die Angelpunkte des Buches sind einerseits etwa 40 Texte, die sich wie PR-Texte lesen, allerdings satirisch überspitzt, eigentlich auf eine teuflische Spitze getrieben, es geht um die höchste Lust und Erfüllung aller irdischen Wünsche, zugleich um Auslöschung, Vernichtung. Als Abgesang und Schlusskapitel und Kontrast stehen 17 Texte, die man als Resurrektion menschlichen Lebens empfinden und lesen kann. Hier ist der Mensch in Kontakt mit sich selbst: Augen und Ohren (die Autorin nennt das Schlusskapitel folgerichtig „Augentexte Ohrentexte“) verhelfen dem Menschen zur Wahrnehmung, d.h. zu einer ihm gemäßen Wahrheit. Im Gegensatz dazu ist der Mensch in den 40 kursiv gesetzten Texten fremdbestimmt und manipuliert, man kann aber auch sagen: unter dem Diktat seiner eigenen Gier nach immer neuen Dingen, Glück, Genuss, Sicherheit, Erfüllung etc.
Diese Texte kann man als Einführung in die Hölle lesen, die besonders dadurch gekennzeichnet ist, dass die Wahrheit verdreht wird: Nicht der Himmel wartet nämlich, sondern die Hölle. Das Höllische besteht im Hohn, der über die Verdammten ausgegossen wird. Die poetische Montage- und Überspitzungskunst der Autorin erzeugt eine doppelt codierte Botschaft, die den hoffnungslos Festsitzenden einerseits die grausame Wahrheit nicht vorenthält, ihnen anderseits aber vorgaukelt, dass sie nicht nur gerettet werden, sondern in Saus und Braus leben können. „Sichern Sie sich Ihr Weekend-Haus dort, wo keine schmutzige Bombe abgeht. Immer ein Haus weiter. Schon einen Block daneben kommt man mit dem Schrecken davon. Die Bombe sucht nur die Dummen. Be clever!“ Persönlich und höflich werden die Verdammten angesprochen, und “der Teufel“ baut auf ihren erhärteten Glauben, dass alles käuflich ist und erworben werden kann, wenn man es sich nur rechtzeitig sichert, oder sich „versichert“, z.B. gegen Black-out und Lawinen. Wer wirklich clever ist, lässt uns der Teufel wissen, betrügt Teile von sich selbst mit anderen Teilen von sich selbst: „Heizen Sie Ihrem Body ein, beginnen Sie ein neues Verhältnis mit Ihrem Po. Betrügen Sie damit Ihre Hüften!“ Die Angebote sind Endlösungen: „Wir trainieren das optimierte, optimale multifunktionale Programm: Am Ende sind wir nicht mehr da, so jung sind wir (…) Null. Nichts. Jünger geht es nicht mehr!“ Das ist bitterste Satire, die ein aufkommendes Lachen sofort erstickt. Der Archetypus der Hölle ist so sehr beschworen, dass man eher weinen möchte. Denn was ist die Hölle? Dass man sich den Tod wünscht vor Pein. Aber in einer perversen Verdrehung heißt es u.a.: „Es lebe der Tod. Aber nicht für Sie!“.
Interessiert hat mich das Skizzenhafte des Buches. Einmal kann man lesen: „Eine Skizze voll Abschied“. Es fällt auf, dass der Text vielfach im Schwinden begriffen ist. Es ist eklatant, dass der Hauptteil, der eigentliche poetische Einfall, eine groteske Übersteigerung der Symptome gegenwärtigen Konsum- und zivilisatorischen Größenwahns, ausformuliert ist, während andere Teile fragmentarisch bleiben. Für die Abschnitte DOs und DON’Ts findet die Autorin 15 magere Zeilen, die Kategorie der in Großbuchstaben präsentierten WIR-Texte, die man als Stimmen aus einem Schatten- oder Totenreich begreifen könnte, ist mit gerade 6 Beispielen vertreten, und die prägnanten Einschübe, „Ort, wie ist dein Name“, „Lärm, wie ist dein Name“, Sprache, wie ist dein Name“, sind Sparvarianten, wobei ich mich aufgrund des brisanten Themas frage, warum nicht auch Schrecken, Bild, Gott, Baum oder Schatten z.B. auch nach ihrem Namen gefragt werden. Ich habe keine Theorie der Skizze zur Hand. Aus einer Eingebung heraus habe ich im Internet geforscht (gegoogelt), und unter DOs und DON’Ts eine Fülle von Texten gefunden. Früher hat uns der Katechismus gesagt, was wir tun sollen und was wir zu lassen haben, jetzt sagen uns das die Manager und Werbestrategen. Sie haben das Sagen. Sie penetrieren uns mit ihren Texten. Die Belletristik kämpft gegen die anderen Bilder und Texte. Vielleicht wartet der Himmel, wenn wir die Hölle entschlossen verlassen. Wer sind wir? Sind wir noch ansprechbar?