Ruth Aspöck: (S)TRICKSPIEL

Montage

Edition die Donau hinunter
Wien-St. Peter am Wimberg 2003

Wohlstrukturiert, aus einem konsequenten Gestus heraus, aber auch spielerisch und sehr originell ist dieser neueste Band von Ruth Aspöck.
Geschichte, Mythologie oder auch Etymologie finden Eingang in das Thema und lassen nach und nach ein (S)TRICKSPIEL entstehen. Die geistreiche, ganz und gar nicht langatmige Aufarbeitung der (S)trickkunst ist wirklich gelungen. Aspöck operiert mit Mehrdeutigkeiten, Implikationen und Assoziationen: etwa wenn es um Verstrickung oder Trennung geht, um Aufwickeln oder Spinnen. Serielle Elemente lockern den dicht gewebten, jedoch in Kapitel unterteilten Textkörper, Skizzen und Fotomaterial: eine wohldosierte konzeptuelle Arbeit. Verschiedene Methoden spielen herein, Anleitungen etwa, in Wiederholungen angelegt, die keineswegs trocken und sachlich, sondern vielmehr originell sind. Immer wieder springt die Autorin zwischen Inhalt und Metaebene hin und her, – Metasprachliches funkt herein. So wird eine intellektuelle Spannung erreicht.

Das Buch ist ebenso unterhaltsam wie informativ und in jedem Fall auch für jene empfehlenswert, die von Stricken wenig Ahnung haben.

Petra Ganglbauer

Ilse Kilic und Fritz Widhalm: 2003 – Odyssee im Alltag

Des Verwicklungsromans dritter Teil

edition chARGE
Wien 2003

Wir erinnern „Dieses Ufer ist rascher als ein Fluß“ und „Neue Nachrichten vom gemeinsamen Herd“, Teil 1 und Teil 2 des Verwicklungsromans des Autor/inn/enpaars Ilse Kilic und Fritz Widhalm, – Bücher, die ich mit Spaß und Freude gelesen habe, weil sie gleichermaßen spannend wie informativ sind. Wir erfahren nämlich eine ganze Menge über naz und jana, die Protagonisten des Romans wie deren Alter Egos.

Zeitsprünge sind das bisweilen auch im neuesten Band, Zeitreisen förmlich zwischen gestern, als jana und naz noch jung waren, und heute, und immer wieder blinken Namen auf, die wir kennen. Namen von Autor/inn/en und Künstler/inn/en etwa.

Einige davon sind quasi in realiter präsent, haben sie doch vortreffliche Skizzen des Paares jana und naz für das vorliegende Buch gefertigt: Stefan Krist, Margret Kreidl, Christine Huber oder Lucas Cejpek.

Originell, unterhaltsam, berührend, schwungvoll, witzig, kindlich, sprachspielerisch und spielend geschrieben ist dieser autobiografische Gemeinschaftsroman, ein Stück Geschichte heute schon und Spiegel einer ganz spezifischen Kunst- und Literatur-Szene.
Eine Frage darf noch gestellt werden: Wie geht es weiter?

Petra Ganglbauer

Lucas Cejpek / Christoph Hauri: Kannen Fangen

Ein Skizzenbuch

Edition Das Fröhliche Wohnzimmer
Wien 2003

Lucas Cejpek kennen wir als einen Autor, der die gelungene Verknüpfung aus präziser, beinahe archivarischer Arbeit und poetischen, unerwarteten Kipp-Punkten im Textlauf schafft. Fast alle seine Bücher sind so konzipiert. Sachlich, trocken, beinahe wissenschaftlich zum einen, blumig, unverhohlen zum anderen. Diese poetischen Schnappschüsse kommen unverhofft und werden meist sparsam eingesetzt.

In seiner neuesten Publikation, die Cejpek gemeinsam mit dem Zeichner Christoph Hauri veröffentlichte, gelingt es ihm einmal mehr, allerdings sinnlicher als zuvor, diese beiden Qualitäten zu verschränken. Was dabei herauskommt, ist eine gelungene und sehr lebendige Synthese aus enzyklopädischen oder pseudo-enzyklopädischen Materialien, also konzisen tatsächlichen oder aber auch fiktiven Recherchen zur Kulturgeschichte von Kannen. Der Autor verstreut seine poetischen Kannenrituale gleichsam anekdotisch über den Globus. Schräges, Absurdes, aber auch Glaubhaftes begegnet uns da.
Etwa: „Eine Gießkanne oder Flasche vor der Wohnungstür ist ein sicheres Zeichen für sexuelle Abstinenz.“

Was nun Faktum und was erfunden ist, kann nicht immer eruiert werden, aber gerade das macht den Reiz dieses Buches aus. Vorausgesetzt freilich, die Leser lassen sich auch auf diesen schönen Ab- und Austausch von „Wahrheit“ und „Lüge“ ein.

Schwungvoll und in rhythmischer Korrespondenz die Zeichnungen Christoph Hauris. Ein erfrischendes, geistreiches Buch.

Petra Ganglbauer

Bodo Hell: Ariadne im Garn. Ria nackt.

Eine Racheoper von Renald Deppe, Bodo Hell und Othmar Schmiderer. Mit Textbeiträgen von Leo Dorner, Bodo Hell, Markus Kupferblum, Friederike Mayröcker und Christiane Zintzen, Interview Elfriede Irrall mit Bodo Hell.

Triton Verlag
Wien 2002

Auf die Höhe der Zeit gebrachte Auseinandersetzungen mit traditionellen Stoffen (aus Opern) sind reizvoll. So auch der Inhalt des vorliegenden Bandes, der seinerseits aufwendig produziert und ausnehmend attraktiv gestaltet ist und dessen Herausgabe auf die Uraufführung von „RIA NACKT – Ariadne im Garn. Eine Racheoper (Musik-Text-Film-Bühnenstück).“ anlässlich des NÖ-Donaufestivals 2002 zurückzuführen ist.

Das Buch bietet eine spannende Zusammenschau aus kulturhistorischen Bezügen wie: Rezeptionsgeschichte des Ariadne-Stoffes oder die Entwicklungsgeschichte von Commedia dell’Arte und Oper wie auch Untersuchungen von Mythenrezeption und -bildung in der Welt der Neuen Medien: Mythen als stete Projektionsfläche menschlicher Auseinandersetzung mit den Ur-themen des Lebens. Und: Ihre Positionierung in der heutigen Zeit.

Vorab spielerisch leicht, humorvoll und bewusst manieriert Bodo Hells Libretto. Autograph. Poetische Partitur. In schöner Ergänzung dazu eine Textstelle aus Larifari, einem frühen Buch Friederike Mayröckers.
Ein intensives Gespräch zwischen Elfriede Irrall und Bodo Hell gibt u.a. Aufschluss über die Genese des Librettos wie diverse Arbeitsmethoden.
Beim Blättern wiederum bleibt das Auge an den Abbildungen hängen, etwa an dem inszenatorischen Sog der „Stills“.

Aber das ist noch nicht alles.

Petra Ganglbauer

Peter Pessl: Do forgive me

Das fröhliche Wohnzimmer
Wien 2002
61pessl“Do forgive me” ist ein Textornament. Welches sich auseinander faltet wie ein Schmetterling. Um letztendlich einen ganz kurzen Blick auf diese Welt zu gewähren. Bevor die durchsichtigen Flügel zu schlagen beginnen und für immer verschwinden.

Der Text handelt von einer Frau und einem Mann. Von einer Reise. Von Gewalttätigkeit. Oder einer Verletzung. Eher einer Verletzung. Vielleicht.

“Wir erreichen die Stadt auf einem Fährschiff in tiefstem Winter. Dann brach es ab. Des wieder. Wir schien weiterhin. Wir waren zwei. Wenig ich bewegte Dich leise im Schlaf. Do forgive me.”

Die zeitliche Spanne des kurzen Textes geht von irgend einem 24. Dezember bis zum 1. Jänner. An verschiedenen Orten vertieft der Autor sich und den Leser in die Geschehnisse. Sosehr, dass die letzten beiden Sätze “Wenig Du bewegtest mich leise im Schlaf. I do forgive you!” wie ein Anfang klingen.

Mike Markart

Sabine Gruber: Die Zumutung

Roman

dtv (Taschenbuch), Verlag C.H.Beck (geb.)
München 2003

Ebenso unprätentiös wie gekonnt verfährt Sabine Gruber im vorliegenden Roman. Die Zeiten werden gewechselt, die Perspektiven; Personen mit ihren Lebensinszenierungen kommen vor, und doch und dennoch zieht sich ein thematischer Faden wie ein dickes Seil durch das Buch. Wir können ihn nicht abschütteln.

Neben Interaktionen, Beziehungen, etwa zwischen der Ich-Erzählerin und Männern wie Paul, Leo oder Beppe, artikuliert sich gleichsam vehement und unausgesetzt laut die Auseinandersetzung zwischen der Ich-Erzählerin und ihrem Körper. Er ruft sich in Erinnerung, setzt Zeichen, wird unüberseh- und hörbar. Was einem gesunden Menschen selbstverständliches Vehikel, wird für die Ich-Erzählerin Hürde und Widerstand.

Auf subtile und zugleich beinahe haptische Art flicht die Autorin dieses Thema ein, lässt es unumgänglich werden; die körperliche Befindlichkeit wird nachempfindbar, spürbar; aber niemals aus einem Gestus des Selbstmitleids heraus. Im Gegenteil. Es ist, als ob das körperliche Geschehen zunächst erfahren und sogleich aber durch die Sprache auf Distanz gebracht wird.

Was Gruber auch noch gelingt, ist eine Spannung aufrechtzuerhalten. Eine Spannung, die sich aus dem raffinierten Gestus des Aufbaus des Romans ergibt und ihn dennoch bis zum Ende als sensibles Unterfangen belässt.

Petra Ganglbauer

Marie Thérèse Kerschbaumer: Orfeo

Bilder Träume. Prosa.

Wieser Verlag
Klagenfurt/Celovec 2003

Eine durchgehend poetische Aufladung, sprühende, farbige Funken durchsetzen die Texte – Lyrik wie Prosa – im vorliegenden Band, der neue und bereits erschienene Arbeiten von Marie-Thérèse Kerschbaumer versammelt.

Polyphonien, Gesänge aus Leidenschaft, Schmerz oder Hoffnung, die Stimmerhebung des Individuums wie der ganzen Welt lassen erneut jene politische Stimme zutage treten, wie sie der Autorin immer schon zu eigen ist. Widerstandswille und Wachheit sind die elementaren und kostbaren Bewußtseinssubstanzen, die teils einander kontrastierend, teils ergänzend den durchgehend poetischen Duktus – jene fragile Sinnesberauschung – begleiten.
Kerschbaumers Texte sind Juwelen inmitten einer mehr und mehr Platz greifenden Allgemein- oder Maschinensprache und bisweilen scheinen sie inmitten herrschender Sprachordnung beinahe gefährdet.

Der Rückgriff auf Mythen, das Einweben “älterer” Sprachsprengsel und der wieder und wieder sich verändernde Stil (elliptisch, dann wieder ausladender) verdichten diese Texte atmosphärisch und verleihen ihnen synästhetische Qualitäten.

Havanna etwa, kann ich nachspüren, nacherinnern, zumal ich selbst einmal dort war. Die Stadt erwacht – zugeschnitten auf den jeweils ausgewählten Blickpunkt – literarisch noch einmal zum Leben. Gänzlich anders muten beispielsweise die Traumvariationen an. Auch sie spiegeln in ihren sprachlichen wie formalen Verrückungen das Nachtbewußtsein deutlich wider.

Die formale Vielheit hält die Texte in diesem Buch in steter Bewegung und gewährleistet so ihre Gültigkeit jenseits von Zeit.

Petra Ganglbauer

Erika Kronabitter: Friederikenbriefe

Friederike Mayröcker gewidmet

Milena Verlag
Wien 2002

Von „Spuren“ schreibt Klaus Kastberger in seiner Einleitung zum vorliegenden Band. Erika Kronabitter flicht Zitate aus Mayröckers Werken und Briefen in ihre Textflüsse ein, und bisweilen laufen die Stil-Stränge beider Autorinnen tatsächlich parallel, bis Kronabitter sich wieder von Mayröckers Spuren wegschreibt, jedoch zumindest nachhaltig den Gestus einer Seelenverwandtschaft beibehält, nämlich die Art und Weise, wie die Worte einander folgen oder zueinander stehen – bisweilen auch abrupte Wortgeschwisterschaften – , dann allerdings schlägt Kronabitter wieder einen anderen, bisweilen alltäglicheren Ton an. Von Landschaften schreibt sie, vom Schreiben, vom Innerseelischen, von Sehnsucht und Angst, von Rastlosigkeit, vom Sterben wie vom Fliehen.

Eine empfehlenswerte Lektüre für Leserinnen, die den beiden Autorinnen eine Weile folgen möchten, sie begleiten, sich in die Ton- und Wasserfälle einstimmen, den Duft- und Gedankenspuren folgen. Ein Stück eines gemeinsamen Weges, einer Überschreibung, einer auch muskalischen Reise bis „zum neuen allerersten Satz“.

Petra Ganglbauer

Edgar Honetschläger: regie/direction

Publication PN°1, Bibliothek der Provinz
Weitra 2002

Alles ist Text

Transgressionen, Übergänge – somit stets Bild also: Wirklichkeit also: Text also: Film – stellen jene im vorliegenden Band versammelten Beispiele aus mehreren Jahren dar, die Edgar Honetschlägers Zugang zu Kunst und Gesellschaftstheorie, Wort und Bild transparent machen. Ein Wanderer zwischen Gesellschaftsräumen, Religionen und Kulturkreisen offenbart sich und seine Arbeit in Gesprächen, Skizzen, Fotos oder Videostills.
Wenn sich der Künstler auf einen Raum konzentriert, läßt er dessen Gegenpol niemals außer acht, der wird stets mitgedacht und mitkonzipiert.
Honetschläger flicht jene Destinationen in seine Arbeiten ein, die ihm – auf Zeit – Ort und Quelle sind und waren: Japan. New York. Rom. Wien.

Der vorliegende Band ist bereits als Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung „Regie“/direction erschienen. Er fokussiert die Werkentwicklung des Künstlers und ist Zeichen seiner Poetisierung von Reise und Alltag, von Nomadisierungen und Standortbestimmungen. Es stellt eine Zusammenschau unterschiedlichster Gattungen dar, die einander durchwirken, in dem Maße, in dem die von Honetschläger besuchten, erkundeten und erlebten Kulturräume es tun; sie sind einander Spiegel, Ergänzung, Widerspruch.
Der Band ist ansprechend und reizvoll gestaltet – von einer kühlen, einnehmenden Ästhetik und als Lektüre wie Betrachtungsgegenstand empfehlenswert!

Petra Ganglbauer

Eva Jancak: Die Vier tage buch frau

www.jancak.at
Wien 2002

Eine auf mehreren Ebenen stattfindende Zusammenschau, die innerseelische wie gesellschaftliche Prozesse aufgreift, hat Eva Jancak unter dem Titel „Die Vier tage buch frau“ zu Prosa zusammengefaßt. Gegenstand der Beleuchtung ist die Zeit der ersten hundert Tage des Jahres 2000, einer Phase der innenpolitischen wie außenpolitischen Veränderungen in Österreich.

Da gibt es etwa die PR-Assistentin Luzie F., eine Klientin der ICH-Erzählerin, die ihrerseits eine psychotherapeutische Praxis betreibt. Luzie benutzt vier verschiedene Tagebücher, die durchaus symbolischen Charakter haben: ein blaues, ein schwarzes, ein rotes und ein grünes. Jedes von ihnen ruft eine andere Empfindung in der Benutzerin hervor. Das blaue Tagebuch Aggression. Das grüne Hoffnung. Über diese ihre Empfindungen spricht sie mit ihrer Therapeutin.
Auch ein Nachbarschaftszentrum spielt eine brisante Rolle, weil es soziale Strukturveränderungen aufzeigt. Symbolisch fungiert es als Ort der Orientierungslosen.
Da kommt es zu diversen Begegnungen und Geschehnissen. Martha Müller etwa taucht auf, eine Schriftstellerin, die während eines Aufenthaltes in New York das Leben der Obdachlosen erforscht. Bald gerät auch sie in Österreich in dieselbe Lage. Und folgerichtig ist auch die Protagonistin ihres Romans Felicitas Fee, namen- und obdachlos. Doch das ist noch nicht alles … Das Leben ändert sich gemeinhin …

Das Buch ist kurzweilig und originell, weil es zwischen innergesellschaftlicher Realität und Symbolik hin und herwechselt. Eine lebendige, subjektive Bestandsaufnahme.

Petra Ganglbauer