Über Leben im Menschheitslabor

Der Astronaut Scott Kelly hält die Internationale Raumfahrtstation ISS für „ein Labor im Orbit von Weltklasse“. Orbit klingt zwar ein wenig nach Achterbahn für Auserwählte, dennoch ist die Umlaufbahn im All der perfekte Ort für Experimente, die auf der Erde nicht durchführbar sind. In der Schwerelosigkeit lässt sich nicht nur Kristallwachstum untersuchen, die Raumstation ist vor allem ein Labor für das friedliche Zusammenleben verschiedener Kulturen. Die ISS ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Zukunft der Zivilisation eines Tages aussehen könnte. „Es gibt kein Projekt, bei dem international so gut zusammengearbeitet wird, wie auf der Internationalen Raumfahrtstation“, betont auch die deutsche Astronautin Insa Thiele-Eich. „Es wird gemeinsam an etwas geforscht, es wird zusammen gebaut und zusammen betrieben, und zwar ohne nennenswerte Konflikte, egal wie die politische Situation auf der Erde ist.“

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Auf der Erde machen wir erste, ungelenke Gehversuche in diese Richtung.

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Corona als Meteoriteneinschlag des Denkes

Wenn Corona Krise bedeutet, was war dann Normalität? Trotz Überraschungsekstase zwingt uns der Virus zu immer neuen Entscheidungen im Leben zwischen Zeitgeschenk und Panikattacke. Die globale Pandemie verstärkt nicht nur den Charakter von Politikern und Institutionen. Vielmehr hilft sie, längst überfällige Fragen zu stellen. Jenseits angestrengter Kampfansagen an den unsichtbaren Feind ist Corona ein dringend benötigter Katalysator für Denken und Handeln.

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Mein Reich komme (Teil 1). Fiktionale Autobiografie eines moralischen Unternehmens

25 Jahre Tafeln in Deutschland. Zeit für eine Autobiografie: Irgendwann lässt sich jeder Promi eine Biographie schreiben. Aber soweit kommt es noch! Wer so viel gestemmt hat wie ich, der macht das selbst! Ehrenamtlich, versteht sich. Wer wie ich seit 25 Jahren existiert und nun endlich mitten in der Gesellschaft angekommen ist, der darf auch mal ein wenig zurückblicken und sich freuen.

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Bloß nostalgisch werden, das sollte nicht sein. Wer wie ich in diesen Tagen rundherum gefeiert wird, der darf sich auch selbst einmal an die vielen Herausforderungen erinnern, die mit der eigenen Arbeit verbunden sind.

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Pfeffer-Ärschle

Es reicht nicht aus, zu fliehen. Es reicht nicht aus, den Schwarzwald zu verlassen und sich – wie Hermann Hesse – in Richtung Bodensee zu begeben. Erstens ist es unmöglich, dem Wahnsinn des Karnevals bzw. des Faschings bzw. der Fasnet zu entfliehen. Narren ziehen auch durch Meergburger Gassen. Zweitens ist es unvermeidlich, wieder auf neue Geheimnisse zu stoßen, die dann neue Erkenntnisarbeit erzeugen.

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Ich bin also für ein paar Nächte am Bodensee. In einem Hotel, dass über jeden Zweifel erhaben ist, weil im Zimmer 116 einst Graf Zeppelin nächtigte. Das kann ja nicht gut gehen. Das Hotel, in dem ich mich befinde, ist keines, aus dem man nie wieder entkommt („Hotel California“ – The Eagles), sondern eher eines, in dem ich eine überraschende, eine wunderbare Entdeckung machen darf: Ich entdecke ein neues Wort! 

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Kleine Siege für Öffentliche Soziologie

Ein befreundeter junger Soziologe freut sich gerne, wenn es wieder einmal einen „kleinen Sieg für die Öffentliche Soziologie“ zu vermelden gibt. Und mich freut seine Freude! Hier ist noch einer: Die „organische“ Öffentliche Soziologie hat es in Form von Exponaten zur Tafelkritik in das „Haus der Geschichte“ in Bonn geschafft.

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Mich freut das gleich doppelt. Denn es zeigt einmal mehr, dass Öffentliche Soziologie das ist, was man daraus macht und nicht das, was die Deutsche Gesellschaft für Soziologie darunter versteht.

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Risse im Fundament

„Ein bewölkter Himmel klärt sich ohne Sturm nicht auf.“ So heißt es bei Shakespeare in MacBeth. Wie oft ich diese Stelle schon zitiert habe. In den letzten beiden Tagen erhielt sie jedoch eine ganz neue Bedeutung. Tage, die landesweit vom Orkan „Friederike“ geprägt waren. 

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Tage, an denen ich – wie so viele andere – versuchte, nach Hause zu gelangen. Das Erschütterndste an dieser Zeit waren aber nicht umgeknickte Bäume oder überfüllte Bahnhöfe. Das Erschütterndste war für mich die Entdeckung von Rissen im Fundament unserer Zivilisation.

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Disput statt Debatte

Am 28.11. fand in Berlin eine äußerst spannende Veranstaltung statt, der Disput/Berlin! zum Thema “Künstliche Intelligenz”. Das Veranstaltungsformat folgt konsequent der britischen Streitkultur (z.B. Oxford-Debatte). Im Mittelpunkt steht eine bewusst provokante These, die Teilnehmendem müssen sich entweder für oder gegen die These aussprechen. 

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Foto: Disput/Berlin!

Wenn Wissenschaft immer auch “Differenzierung” bedeutet, dann ist klar, dass man sich im Kontext dieser Streitkultur als Öffentlicher Soziologie auf Glatteis begibt. Spaß macht es trotzdem. Im ersten Teil meines Blogbeitrages veröffentliche ich meinen Disputbeitrag, der vorab in der Tageszeitung “Tagesspiegel” auf der neuen Causa-Seite veröffentlicht wurde. Im zweiten Teil werde ich mich dann mit dem Format an sich beschäftigen. Hier nun aber meine Argumente zum Thema KI, die ich dann während der Veranstaltung - wenn auch in verkürzter Form - geäußert habe.

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Öffentliche Buße

Wer Öffentliche Soziologie betreibt, sollte auch bereit sein, öffentlich Buße zu tun, wenn dazu die Notwendigkeit besteht. Dieser Blogpost ist (m)eine Form öffentlicher Buße. Notwendig ist sie, weil mir ein Fehler unterlaufen ist. 

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Wichtig aber ist sie, weil ich damit Verbesserungsvorschläge für kommende Debatten verbinden kann. Ich entschuldige mich beim Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom AG, Timotheus Höttges, weil ich ihn falsch zitiert habe. 

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Empörungskapital

Die Reaktionen auf die aktuelle Oxfam-Studie An Economy for the 1% sind genau das, was ich als hypnotische Redundanz bezeichne: In einem sich ewig wiederholenden Ritual werden die ewig gleichen Empörungsvokabeln verteilt, ohne das damit eine Chance auf konkrete Veränderungen verbunden wären. 

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Sinn ist die Mangelware des 21. Jahrhunderts und Empörung inzwischen eine neue Kapitalsorte. In einer Gesellschaft, die ständig nach der „Großen Transformation“ sowie einem neuen Gesellschaftsvertrag ruft, ist das ein irritierender Widerspruch. Es gibt kaum noch Wissensdefizite. Vielmehr ist die Zeit reif, vom Wissen zum Handeln zu gelangen - wir benötigen weniger Skandalisierungswissen, dafür mehr Transformationswissen.

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Datenschutz, made by A. Merkel

Wer sich (wie ich gelegentlich) mit schleichendem Wandel beschäftigt, findet selten verlässliche „Daten“ für seine Thesen. Unsere kulturelleren Orientierungsrahmen (die sog. „shifting baselines“) ändern sich üblicherweise still und langsam, meist unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Daher betrachtete ich es als einen großen Glückfall, dass ausgerechnet Angela Merkel als Kronzeugin zitierfähig wurde.

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Auf einer Autofahrt von Stuttgart in den Schwarzwald hörte ich im Radio einen Auszug aus ihrer Rede anlässlich der Eröffnung des „Zentrums für Forschung und Vorausentwicklung der Robert Bosch GmbH“ („Bosch-Campus“). Vielleicht war dies einer der Fälle, in denen ein sich selbst steuerndes Auto ein echter Sicherheitszugewinn gewesen wäre. Denn ein Satz dieser Rede irritierte mich massiv. Ich dachte nur: Was passiert hier gerade vor unser aller Augen? Endlich einmal wurde schleichender Wandel sichtbar.

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