Autor: stefanmesch

Writer. Book Critic. Journalist.

„First Black Woman in Space“ von Simone Dede Ayivi (Mousonturm Frankfurt/FAZ)

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Theatermacherin Simone Dede Ayivi. Foto von Juliane Kremberg

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Durch das Raue, hoch zu den Sternen

Vorbilder, Kämpferinnen, der Traum von einer besseren Welt: Simone Dede Ayivi schreibt und inszeniert. Ihr neues Stück entsteht am Mousonturm für das Festival der „afropäischen Künste“

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von Stefan Mesch

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„First Black Woman in Space“ feiert die Durchbrüche und Pionierleistungen Schwarzer Frauen. Ein Abend über Aktivistinnen, Astronautinnen, erste und gemeinsame Schritte Richtung Zukunft.

Die erste Schwarze Frau im All war Mae Jemison, 1992. Astronautin zu werden – das wurde für sie denkbar, weil sie über 20 Jahre zuvor eine andere Schwarze Frau auf der Brücke eines Raumschiffs sah: Lieutenant Uhura in „Star Trek“. Aus solchen Schrittfolgen und Vorbildern wächst Zukunft, Utopien machen Mut. Science-Fiction kann Beschränkungen der Gegenwart in Frage stellen.

Simone Dede Ayivi stammt aus Hanau und lebt in Berlin. In ihren Shows und theatralen Performances steht sie oft selbst auf der Bühne – umgeben von Videos, Soundcollagen, Expertinnenstimmen und Statements. In „First Black Woman in Space“ zeigen Frauen of Color, wer sie inspirierte und in welcher Hinsicht sie selbst zur ersten Frau im Raum wurden. Doch es gibt immer mehr als eine Pionierin, eine Vorkämpferin.„Es geht um Schwesternschaft, Empowerment, die Kraft utopischer Orte. Es reicht nicht, nur auf einzelne Biografien zu blicken. Ich will fragen: Was wird möglich, sobald wir Zukunft ohne Rassismus und Sexismus denken?“

Ayivi und ihr Produktionsteam – neun Frauen – entwickeln das Stück während einer Residenz am Mousonturm. Sie machen die Bühne zur Kontrollstation, zum Raumschiff. Und zur utopischen Gedenkstätte. In „Performing Back“, mit dem sie Ende 2015 am Mousonturm gastierte, fragte Ayivi nach deutschen Kolonialverbrechen in Afrika, öffentlichem Vergessen, Verschweigen und Protest. Es gibt eine westafrikanische AdinkraDenkfigur: Sankofa. Lerne aus der Vergangenheit – um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft gestalten zu können.

„First Black Woman in Space“ blickt auf dieselben Fragen. Aber aus der Gegenrichtung: Welche Rollen spielen Schwarze Frauen in Utopien? Wie wirken Zukunftsbilder zurück aufs Heute? Ab wann verändern Vorstellungen davon, was möglich ist, persönliche und politische Gegenwart, Berufe und Normen?

Ayivis Shows sind vielstimmig, humorvoll, kritisch, verspielt  – und entspannt geistreich. Auf ihrem Schreibtisch stapeln sich Bücher zu Zeitreisen, schwarzem Empowerment, Physik und Afrofuturismus. US-Utopien drängen meist ins All – The Final Frontier. Afrikanische Science-Fiction dagegen spielt viel öfter auf der Erde. Science-Fiction sucht griffig mehrdeutige Bilder: „Aliens tauchen auf und transportieren dich auf Schiffen in eine neue Welt, gegen deinen Willen. Die Geschichte der Versklavung – eine Entführung durch Fremde.“

Oft meldet sich Ayivi auch in Essays zu Wort, in Theater- und politischen Debatten. Ihre Sachtexte sind leidenschaftlich, klar, couragiert – eine Aktivistin, die Probleme und Lösungen deutlich benennt. Ihre Arbeiten fürs Theater haben noch andere Stärken: Hier wird gespielt, verknüpft, assoziiert. Geistreich, respektvoll. Überraschend und witzig.

„Falls du aus einer marginalisierten Position heraus etwas erreichst, muss dir klar sein: Dass du diese Möglichkeiten hattest, ist nicht nur deine Leistung. Heute stehe ich auf der Bühne. Nicht, weil ich eine bessere Künstlerin bin als Schwarze Frauen vor mir. Sondern, weil Menschen feministische und antirassistische Arbeit machten. So lange kämpften, bis Barrieren mürbe wurden und aufbrachen.“

Die erste Person, die solche Barrieren überwindet und einen neuen Raum betritt, ist oft einsam. Nichelle Nichols, Uhuras Darstellerin, wollte „Star Trek“ nach einem Jahr verlassen. Doch Martin Luther King bat sie, zu bleiben. Damit Uhura sichtbar bliebe, für ein Millionenpublikum. Ayivis Stücke zeigen: Sich eine Bühne zu erobern, öffentlich gehört, gesehen, respektiert zu werden, verändert alles. Für die Frau auf der Bühne. Und für die Menschen im Publikum.

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„First Black Woman in Space“:

  • offene Probe: 17. September 2016, 18 Uhr, Mousonturm Frankfurt
  • Vorstellungen: Herbst 2016, in u.a. Berlin (Sophiensaele), Hannover (Freies Theater) und Frankfurt
  • 26. November 2016: Vorstellung am Mousonturm Frankfurt

Die besten Krimis 2016: Empfehlungen

Krimis 2016, Stefanmesch

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2014 empfahl ich meine Lieblings-Krimiblogs (Link).

Heute: neue Krimis, Thriller, Spannungsromane – erschienen 2016, auf Deutsch oder Englisch.

Romane, Anfang 2016  |  Romane 2016, Ende 2016  |  Jugendbücher 2016  |  Serien 2016

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10 Lieblingsbücher, Krimi & Spannung: Empfehlungen!

Kaltblütig  Der talentierte Mr. Ripley  Queen and Country: The Definitive Edition, Vol. 1  Waterland  Citrus County
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The Boy Detective Fails  Die Stunden vor Morgengrauen  Die Speed Queen  Southern Bastards, Vol. 1: Here Was a Man  Blacksad
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23 Neuerscheinungen auf meiner „bald lesen“-Liste:

aktuelle Titel, die ich vorgemerkt habe, angelesen und gemocht.

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krimis 2016, Charlotte Otter, Christine Lehmann, Schünemann Volic

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01: Charlotte Otter, „Karkloof Blue“

  • Band 2 der Maggie-Cloete-Reihe: Südafrika-Thriller einer in Deutschland lebenden südafrikanischen Autorin; viel Gesellschaftskritik und Politik. (Der Klappentext wirkt eher plump.)
  • 288 Seiten, Ariadne/Argument Verlag, schon im September 2015; eBook bei Culturbooks
  • Deutsch von Katrin Kremmler und Else Laudan. Goodreads: kaum Wertungen

„KwaZulu-Natal, Südafrika: Ein Job als stellvertretende Nachrichtenredakteurin der Tageszeitung Gazette bringt Maggie Cloete zurück in ihre Heimatstadt Pietermaritzburg. Der Papierkonzern Sentinel stellt sich als Wohltäter der Region dar. Daran ändern auch die Proteste einer Truppe von Umweltschützern nichts, zu denen Maggies Bruder gehört. Die Konzernleitung will den Sektor Karkloof 7 roden, ein unberührtes Waldstück. Eigentlich war es Stammesland, doch mit den ursprünglichen Eigentümern hat man sich längst arrangiert. Maggie argwöhnt, dass der Tod des Ökologen David Bloom nicht einfach der Selbstmord eines frustrierten Idealisten war, der eine bedrohte Schmetterlingsart retten wollte. Aber ihre Vorgesetzte pfeift sie energisch zurück: Sie will in der Gazette keine schlechte PR für Sentinel sehen. Dann machen die Forstarbeiter im Sektor Karkloof 7 einen grausigen Fund.“ (Klappentext, gekürzt)

Karkloof Blue. Kriminalroman (Ariadne Kriminalroman)

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02: Christine Lehmann, „Allesfresser“

„Ein berühmter Koch ist verschwunden. Lisa Nerz begibt sich zuerst online auf Spurensuche: Sie soll die Identität der Person herausbekommen, die im Netz ein anonymes Veganblog verfasst. In den sozialen Medien tobt der reinste Glaubenskrieg um die Frage, was wir essen sollten, vielstimmig, aggressiv und giftig. Doch um das weite Feld der Spielarten zwischen veganer Lebensweise und politischem Veganismus kennenzulernen, muss Lisa Nerz die Lederjacke ausziehen, den Computer ausschalten und sich in die Schlacht zwischen Omnivoren und Veganern begeben. Und wieder zeigt sich: Es ist alles ganz anders als gedacht.“ (Klappentext, gekürzt)

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03: Jelena Volic, Christian Schünemann: „Pfingstrosenrot“

  • Band 2 einer soliden neuen Krimireihe: Ich mag, dass es um Serben geht – statt, wie viel öfter, um Kroaten oder Bosnier.
  • 368 Seiten, Diogenes, Februar 2016
  • Goodreads: 4.12 von 5 (Band 1 hatte schlechte Kritiken)

„Ein serbisches Ehepaar ließ sich von falschen Versprechungen und einem verheißungsvollen Rückkehrprogramm in die alte Heimat, das Kosovo, zurücklocken. Die Belgrader Kriminologin Milena Lukin kommt skandalösen Machenschaften auf die Spur, die bis in hohe Kreise der serbischen und europäischen Politik reichen. Wieder ein atmosphärischer, packender Krimi, der ins Herz des Balkans führt.“ (Klappentext, leicht gekürzt)

Pfingstrosenrot: Ein Fall für Milena Lukin

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krimis 2016, Sven Koch, Ulrich Ritzel, M.C. Poets

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04: Sven Koch, „Dünenfeuer“

„Truck Robbery und Polizistenmorde an der winterlichen Nordseeküste – und ein Showdown auf dem überfrorenen Wattenmeer, zwischen mannshohen Eisblöcken bei einsetzender Flut. Die SOK um Femke Folkmer und Tjark Wolf folgt scheinbar unzusammenhängenden Spuren in ein Dickicht aus Korruption, Verrat und Mord.“ (Klappentext, gekürzt)

Dünenfeuer

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05: Ulrich Ritzel, „Nadjas Katze“

  • Band 10 der „Berndorf ermittelt“-Reihe: langsamer, literarischer, undramatischer und historischer als viele konventionelle Krimireihen. Mir gefiel die Erzählung-in-der-Erzählung – auch, wenn Hauptfigur und Dorfgeschichte sehr verbraucht/konventionell wirken.
  • 448 Seiten, btb, April 2016
  • Goodreads: kaum Wertungen; gute Kritiken im Feuilleton

„Auf der Suche nach vergessenen Autoren entdeckt die pensionierte Lehrerin Nadja Schwertfeger in einem Antiquariat ein Heft mit einer Erzählung über das Kriegsende 1945. Stunden vor dem Einmarsch der US-Army hören in einem kleinen Dorf Einheimische, Flüchtlinge und versprengte Soldaten gemeinsam die Rundfunkübertragung zu Hitlers bevorstehendem 56. Geburtstag. Doch als der Strom ausfällt, läuft die Zusammenkunft aus dem Ruder. Nadja stolpert über ein seltsames Detail: die Beschreibung einer schwarzen Stoffkatze mit rosa Tatzen. Sie selbst besitzt eine solche Stoffkatze – es ist die einzige Verbindung zu ihrer Mutter, die ihr dieses Kuscheltier mitgegeben hat, als sie sie nach Kriegsende einer anderen Frau überließ. Nadja recherchiert: Hat es ein Dorf wie in der Erzählung beschrieben wirklich gegeben? Bald scheint sie tatsächlich fündig zu werden. Doch niemand im Dorf will mit ihr reden. Schließlich wird sie auf jemanden verwiesen, der hier ebenfalls aufgewachsen ist und später Polizist wurde: Es ist der ehemalige Kriminalkommissar Hans Berndorf.“ (Klappentext, gekürzt)

Nadjas Katze: Ein Berndorf-Roman (Berndorf ermittelt 10)

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06: M.C. Poets, „Traum. Wald. Tod.“

„In der endlosen Weite Norwegens [uff. Klischeesprache.] lebt der Eigenbrötler Morten. Seit er denken kann, träumt er davon, eine Frau zu fesseln und echte, tiefe Angst in ihrem Blick zu sehen. Als er heimlich ein Touristenpaar auf einer Kanutour beobachtet, erwacht sein alter Traum zu neuem Leben. Am nächsten Morgen liegt der Mann tot am Fuß eines Felsens, und die Frau muss auf sich allein gestellt ihren Weg durch die unwirtliche Natur finden. Morten sieht seine Chance gekommen und bietet der Frau seine Hilfe an. Zusammen machen sie sich auf den Weg, und Morten glaubt, ein leichtes Spiel mit seinem ahnungslosen Opfer zu haben. Doch Sina van Megen, eine gefragte Künstlerin, ist nicht die verweichlichte Städterin, für die er sie hält.“ (Klappentext, leicht gekürzt)

Traum. Wald. Tod.

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historische krimis 2016, Susanne Goga, Joseph Kanon, Rosa Ribas.png

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07: Susanne Goga, „Es geschah in Schöneberg“

„Berlin 1927. Bei einer Modenschau im ›Romanischen Café‹ werden zwei Vorführdamen verletzt: Ihre Kleider wurden mit einem Kontaktgift präpariert. Offenbar ein gezielter Anschlag gegen den Modesalon ›Morgenstern & Fink‹, den aufsteigenden Stern am Berliner Modehimmel. Steckt ein Konkurrent dahinter? Kurz darauf wird in Schöneberg ein Toter gefunden. In seiner Wohnung entdeckt man einen Prospekt des Modesalons. Leo Wechsler, inzwischen Oberkommissar bei der Berliner Kripo, nimmt die Ermittlungen auf.“ (Klappentext, gekürzt)

Es geschah in Schöneberg

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08: Joseph Kanon, „Leaving Berlin“

„Berlin 1949: Die Stadt liegt immer noch in Trümmern. Der Kalte Krieg hat begonnen, der Westteil der Stadt kann nur noch durch eine Luftbrücke versorgt werden. Schwarzmarkt und Spionage sind an der Tagesordnung. Schriftsteller Alex Meier floh 1933 vor den Nazis in die USA. Doch das McCarthy-Regime hat seine politische Vergangenheit durchleuchtet und ihn ausgewiesen. Er geht nach Ostberlin, wo sich auch Bertold Brecht, Helene Weigel und Ruth Berlau niedergelassen haben. Die CIA bietet ihm die Chance auf eine Rückkehr in die USA, wenn er seine Schriftstellerkollegen ausspioniert. Doch die Sache läuft aus dem Ruder.“ (Klappentext, gekürzt)

Leaving Berlin: Thriller

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09: Rosa Ribas, „Die große Kälte“

  • historischer Kriminalroman:
  • Bergdorf und viel Gerede über katholischen Wunderglauben stoßen mich ab; Band 1 hatte schlechte Kritiken.
  • 336 Seiten, Rowohlt/Kindler, März 2016. (Original: Spanien 2014)
  • Deutsch von Sabine Hofmann, Goodreads: 4.00 von 5

„Barcelona, 1956: Im kältesten Winter seit Jahrzehnten wird die junge Journalistin Ana Martí in ein entlegenes Bergdorf in Aragonien geschickt, um über ein Mädchen mit Stigmata an Händen und Füßen zu berichten. Von den Dorfbewohnern wird die kleine Isabel wie eine Heilige verehrt, Ana hingegen ist skeptisch. Aber noch ehe sie dem Geheimnis der Wundmale auf die Spur kommt, wird auf dem schneebedeckten Waldboden eine Leiche gefunden.“ (Klappentext, gekürzt).

Die große Kälte

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krimis 2016, Robert Crais, Ryan Gattis, William Gibson.png

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10: Robert Crais, „Stunde der Rache“

  • Band 8 der Elvis-Cole-Reihe: 17 Jahre alter Mainstream-Thriller mit einigen Klischees.
  • 592 Seiten, Heyne, Januar 2016 (Original von 1999)
  • Deutsch von Helmut Splinter, Goodreads: 4.25 von 5

„Für Privatermittler Joe Pike wird L.A. nie mehr so sein wie zuvor. In den Hollywood Hills wird die Leiche seiner Ex-Geliebten gefunden: Sie wurde durch einen Kopfschuss ermordet. Ihr Vater, ein spanischer Geschäftsmann mit politischen Beziehungen, traut der Polizei nicht und bittet Joe und dessen Partner Elvis Cole, den Mörder zu suchen. Offensichtlich ist Karen Opfer eines Serienkillers geworden. Doch dann wird Pike hereingelegt und selbst zum Hauptverdächtigen.“ (trashiger Klappentext, gekürzt)

L.A. Requiem (Elvis Cole, #8)

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11: Ryan Gattis, „In den Straßen die Wut“

„Sechs Tage, 1992: Polizisten misshandeln einen schwarzen Bürger [Rodney King] und Los Angeles explodiert. Plünderungen, Feuer; ein Bürgerkrieg im Herzen der westlichen Welt. Was passiert, wenn die Polizei eine Stadt den Armeen der Gangs überlässt? Skrupellose und weniger skrupellose Gangster, rassistische Polizisten, Krankenschwestern, Junkies, jugendliche Mitläufer kommen zu Wort.“ (furchtbar unbeholfener, altmodischer Klappentext, gekürzt)

In den Straßen die Wut

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12: William Gibson, „Peripherie“

  • Zeitreise- und Virtual-Reality-Thriller des kanadischen Autors, der in 80ern Cyberpunk erfand und den Begriff „Cyberspace“.
  • 624 Seiten, Klett-Cotta, August 2016 (Original von 2014)
  • Deutsch von Cornelia Holfelder-von der Tann, Goodreads: 3.95 von 5

„Flynne verdient ihr Geld in einem 3D-Kopierladen. Ihr Bruder Burton testet heimlich Computerspiele, um seine spärliche Veteranenrente aufzubessern. Als Flynne für ihn einspringt, findet sie sich in einer virtuellen, dunkelfremden Welt wieder, die an London erinnert. Sie ahnt nicht, dass diese Welt die Zukunft ist, in der Wilf lebt, ein PR-Mann, der Promis betreut. Als eine von Wilfs Kundinnen ermordet wird, ist Flynne die einzige Zeugin des Verbrechens.“ (Klappentext, gekürzt)

The Peripheral

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true crime 2016, Chloe Hooper, Helen Garner, Sue Klebold

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13: Chloe Hooper, „Der große Mann. Leben und Sterben auf Palm Island“

  • australische True-Crime-Reportage
  • 368 Seiten, Liebeskind Verlag, Februar 2016 (Original von 2009)
  • Deutsch von Michael Kleeberg, Goodreads: 4.15 von 5

„Am 19. November 2004 wird der Aborigine Cameron Doomadgee festgenommen, weil er angeblich einen Polizisten beschimpfte. Vierzig Minuten später liegt er tot in seiner Zelle. Laut Polizeiangaben war er über eine Stufe gestolpert – doch sein Leichnam weist schwere innere Verletzungen auf. Als Hauptverdächtiger gilt der groß gewachsene, charismatische Polizeibeamte Christopher Hurley. Seit Jahren schon arbeitet er auf Palm Island, einem der gefährlichsten Orte Australiens, und auch die Aborigines schätzen ihn. Nun aber muss er sich als erster Polizist des Landes für einen Todesfall in Polizeigewahrsam vor Gericht verantworten. Chloe Hoopers Tatsachenroman schildert einen unbarmherzigen Kampf um Macht und Gerechtigkeit. Und damit auch das brutale Aufeinanderprallen zweier Kulturen.“ (Klappentext, gekürzt)

The Tall Man

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14: Helen Garner, „Drei Söhne. Ein Mordprozess.“

  • [wie Chloe Hooper, oben:] australische True-Crime-Reportage. Helen Garner ist eine sehr kompetente, wichtige australische Prosa-Autorin.
  • 352 Seiten, Berlin Verlag, September 2016 (Original von 2014)
  • Deutsch von Lina Falkner, Goodreads: 4.02 von 5

„Robert Farquharson bekommt sein Leben nicht auf die Reihe. 2005, am Abend des Vatertags, fährt er die drei Söhne zurück zu seiner Exfrau Cindy, als sein Wagen von der Straße abkommt und in einen See stürzt. Nur er kann sich aus dem Auto befreien. Tragischer Unfall oder Racheakt – diese Frage wird die australische Justiz und Öffentlichkeit in den folgenden Jahren beschäftigen. Für Helen Garner wird sie geradezu zur Obsession: Sie verfolgt den Prozess durch alle Instanzen.“ (Klappentext, gekürzt)

This House of Grief

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15: Sue Klebold, „Liebe ist nicht genug. Ich bin die Mutter eines Amokläufers“

„On April 20, 1999, Eric Harris and Dylan Klebold walked into Columbine High School in Littleton, Colorado. They killed twelve students and a teacher and wound twenty-four others before taking their own lives. Sue Klebold, Dylan’s mother, has lived with the grief and shame of that day. How, as his mother, had she not known something was wrong? In A Mother’s Reckoning, she chronicles with unflinching honesty her journey as a mother trying to come to terms with the incomprehensible.“ (Klappentext, gekürzt)

A Mother's Reckoning: Living in the Aftermath of Tragedy

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krimis 2016, David Kushner, Justine van der Leun, S.E. Lynes.png

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16: David Kushner, “Alligator Candy”

  • schon vorgestellt: 2016 – Nonfiction Books (Link)
  • ein Journalist schreibt über das Verschwinden seines älteren Bruders: halb True-Crime-Reportage, halb Personal Memoir (…und wahrscheinlich: mit offenem Ende/ohne Auflösung).
  • 243 Seiten, Simon & Schuster, März 2016
  • nicht auf Deutsch. Goodreads: 3.90 von 5

“David Kushner grew up in the early 1970s in the Florida suburbs. One morning in 1973, David’s older brother Jon biked through the forest to the convenience store for candy, and never returned. Decades later, Kushner found himself unsatisfied with his own memories and decided to revisit the episode a different way: through the eyes of a reporter. His investigation brought him back to the places and people he once knew and slowly made him realize just how much his past had affected his present. After sifting through hundreds of documents and reports, conducting dozens of interviews, and poring over numerous firsthand accounts, he has produced a powerful and inspiring story of loss, perseverance, and memory.” (Klappentext, gekürzt)

Alligator Candy

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17: Justine van der Leun, „We are not such Things: The Murder of a young American, a South African Township, and the Search for Truth and Reconcilation“

  • True Crime, Südafrika: Reportage über einen Mord vor 23 Jahren – und seine politischen/sozialen Folgen.
  • 448 Seiten, Spiegel & Grau, Juni 2016
  • nicht auf Deutsch, Goodreads: 4.08 von 5

The story of Amy Biehl is well known in South Africa: After the twenty-six-year-old white American Fulbright scholar was brutally murdered on August 25, 1993, during the final, fiery days of apartheid by a mob of young black men in a township outside Cape Town, her parents’ forgiveness of two of her killers became a symbol of the Truth and Reconciliation process in South Africa. Inspired by the story, Justine van der Leun, an American writer living in South Africa, decided to introduce it to an American audience. But as she delved into the case, the prevailing narrative started to unravel. Why didn’t the eyewitness reports agree on who killed Amy Biehl? Were the men convicted of the murder actually responsible for her death? And then van der Leun stumbled on another brutal crime committed on the same day, in the very same area. The story of Amy Biehl’s death, it turned out, was not the story hailed in the press as a powerful symbol of forgiveness, but was in fact more reflective of the complicated history of a troubled country.“ (Klappentext, gekürzt)

We Are Not Such Things: The Murder of a Young American, a South African Township, and the Search for Truth and Reconciliation

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18: S.E. Lynes, „Valentina“

„Glasgow journalist Shona McGilvery moves to an idyllic cottage in rural Scotland with her partner Mikey and their baby. But with Mikey working offshore, the isolation of the Aberdeenshire countryside begins to drive her insane. Until she is rescued by a new friendship with the enchanting Valentina. Shona has the perfect home, the perfect man, and a charismatic new best friend – or does she? A hauntingly intelligent, addictive psychological thriller from debut author S. E. Lynes. „(Klappentext, gekürzt)

Valentina

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19: Abby Geni, „The Lightkeepers“

  • langsamer Natur- und Vogelkundler-Roman mit Mordfall: könnte tantig oder kitschig sein.
  • 340 Seiten, Counterpoint, Januar 2016
  • nicht auf Deutsch, Goodreads: 3.81 von 5 (für einen Krimi: recht schlecht.)

„Miranda is a nature photographer who travels to the Farallon Islands, an exotic and dangerous archipelago off the coast of California, for a one-year residency capturing the landscape. Her only companions are the scientists studying there. Miranda is assaulted by one of the inhabitants of the islands. A few days later, her assailant is found dead, perhaps the result of an accident. As the novel unfolds, Miranda gives witness to the natural wonders of this special place. When more violence occurs, each member of this strange community falls under suspicion.“(Klappentext, gekürzt)

The Lightkeepers

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20: Emma Kavanagh, „The Missing Hours“

  • Domestic Suspense im Stil von „Gone Girl“: Lügt Selena? (Aber: viele Leser*innen finden die Auflösung/das überraschende Ende abrupt oder misslungen.)
  • 400 Seiten, Cornerstone, Februar 2016
  • nicht auf Deutsch, Goodreads: 4.03 von 5

„Selena Cole is in the playground with her children. The next moment, she has vanished without a trace. Twenty hours later, Selena is found safe and well, but with no memory of where she has been. What took place in those missing hours, and are they linked to the discovery of a nearby murder?“ (Klappentext, gekürzt)

The Missing Hours

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21: KWEI QUARTEY, “Gold of our Fathers”

“Darko Dawson has just been promoted to Chief Inspector in the Ghana Police Service—the promotion even comes with a (rather modest) salary bump. His new boss is transferring him from Accra, Ghana’s capital, out to remote Obuasi in the Ashanti region, an area now notorious for the illegal exploitation of its gold mines. The office is a mess of uncatalogued evidence and cold case files, morale is low. The body of a Chinese mine owner is unearthed in his own gold quarry.”

Gold of Our Fathers (Darko Dawson #4)

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krimis 2016, Christopher Charles, A.J. Hartley, Castle Freeman jr.

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22: Christopher Charles, „The Exiled“

  • Provinz-Drogen-Thriller mit gebrochener Hauptfigur
  • 320 Seiten, Mulholland Books, April 2016
  • nicht auf Deutsch, Goodreads: 4.12 von 5

„Back in the 1980s, Wes Raney was an ambitious New York City Narcotics Detective with a growing drug habit. Working undercover on a high-risk case, he made decisions that cost his career and his family. Now, Raney is the sole homicide investigator covering a two-hundred-mile stretch of desert in New Mexico. His solitude is his salvation-but it ends when a brutal drug deal gone wrong results in a triple murder. The Exiled is at once a riveting murder mystery and a brilliant portrait of a man on the run from himself.“ (Klappentext, gekürzt)

The Exiled

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23: A.J. Hartley, „Steeplejack“ [Jugendbuch]

  • Band 1 einer Steampunk-Young-Adult-Trilogie
  • 336 Seiten, Tor, Juni 2016
  • nicht auf Deutsch, Goodreads: 4.00 von 5

„Anglet Sutonga is 17. She makes a living repairing the chimneys, towers, and spires of Bar-Selehm. When Ang is supposed to meet her new apprentice, Berrit, she finds him dead. That same night the Beacon, an invaluable historical icon, is stolen. No one seems to care about Berrit’s murder—except for Josiah Willinghouse, an enigmatic young politician. He offers Ang a job investigating the death. With no one to help Ang except Josiah’s haughty younger sister, a savvy newspaper girl, and a kindhearted herder, Ang must rely on her intellect and strength to resolve the mysterious link between Berrit and the missing Beacon before the city descends into chaos.“ (Klappentext, gekürzt)

Steeplejack (Alternative Detective, #1)

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…ich mochte auch Castle Freemans Provinz-Thriller „Männer mit Erfahrung“ (Nagel & Kimche, Februar 2016) – ein schneller, sympathischer, aber recht flacher Kurzroman. Längere Einschätzung von mir: hier (Link)
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zwei weitere Autor*innen, von denen ich bald mehr lesen will (neueste Bücher von 2015):
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zwei aktuelle Comic-Reihen, die ich komplett las und die mich begeistern:
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the fade out

ED BRUBAKER (Text), SEAN PHILLIPS (Zeichnungen):

“The Fade Out”, Noir-/Krimi-Graphic-Novel, 15 Hefte in drei Sammelbänden, USA 2014 bis 2016.

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The Fade Out, Vol. 1: Act One[mehr] Charlie Parish ist Drehbuchautor – heimlich: Er macht den Job, für den sein Alkoholiker-Kumpel Gil bezahlt wird. Bei einer Party stirbt Hauptdarstellerin Valeria Summers. Charlie verliebt sich in Maya Silver – den jungen Star, der sie ersetzen soll. Während viele Szenen neu gedreht, das Drehbuch ständig ausgebessert wird, versucht er, sich an die Mordnacht zu erinnern.

Ich liebe Ed Brubaker seit „Gotham Central“. Seit 15 Jahren erzählt er immer wieder gefeierte historische Noir-Dramen um Detektive und Killer. In Band 1 und 2 bleibt „The Fade Out“ den klassischen Farben, Motiven, Tricks des Krimi- und Noir-Genres treu: Hollywood 1948. Kaputte Stars, Auf-, Absteiger. Bittere Geheimnisse. Verrat und Sünde. Ein glänzend recherchierter, toll gezeichneter Comic zweier Profis. Band 3 hat eine überraschende Auflösung, und macht die Reihe rückblickend noch deutlich besser:

stimmig, fesselnd, smart, detailverliebt… und wunderbar traurig.

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Stadt in der es mich nicht gibt
KEI SANBE (Text und Zeichnungen):

„Die Stadt, in der es mich nicht gibt“, Krimi-Manga mit fortlaufender Handlung, 8 Bände (2013 bis 2016)

“Satoru Fujinuma wird unerwartet in die Vergangenheit geschickt – für jeweils wenige Minuten und so oft, wie es nötig ist, um Verbrechen zu verhindern. Er hat sich mit diesem Lebensstil abgefunden. Doch plötzlich erlebt Satoru eine extreme Wiederholung: Er wird in seine Zeit als Grundschüler zurückgeschickt. Damals wurden Kinder aus seiner Klasse entführt und umgebracht. Schafft er es, die Entführungen zu verhindern?” [Klappentext, gekürzt]

  • Der Zeichenstil (wenige Details, seltsame Augen, Lippen, Kopfformen) wirkt lieblos…
  • …und dem kompletten ersten Band fehlt Schwung.
  • Ab Band 2 aber gewinnen Figuren und Geschichte so viel Farbe, Tiefgang, dass ich mir sicher war: Das kann auch über 30 Bände hinweg glänzend funktionieren. Ein schlichtes, aber eindrückliches Setting, ein überzeugend eskalierender Krimi-Plot, ein Autor, der an jeder Stelle GANZ genau zu wissen scheint, was er tut. Und: fünf, zehn Figuren, die simpel wirken, doch sehr schnell liebenswürdig, schlagfertig, immer komplexer werden. Grundschülerinnen, Teenager, Mütter, die ich SO noch nie gelesen habe, in Mangas.
  • Mit anderem Zeichenstil wäre die Reihe Publikumsliebling, Crowdpleaser, ein perfektes Geschenk: Band 1 holpert. Doch der Rest begeisterte mich, monatelang.

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[schon 2014 erklärt/gepostet:] Privat lese ich gern Thriller und Krimis – habe aber große Probleme mit:

  • …deutschen TV-Produktionen (auch “Tatort”)
  • …Procedurals / Krimi-Reihen / zu viel Schema F
  • …Autoren, die ihren Detektiv oder Bösewicht als Übermensch zeichnen
  • …schrulligem und reaktionärem Wohlfühlkram wie “Monk”

ca. 30 Referenzen: Krimi-/Thriller-/Spannungszeug, das ich mag:

“Veronica Mars”  |  Greg Rucka  |  Profiler (z.B. in “Millennium” und “Profiler”)  |  “In Cold Blood” und ähnliche True Crime-Titel  |  Noir  |  Hitchcock  |  “der Feind in meinem Bett”-Thriller und Domestic Suspense  |  “24”  |  „The Americans“  |  Ed Brubaker  |  “Twin Peaks”  |  femmes fatales  |  Satiren wie “Desperate Housewives”  |  Agenten, gern schrullig (“Spooks”, “Queen & Country”, “Mit Schirm, Charme und Melone”)  |  “Wild Things”  |  Cyberpunk und Urban Fantasy  |  Patricia Briggs’ “Mercy Thompson”-Romane  |  “Gotham Central”  |  “Panic Room”  |  “Mulholland Drive”  |  “American Psycho”  |  „Blacksad“

Kritik & Fazit: Queeres Literaturfestival „Empfindlichkeiten“ am Literarischen Colloquium Berlin

Masha Gessen und Ricardo Domeneck beim Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 16.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

Masha Gessen und Ricardo Domeneck beim Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 16.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

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Artikel in der taz (Stephan Hochgesand)
Audio-Feature bei WDR 5 (Jenni Zylka)
ausführlicher Blogpost (Englisch) von Übersetzerin/Bloggerin Katy Derbyshire
wurstig-desinteressierter Blogpost von Joachim Bessing
Fotos (Instagram)

Eröffnungsrede & Interview mit Thorsten Dönges (Künstlerische Leitung)
Interview mit Samanta Gorzelniak (Künstlerische Leitung)
Interview mit Ronny Matthes (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für „Empfindlichkeiten“

kurz vorgestellt: die literarischen Texte der Autor*innen
ausführliche Zitate: die persönlichen Statements/Texte der Autor*innen
drei Diskussionsrunden, Tag 2
drei Diskussionsrunden, Tag 3
Mainstream- oder Nischen-Veranstaltung? Blick aufs Publikum

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Vom 14. bis 16. Juli 2016 lud das Literarische Colloquium Berlin über 30 Schriftsteller*innen ein, öffentlich über Homosexualitäten in der Literatur und ihr eigenes Selbstverständnis als queere Schreibende zu sprechen: ein Literaturfestival mit Lesungen, Vorträgen, Panels, Performances und Konzerten.

„Empfindlichkeiten“!

Ich begleitete das Festival als Blogger, sammelte Stimmen, führte Interviews, schrieb Texte und bereitete Inhalte und Momente für Facebook, Twitter und Instagram auf. Katy Derbyshire schreibt: „The best place at the moment to find out what happened is the #Empfindlichkeiten tag at Stefan Mesch’s blog. Stefan was slogging away to document the panel discussions and events, posting interviews with writers and participants, and generally giving a really good impression of the festival. Great work!“ Vielen Dank!

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Zum Abschluss, heute: mein Fazit als Literaturkritiker/Journalist.

Lose Notizen & Gedanken zu drei Tagen Festival – den Stärken, dem Potenzial und den Problemen.

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01_Angenehm kurze literarische Lesungen: An zwei von drei Festival-Abenden wurde Prosa/Lyrik vorgetragen, je 11 bis 15 Autor*innen, zwei Stunden und länger. Das wird hastig, fürchtete ich; zumal bei nicht-deutsch- oder nicht-englischsprachigen Autor*innen nach einer Passage im Original auch noch die englische Übersetzung nachgereicht wurde; gelesen von Katy Derbyshire oder Cameron Mathews. Tatsächlich aber hatte ich großen Spaß, in ungewohnt schneller Folge 11, 12, 15 Kurzlesungen zu hören – entschieden mehr, als 30, 50 Minuten Zuhör-Zeit mit einer einzigen Stimme/Text verbringen zu müssen: Die guten Texte waren Appetizer, machten Lust. Und was mir nichts gab, war nach zehn Minuten vorbei. Gern wieder!

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02_Marlen Pelny las holprig. Gunther Geltinger stolperte immer wieder über seine Sätze. Raziel Reid las im leiernd-melodiösen, auf mich zu affektiert wirkenden Tonfall, in dem fast alle nordamerikanischen Männer Prosa vortragen: ein schlaffer Singsang. Aber: Marlen Pelny gab danach ein Konzert. Geltinger war schlau, wach, ein Gewinn fürs Festival. Und Reid sagte im Diskussionspanel viel Kluges. Ich mag, wenn Autor*innen auf Festivals mehr als einen Auftritt haben, mehr als eine Rolle spielen. Nicht jede*r kann alles. Doch jede*r hatte bei „Empfindlichkeiten“ Chancen, einen schlechten Eindruck oder ein schwächeren Text auszugleichen.

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03_Ich mochte, wie leidenschaftlich und präsent Thorsten Dönges durch die Tage führte: Er wirkte nie gehetzt oder aufgeregt – doch jede Geste machte klar, wie sehr ihm diese Begegnungen am Herzen liegen. Mit-Kuratorin Samanta Gorzelniak schien mir sehr aufmerksam, alert, eine gute Zuhörerin/Gastgeberin… ich wünschte nur, sie hätte öffentlicher gesprochen, moderiert, sich selbst mehr Raum als Expertin genommen. Und: Ich denke, die Kellner*innen und das Catering, die LCB-Belegschaft und die Technik sind zum Großteil heterosexuell. An keiner Stelle aber hatte ich den Eindruck, dass jemand amüsiert, exotisierend, von oben herab auf Autor*innen und Publikum blickt: „Huch. Heute haben wir vielleicht Leute hier bei uns im Haus… interessant!“ o.ä.

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Empfindlichkeiten-Festival, 2. Festivaltag, 16.07.2016, Literarisches Colloquium Berlin

Ahmed Sami Özbudak. Foto: Tobias Bohm

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04_Es gab sechs große Diskussionsrunden – je vier bis sechs Auto*rinnen, dazu Moderation, ca. 70 bis 90 Minuten, je zweimal zum Stichwort „Körper“, „Maske“, „Schrift“. Die drei Begriffe waren zentral für Hubert Fichte, dessen „Geschichte der Empfindlichkeit“ auch für den Namen des Festivals Pate stand. Doch besonders bei „Maske“ führte das zu mürben Grundsatzdebatten um Begrifflichkeiten, Definitionen. Autor*innen, Akademiker*innen legen oft jedes Wort auf die Goldwaage. Fünf, sechs von ihnen einen Begriff wie „Maske“ vorzusetzen, muss in Geschwafel enden. Das nächste Mal vielleicht lieber… eine offen formulierte Frage, als Motto/Leitbegriff der Runde?

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05_Meine beiden Lieblingspanels hatten nur vier Autor*innen (Freitag: „Körper“ mit Perihan Magden, Roland Spahr, Antje Rávic Strubel, Michal Witkowski; Samstag: „Körper“ mit Niviaq Korneliussen, Masha Gessen, Izabela Morska und Ricardo Domeneck; Zusammenfassung hier und hier). Gessen war so wortkarg, dass ich in 70 Minuten nur drei Menschen (plus Moderator) kennen lernen musste – viel schöner als die Sechser-Runden, auf denen jeder Gast zwei Sätze spuckt, dann wieder Statist*in bleibt, ohne Zeit für Wortwechsel, Dialoge, längere Gedanken. Mir gefällt, dass das Festival fast allen vorlesenden Autor*innen auch einen Platz in Diskussionspanels bot. Doch die Zusammensetzungen schienen beliebig, die Panels überfüllt, und viele Gäste gingen unter/blieben blass.

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06_Großartig, während der sechs Panels immer neu zu sehen: Abdella Taia, Angela Steidele, Saleem Haddad hören den Kolleg*innen interessiert, respektvoll zu, im Publikum und melden sich später mit kurzen Kommentaren, Fragen. [Auch Joachim Helfer, Kristof Magnusson und Hilary McCollum sah ich dauernd – sie kommentierten nur weniger.]

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07_Es waren deutlich mehr Männer als Frauen geladen – und einige Autor*innen blieben lange still. Besonders von Suzana Tratnik und Sookee hörte ich auf Panels fast nichts (Sookee war später, beim Vortragen/Rappen, toll). Masha Gessen, für mich der stärkste journalistische/literarische Text im Vorfeld, wirkte lustlos. (Bei den Männern gingen für mich Ahmet Sami Özbudak und Jayrome C. Robinet etwas unter.) Falls es ein Folge-Festival geben wird: mehr Frauen – und unbedingt Bedingungen schaffen, in denen sie mehr/länger sprechen können und wollen.

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Empfindlichkeiten-Festival, 2. Festivaltag, 16.07.2016, Literarisches Colloquium Berlin. Foto: Tobias Bohm

Hilary McCollum. Foto: Tobias Bohm

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08_Unter den Besucher*innen gab es kaum Teenager. Kaum Studierende. Ich sah keine englischsprachigen (Nur-) Besucher*innen (…obwohl fast jeder Satz auf Englisch gesprochen wurde). Auch Frauen 50+ – sonst: auf Lesungen das Gros des Publikums – fehlten. Interessant, dass ich (auch abends) keine schwulen/lesbischen Zärtlichkeiten und Public Displays of Affection sah. Nur zwei (ältere) heterosexuelle Pärchen, die sich küssten und streichelten.

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09_2008 war ich Mitglied der Künstlerischen Leitung von PROSANOVA. Es gibt keine perfekten Festival-Autor*innen – man wägt beim Einladen immer ab: Wer schreibt toll? Wer ist bekannt? Wer kann über seine Arbeit gut öffentlich sprechen? Wer ist nett? Wer ist Geheimtipp/Entdeckung? Und dann: Bitte auch eine große Bandbreite, Diversity, ausgewogenes Geschlechterverhältnis, interessante Unterschiede. „Empfindlichkeiten“ löste, balancierte das recht gut – alles in allem.

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10_Mein Musikgeschmack ist recht eng/einseitig – deshalb ließen mich die vier, fünf Konzerte im Lauf des Festivals recht kalt. Aber: sehr gut, dass es sie gab! Genau wie das Orakel/Puppenspiel, der Auftritt der Drag Queen und, besonders, Künstlerin Martina Minette Dreier, die wie eine Gerichtszeichnerin Gäste und Besucher*innen skizzierte, portraitierte. Ich war lange in Toronto und mag Drag-Queens, die energisch, bitchy, dramatisch performen, moderieren oder lipsynchen. Das eher pointenlose Zwischenspiel der Drag Queen Oszillar am Eröffnungsabend erschien mir schlaff/lapidar – und drittklassig. Gern wieder Drag-Acts. Doch das geht besser!

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11_Ich kenne nur Festivals, bei denen zehn bis fünfzig Mitarbeiter*innen hochnervös in einem Festivalbüro jonglieren, schwitzen, kämpfen. „Empfindlichkeiten“ hatte einen entspannten Büchertisch, solides Catering, jederzeit ansprechbare Gastgeber. Sympathisch, dass LCB-Leiter Florian Höllerer am Samstag noch bis Mitternacht Equipment und Bühnenteile durch den Garten schob/trug – doch selbst dabei schien niemand zu schwitzen: Das Festival war… fast surreal professionell. Hotels, Flüge, teilweise Dolmetscher*innen… Autor*innen, tagelang betreut – und ich sah nichts stocken, missglücken. Respekt!

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Marlen Pelnys Band Zuckerclub. Foto: Tobias Bohm

Marlen Pelnys Band Zuckerclub. Foto: Tobias Bohm

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12_Hubert Fichte gehört zu meinen Lieblingsautoren: 2007 las ich fünf seiner autobiografische Romane. Trotzdem irritiert mich, dass er (nur) auf den ersten Blick absurd zentral fürs Festival wirkte: Er ist auf dem Begrüßungsbanner abgebildet, der Programmtext besteht aus einem sehr langen Zitat, der Festivalname verweist auf die „Geschichte der Empfindlichkeit“. Während des Festivals spielte Fichte dann kaum eine Rolle: Viele Autor*innen, besonders aus dem Ausland, kannten ihn nicht oder wollten nichts über ihn sagen; die Ausstellung der Leonore-Mau-Fotos wirkte recht nebensächlich (…liegt sicher auch am Internet: zehn, fünfzehn großformatige Fotos, das hat für mich seit Google, Tumblr wenig Schauwert); und ich verstehe, dass Fichte ein wichtiger Gast am LCB war, 1963 – aber dann vielleicht doch lieber: ein Expertenvortrag von Roland Spahr; ein ausführlicher Flyer zu den Fotos; eine Website mit allen LCB-relevanten Zitaten/Passagen aus Fichtes „Die zweite Schuld“. Und: Kathrin Röggla ist in meinen Top 10 der angenehmsten, menschlich tollsten Auto*rinnen – doch ihre Fichte-Rede am Eröffnungsabend hat mich (…als jemand, der Fichte halbwegs kennt, sehr mag) überfordert: Ich konnte Röggla erst folgen, als ich die Rede nochmal schriftlich vor mir hatte. Ich höre Röggla gern frei sprechen. Ihre Texte lese ich mit Leuchtstift, Textmarker. Doch wenn sie eigene Texte laut verliest, bleibt für mich nie viel hängen.

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13_Ich bin nicht sicher, ob die nicht-deutschen Autor*innen verstanden, wie das LCB funktioniert, was es auszeichnet usw., und so sehr ich mich freue, dass „Empfindlichkeiten“ ein öffentliches Festival war, keine geschlossene Tagung, frage ich mich: Braucht es genauere Fragen oder Aufgabenstellungen, eine Vorbesprechung, ein Briefing? Masha Gessen z.B. hatte offenbar erwartet, mehrere Tage lang Textarbeit/-exegese mit Kolleg*innen zu machen – und schien teilnahmslos oder enttäuscht.

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14_Toll, dass es einen Reader gab mit literarischen Texten (das meiste: in englischer Übersetzung), zum Blättern und Nachlesen. Bei vielen dieser Texte hatte ich das Gefühl, Autor*innen haben ihre lesbischste/schwulste Passage eingereicht, nicht die erzählerisch beste – doch das Lesen, Entdecken machte Spaß. VIEL besser aber fand ich die persönlichen Statements/Poetiktexte, die fast alle Gäste im Vorfeld des Festivals zusammentrugen. Ich las das als digitales .doc – und glaube, öffentliche Reader oder eine Online-Version wären fürs Publikum ein großer Gewinn gewesen [eine Blog-Version ist in Planung, und auch in „Sprache im technischen Zeitalter“ werden die Statements noch einmal verlegt]. Sehr gut: Der Tagesspiegel/Queerspiegel druckte einige Essays im Rahmen der Festival-Berichterstattung. Saleem Haddads Text gehört zu den klügsten und für ein breites Publikum relevantesten – und ich bin froh, dass er so prominent in einer Tageszeitung erschien.

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14b_Mich irritiert, dass Niviaq Korneliussen in Diskussionen wortgleich die selben Sätze sagte, die sie im Statement / Essay formuliert hatte. Sie wirkte sympathisch, souverän – doch ich unterschätze oft, wie ungern viele Autor*innen einfach losreden, öffentlich frei erzählen. Wie macht man schreibenden Gästen klar: Alles kann – nichts muss?

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Empfindlichkeiten-Festival, 2. Festivaltag, 16.07.2016, Literarisches Colloquium Berlin

Cameron Mathews. Foto: Tobias Bohm

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15_Gut, dass auf Facebook zu „Empfindlichkeiten“ eingeladen wurde: Ich hatte das Festival online recht früh auf dem Schirm und wurde immer wieder daran erinnert, wie viele Kolleg*innen und Bekannte kommen wollen. Die Infos auf der LCB-Website aber waren mir zu knapp und leidenschaftslos: keine Autor*inneninfos und -Fotos, kein Text über Ausrichtung und Stellenwert/Größenordnung/Zielgruppe des Festivals. Gab es auf dem Festival selbst nochmal ein längeres Programmheft – oder nur die Flyer? Falls nicht: Wer erklärt mir im Vorfeld des Festivals, wer Robert Gillett oder Mario Fortunato sind – und warum ich mich auf sie freuen soll?

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16_Ich wünsche mir Expert*innen für lesbische Literatur, ich wünsche mir Buchtipps, Fundstücke, Begeisterung: Ich habe lesbische Lieblingsautorinnen (z.B. meine Lieblings-Jugendbuchautorin, A.S. King), aber bin kaum anglophil und konnte mit Virginia Woolfs „Orlando“ nichts anfangen. Der schwule Kanon ist dichter: Menschen verweisen auf Wilde oder Henry James oder Walt Whitman oder Marcel Proust. Doch fünfmal auf dem Festival zu hören: „Lesbische Liebe und lesbische Literatur bleiben unsichtbar – mit Ausnahme von… nehmen wir mal… als Beispiel: ‚Orlando‘.“ deprimiert mich. „Orlando“ als Allzweckwaffe, ewig einzige Referenz – das kann nicht alles sein!

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17_Drei Gäste, die mir Mühe machten: Izabela Morska riss die Augen panisch auf und sprach viel zu schnell – bei mir kam nichts an, akustisch/inhaltlich, nie. Als sie am Abschlussabend einen Text vorlas – langsamer, verständlich – war ich ratlos: Ich weiß nicht, warum sie zwei Tage durch Sätze und Assoziationen rast, mit ängstlichem Blick, nervös und wirr. Und: Moderator Joey Hanson schien mir sympathisch – doch er benutzt Uptalk/Upspeak. Zum Ende jedes Satzes hob die Stimme, als stellte er… eine Frage? Das ist irrsinnig… anstrengend? Denn damit wirkt er… läppisch und… unvorbereitet? Er stellte die Bücher und Autor*innen in lustlosen, kurzen Floskel-Sätzen vor, als hätte er Zusammenfassungen aus Wikipedia kopiert. Und fragte ständig auf der Bühne nach, ob er einen Namen richtig ausspricht. Bitte: Lieber vorher fragen! Denn jeder Satz wirkte unsicher, uninformiert… und super-gleichgültig den Texten und Schreibenden gegenüber.

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18_Ich will nie wieder in einem Raum mit dem Poeten sein, der für die flachsten Gedanken zehn Minuten Redezeit braucht – doch jedes Mal genervt die Augen rollt, alles Interesse verliert, wenn jemand anderes spricht. Egoman. Rücksichtslos. Selbstverliebt.

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19_Eine Freundin, die oft auf Festivals eingeladen wird, muss sich gelegentlich zwingen, interessiert, dankbar, demütig zu wirken: „Für die Veranstalter ist ihr Event das Größte. Aber manchmal muss ich direkt danach zum Bahnhof weiter – habe einfach keine Zeit, mich einzuarbeiten.“ Viele Autor*innen waren sehr präsent, respektvoll, interessiert: Luisgé Martin… obwohl er ohne Übersetzerin wenig verstand. Ricardo Domeneck… der auf Facebook oft polemisch misanthrop klingt, doch das ganze Festival über herzlich und geistreich wirkte. Edouard Louis… kritisch, aber ohne Allüren. Die Moderator*innen stellten fast nur weiche, freundliche Fragen. Niemand aus dem Publikum wollte sich mit Besserwisserei oder Polemik profilieren. Ich fand EINEN Gast unerträglich. Und zwei, drei weitere Autor*innen eher saturiert, gelangweilt. Doch überraschend viele Beteiligte hatten grandios großen Respekt vor dem Festival – und voreinander.

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20_Sollte ich einen längeren Artikel schreiben über die Poetiken und Standpunkte des Festivals, der Text würde von Abdella Taia handeln, Alain Claude Sulzer, Kristof Magnusson und Raziel Reid. Ich sage oft, dass mich klassische Fantasy-Konflikte wie „Herr der Ringe“ deprimieren – weil die Figuren fast nur um Leib und Leben fürchten, fast alle Probleme auf den banalsten untersten Stufen der Maslow-Pyramide bleiben: „Habe ich Essen?“, „Obdach?“, „Sind die Pferde gefüttert?“, „Reicht der Proviant?“ Am Eröffnungsabend hielt Abdella Taia eine (zu) lange Rede über die Entbehrungen, Verluste, den existentiellen Mangel, den er als junger Schwuler in Marokko erleben musste. Erschütternd. Aber: in simplem, recht kunstlosen Englisch und ohne komplexere psychologische Nuancen. Ein trauriger, einfacher Erklär-Text – der mir die Augen öffnet, aber nichts mit meinen eigenen, abstrakteren Baustellen zu tun hat, die viel höher auf der Bedürfnispyramide liegen: privilegiertere Fragestellungen, Selbstverortungen von queeren Thirtysomethings, die nicht um Leib und Leben fürchten. Magnusson und Reid schienen mir am wachsten, interessiertesten an aktuellem queeren Mainstream, an den Konflikten und Bruchstellen von Wohlstandskindern, den medialen Kulturkämpfen um queere Identität: Wonach schwule Männer in Marokko hungern, will ich lesen, aufnehmen, verstehen. Doch schreiben kann ich besser, wonach in meiner Welt gehungert wird. Älteren Autoren wie Sulzer, schien mir, sind solche Nachgeborenen-Diskurse eher fremd: Identity Politics. Queere Jugendbücher. PC. Schwulsein auf Tumblr. Die Strahlkraft glücklicher schwuler Pärchen in einer Sitcom oder Seifenoper. 50 Geschlechts-Optionen bei Facebook. Klingt alles erstmal läppisch – doch ich glaube, wir brauchen Essayist*innen, Erzähler*innen, Kulturbeobachter*innen – die erklären können, warum es große Fässer öffnet.

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lcb empfindlichkeiten literaturfestival stefan mesch

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zum Blog: Hin und wieder – drei-, viermal pro Jahr – begleite ich eine Lesung, Buchmesse, ein Festival oder andere literarische Events journalistisch, als Blogger. Als-Blogger-Berichten ist eine Sonderrolle, die mir auf Live-Veranstaltungen sehr liegt: Ich spreche auch gerne auf Podien oder moderiere – doch „nur“ im Publikum zu sitzen, ist mir zu passiv. Als Blogger kann ich Interviews führen, Bücher finden/vorstellen und für/mit einer größeren digitalen Öffentlichkeit über Fragen, Programmpunkte und Ideen sprechen – öffentlich, online.

Ich mochte „Empfindlichkeiten“ sehr. Habe drei Tage lang dokumentiert, gesammelt, zugehört. Nach Abschluss, jetzt, will ich noch einmal kritischer Bilanz ziehen: Festivals sind viel aufwändiger, teurer als das Verlegen einzelner Bücher. Doch wenn Buch- und Literatur-Macher Festivals planen, haben sie oft das Gefühl, viel weniger zu erreichen: ein paar höfliche Besucher, dankbare Gäste, wenige Artikel und Blogposts. Ich weiß, wie sehr ich mich selbst als Veranstalter jedes Mal nach Feedback, Texten, Dokumentation sehne. Und nahm mir deshalb vor, für „Empfindlichkeiten“ vor allem mit den eingeladenen Autor*innen und Gästen zu sprechen. Text zu schaffen. Dokumentation. Bleibendes.

Für ein Festival bloggen, das heißt: Ich erhalte eine Aufwandsentschädigung und sehe mich, generell, „im Dienst“ des Festivals. Ich halte fest, was mich interessiert, was mir gefällt und zeige in Texten, Snapshots, sozialen Netzwerken, womit/wobei ich mich wohl fühle und was ich im Programm spannend oder relevant finde. Für Kritik ist Platz. Doch ich bin Journalist, Literaturkritiker – und ein Buch bespreche ich lieber in Zeitungen, oft mit einer gewissen Härte. Und immer: Im Wissen, dass ich das Buch einschätzen kann, verstehe, überblicke. Literaturfestivals kann man schlecht überblicken, völlig verstehen, komplett einschätzen:

Jede*r Besucher*in erlebt andere Programmpunkte, hat andere Begegnungen, viel mehr Bewegungs- und Spielräume als beim Lesen eines Texts. Und: Festivals werden von Menschen gemacht, die MONATE ihres Lebens opfern. Es allen Recht machen wollen. Super-angespannt sind und tausend Bedürfnisse und Ansprüche berücksichtigen, gewichten müssen.

Ich finde es wichtig und legitim, als Privatperson in meinem privaten Blog nach Ende des Festivals öffentlich zu sagen: „Dieser EINE Gast war für mich unerträglich.“

Ich fände es legitim, denselben Satz auf den offiziellen Festivalblog zu stellen, während des Festivals – aber: lieber, wenn ich einer von mehreren Blog-Autor*innen bin, eine von mehreren Stimmen. Und ich verstehe, falls der Gast danach die Festival-Leitung fragt, warum er attackiert wird – auf einer Plattform des Festivals.

Ich finde es auch legitim, als Journalist für eine Zeitung über ein Festival zu richten. Aber: Dann wird aus „Stefan Mesch hasst den Lyriker, der nicht zum Punkt kommt“ schnell „DIE ZEIT attackiert einen Lyriker und das Festival, das ihn eingeladen hat.“ Alles denkbar. Aber: verschiedene Schwerpunkte, verschiedene Rollen.

Bei „Empfindsamkeiten“ war ich sehr gern Blogger.

Das Festival für eine große Zeitung zu erklären und zu filtern, nach den Bedürfnissen, Interessen und dem Wissensstand eines Hetero-Mehrheitspublikums, hätte mir weniger Spaß gemacht.

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Internationales Festival "Empfindlichkeiten" 2. Festivaltag

Empfindlichkeiten-Festival, 2. Festivaltag, 16.07.2016, Literarisches Colloquium Berlin. Foto: Tobias Bohm

Queer Young Adult Literature, 2016: Raziel Reid

Raziel Reid

Raziel Reid

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Raziel Reid is a Canadian novelist and journalist living in Vancouver – and he both spoke and read at the 2016 “Empfindlichkeiten” Literature Festival in Berlin.

His young adult novel „When everything feels like the movies“ (2014) was awarded the 2014 Governor General’s Literature Award for Children’s Literature. The German edition, „Movie Star“ was published by Albino (2016).

Raziel’s Web Site  |  Raziel’s Twitter  |  Wikipedia  |  Instagram

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01_If someone call you „homosexual author“, you…

Show them how well I can hold a pen with my asshole.

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02_The most memorable moment of queerness in your childhood:

As a child I had an affair with a neighbour boy. The experience made its way into my novel Movie Star. He lived next door to my grandparents who were very religious. While my grandmother was upstairs in the kitchen baking pies for church charity events, he and I would be downstairs in the basement “playing”. We were nine or ten years old. There was a small fear that we might be caught, so we knew we were doing something worthy of getting in trouble for, but there was no shame. It was before society had gotten into our heads and made us self-conscious. It was instinctual and very passionate. I loved him.

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03_A queer book that influenced you (how?)…

„Faggots“ by Larry Kramer was a quite stunning moment of my youth and inspired me to move to New York City. It introduced me to the queer underground world and helped me realize my life could be much more than what I’d been raised to believe it could be as a God-fearing Catholic boy. Kramer became my new God, and I’ve been a faithful disciple ever since.

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04_A different piece of queer culture (no book: something else) that influenced you (how?)…

I remember when Will & Grace started airing on TV in the ‘90s. It was the first time I’d seen gay characters. I knew I was gay but wasn’t yet comfortable with my identity. It was both a liberating and shameful experience. I grew up in a small Canadian town. My dad was so uncomfortable when Will & Grace came on he’d leave the room. My mom seemed to like Will, but was embarrassed by the more flamboyant character Jack. Early on it was in my head that it’s better to be a more “straight acting” gay guy like Will than to be effeminate like Jack, an idea which is still perpetuated today. So many gay guys on hookup apps are looking for “straight acting only” and “no fems”.

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05_In book stores, THESE are the authors/artists that you’d feel most honored to be placed next to:

Chuck Palahniuk, Ira Levin, Dennis Cooper, the Bible.

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06_A queer moment you’ve had in Berlin (or anywhere in Germany) that you’ll remember for a long time:

I spent this spring in Berlin, and during my first week here I attended the launch of Matt Lambert’s zine Vitium, which was published by my german publisher Bruno Gmünder. The launch was at Tom’s Bar which is rather infamous, and so I was introduced to the underground scene in Berlin and its artists while watching a live sex show. Quite memorable. I think I’ll have a live sex show at all my future launches!

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07_Name some experts, authors, activists, name some places, institutions and discourses/debates that formed/informed/influenced the way you see and understand queerness – and yourself:

During my youth Warhol’s factory was the first queer scene I became interested in. Warhol said, “In my movies, everyone’s in love with Joe Dallesandro” and everyone watching was too! I loved reading about all the Superstars and was emboldened by characters like Candy Darling and Holly Woodlawn. I felt like such a freak in my hometown, and they celebrated their freakiness — it’s what made them shine.

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08_Name some experts, authors, activists, places, institutions and debates/questions that deserve more recognition/need more love:

I recently read One-Man Show by Michael Schreiber which is composed of interviews with the 20th century New York artist Bernard Perlin. He was a fascinating personality and visionary, I enjoyed learning about his life very much. He was connected to many other queer figures like Paul Cadmus, Glenway Wescott, George Platt Lynes, Denham Fouts, and had interesting anecdotes to share about them all. Perlin is underrepresented. He evaved the AIDS plague while living in Greenwich Village when it first hit that community. His survival alone is heroic and worthy of investigation. I’m fascinated by tales from gay artists who lived through the epidemic. The amount of loss they’ve experienced, and the way it shaped them and their work is something which should always be honoured.

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09_Is there a queer figure/personality, a celebrity or a queer story/phenomenom that is very visible in the mainstream culture – and that makes you happy BECAUSE it is so visible?

James Franco is cool. He transcends sexual orientation which is very Hollywood, many people in the industry have fluid sexualities but they’re not all as open and willing to promote it the way he does out of fear of losing out on roles.

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10_If universities/academics talk about queer topics, you often think…

If only they had an imagination.

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11_A person (or, more general: an aspect of personality or appearance) that you find very sexy?

Gore Vidal because he stood up for what he believed in, and even when his beliefs were attacked or garnered him negative attention (as they often did), he didn’t back down. I admire his style.

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12_Are you queer? How does your queerness inform/relate to/energize your art? And, on the other hand: Has your queerness ever been in your way or be a difficulty for you?

I’m privileged to be from a progressive country, Canada – where my sexuality has helped propel my career forward. My first job as a writer was for a queer newspaper, my debut novel is an LGBT teen story and was originally published by a Canadian press known for its queer content and run by two gay men. My sexuality has served as a foundation for my literary work.

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13_There’s a video campaign that wants to prevent depressed queer teenagers from commiting suicide, „It gets better“. DOES it get better? How and for whom? When did it get better for you? What has to get better still?

“It” doesn’t get better. This world will always try to hurt you. What gets better is you. As you get older and find your footing you become wiser and more resilient.

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all my 2016 interviews on Queer Literature:

…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: „Empfindlichkeiten“ Festival 2016:

Thorsten Dönges – Künstlerische Leitung des queeren Literaturfestivals „Empfindlichkeiten“, Literarisches Colloquium Berlin

Thorsten Dönges, Literarisches Colloquium Berlin, Foto von Mandy Seidler

Thorsten Dönges, Literarisches Colloquium Berlin, Foto von Mandy Seidler

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In all times men have been in love with men, women with women.

As E.M. Forster wrote: „There always have been people like me and there always will be“.

Christopher Isherwood called EM Forster the great prophet of our tribe. So have these people really aways been forming one tribe? One community? Or is it much more complicated?

I am glad that so many writers, scientists, translators, friends are joining our festival „Empfindlichkeiten“. In our times, there is maybe something many [queer] people might have in common. It is the experience of what we call Coming Out – and usually you don´t tell your Mama: „Listen, Mama, I am hetero, but don´t be sad or angry…”

Maybe these people even in our days are the people who know how it feels to look different or to walk hand in hand with another person and to be afraid of hostile reactions. There still is homophobia and there is transphobia – in Africa, Russia and Orlando. And in Europe, Germany and Berlin.

We have asked the participants of this festival, writers and scientists, to write short essays on our subject. Many of the essays we received reflect on political questions, on history and they think about which writers could be part of a kind of queer literary tradition. And there is the discussion, how integrated and normalized – or how dissident, subversive and radical queer life should be these days.

…and let me celebrate those who have made this festival possible, with their work, their enthusiasm, their help:
Thank you Samanta Gorzelniak. Christine Wagner, Laura Ott. Mandy Seidler. Samuel Matzner. Yann Stutzig. Ronny Matthes. Christian Schmidt. Thank you Florian Höllerer. Thank you, dear colleagues. Thank you Siegessäule for being our media partner! Thank you: JAK Slovenian Book Agency, Pro Helvetia. Canadian Embassy. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. S Fischer Stiftung. Kulturstiftung des Bundes

Thorsten Dönges‘ opening speech – shortened version

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 16.07.2016, Berlin. Foto von Tobias Bohm.

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 16.07.2016, Berlin. Foto von Tobias Bohm.

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Thorsten Dönges, geboren 1974 in Gießen, studierte Germanistik und Geschichte in Bamberg. Seit 2000 ist er Mitarbeiter des Literarischen Colloquiums Berlin, wo er im Programmbereich insbesondere für die neuere deutschsprachige Literatur zuständig ist.

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Ich habe das Literaturfestival „Empfindlichkeiten“ als Liveblogger begleitet; und sprach kurz vor Eröffnung mit Thorsten Dönges über Vorgeschichte und Ursprünge des Programms. Samanta Gorzelniak, Thorstens Partnerin in der Künstlerischen Leitung des Festivals, hat schriftlich auf meine Fragen geantwortet (Link hier). Mit Thorsten hatte ich ein zwangloses Gespräch. Hier ein – gekürztes – Protokoll/Transkript:

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Thorsten Dönges: Vor ein paar Jahren las ein Münchner Schriftsteller, Hans Pleschinski, hier am LCB aus seinem Thomas-Mann-Roman “Ludwigshöhe”. Es geht um alles Mögliche: Düsseldorf, die Aufarbeitung deutscher Vergangenheit… und eben auch: eine schwule Liebesgeschichte. Am nächsten Tag stand ich in der LCB-Küche. Und ein Kollege sagte, ganz freundlich: “Das war ja ein schwuler Abend, gestern.”

Da machte es Klack. Niemand würde nach einem Abend, bei dem ein Buch mit heterosexueller Liebesgeschichte vorgestellt wird, sagen: “Was für ein Hetero-Abend gestern. Schon spannend!” Mir wurde klar, dass die Rezeption einfach anders ist – und damit sicher auch der Schreibprozess. Autoren fragen sich: “Für wen schreibe ich das? Wer wäre vielleicht sogar dagegen, falls in meinem Roman ein Frauenpaar auftaucht?” Was macht das mit dem Text – mit der Produktion, und mit der Rezeption?

Es gab so viele Abstimmungen in den letzten Jahren: Ein Land führt die Ehe für alle ein. Andere lehnen sie ab. Schriftsteller beobachten das sehr wach. Sie nehmen daran teil – doch wie mischt man sich ein, als Autor? Dichter in Russland, deren Arbeit dann plötzlich als jugendgefährend gilt, als homosexuelle Propaganda… das sind so unterschiedliche Arbeits- und Schreib-Bedingungen…

„Autorentreffen“, das heißt: 20 oder 30 Leute sitzen um einen Tisch und sagen “Mir geht es folgendermaßen, als lesbische Autorin” – “Mir geht es anders. Ich will gar nicht so sehr als lesbische Autorin wahrgenommen werden.” – “Ich aber sehr wohl! Ich kämpfe total.” Das fand ich spannend – aber nicht spannend genug. Also sagten wir: Wir machen ein Festival. Wo dieser Austausch vorkommt. Aber eben auch: Performances, Musik, Lesungen – ein größerer Rahmen.

Hubert Fichte fragt in „Die zweite Schuld“: Gibt es einen Stil der homosexuellen Literatur? Henry James, dieses indirekte Sprechen… und das ist unser Aufhänger, als These und kleine Provokation. Klar, dass niemand antwortet „Zeig mir fünf Zeilen eines Schriftstellers und ich weiß: Sie ist lesbisch – oder eine Hetera mit acht Kindern.“ Doch als Gedankenspiel, um die Diskussion zu öffnen, fand ich Fichtes Frage interessant. Warum überhaupt Fichte? Ich weiß: Er wird selten übersetzt und hat international wenig Einfluss. Aber seine Geschichte mit dem LCB… in „Die zweite Schuld“ gibt es dieses große Interview mit Walter Höllerer. Er schreibt über die Anfänge des Hauses und die etwas niedliche Art, eine Schreibschule zu installieren.

Was mich herausforderte: Fichte liebt die Provokation – und denkt, die sind dort eigentlich alle… Fichte hatte überall diesen Homophobie-Verdacht: bei Grass und all den Lehrern hier. Er konfrontiert sie alle damit. „Wie haltet ihr es eigentlich so mit Arschfickern?“ Das wäre ein Satz, den er benutzt hätte, 1963. Und gerade das wieder hier ins Haus reinzubringen, fand ich sehr…

Ich hätte gern noch Alan Hollinghurst hier gehabt: Er schreibt an einem neuen Buch und sagte sehr britisch-freundlich ab. Genauso Ali Smith. Murathan Mungan, der wichtigste… ein enfant terrible in der Türkei. Meine Ko-Kuratorin Samanta Gorzelniak und ich haben uns gut ergänzt. Uns beiden lagen Autor*innen am Herzen, die der andere noch gar nicht kannte. Ich selbst mag Gunther Geltingers Bücher und freue mich sehr, dass er dabei ist. Antje Rávic Strubels aktuelles Buch, „In den Wäldern des menschlichen Herzens“, ist großartig. Aber das ist gemein: Wenn ich jetzt einzelne heraushebe.

Ich hatte noch nie vor einem Projekt so viel Respekt – denn irgendjemand fühlt sich immer ausgeschlossen. Oder alle sagen: „Kalter Kaffee: Wir haben doch schon Gleichgestellung.“ Doch die Reaktionen und die Essays und Statements der eingeladenen Autor*innen fand ich großartig – wie viel Herzblut. Und auch, 2016: wie viel Ratlosigkeit.

Wir wollten anfangs ein europäisches Festival. Asien, das wäre nochmal ein ganz anderes… das hätte mich überfordert. Aber dann weitete es sich aus: Wir wollten nach Russland schauen. So kam Masha Gessen ins Spiel – die aber in New York lebt. Dann Ricardo Domeneck – der aus Brasilien kommt, aber in Berlin lebt. Das waren finanzielle Grenzen. Am Anfang schrieben wir von „europäischen Autor*innen“. Jetzt sind wir international. Man könnte auch Michael Cunningham aus den USA einladen. Leute aus Vietnam, Thailand. Wäre sicher spannend – was Japaner zu unseren Fragestellungen sagen. Ob man überhaupt Leute findet, die gern kämen.“

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all my 2016 interviews on Queer Literature:

…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: “Empfindlichkeiten” Festival 2016:

Samanta Gorzelniak – Künstlerische Leitung des queeren Literaturfestivals „Empfindlichkeiten“, Literarisches Colloquium Berlin

ein schnelles Selfie von Samanta Gorzelniak am LCB

ein schnelles Selfie von Samanta Gorzelniak am LCB

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Queere Literatur – aus Europa und der Welt: Vom 14. bis 16. Juli 2016 veranstaltet das Literarische Colloquium Berlin (LCB, am Wannsee) ein Festival zu Homosexualitäten – “Empfindlichkeiten” (mehr Infos in der Spex und auf der LCB-Website).

Ich begleite das Festival als Liveblogger… und stelle bis Sonntag mehreren Künstler*innen, Autor*innen und interessierten Besuchern kurze Fragen zu Queerness, Widerstand und dem Potenzial homosexueller Literatur.

bisher erschienen Interviews mit…

Katy Derbyshire (Link)  |  Kristof Magnusson (Link)  |  Angela Steidele (Link)  |  Hans Hütt (Link)  |  Hilary McCollum (Link)  |  Saleem Haddad (Link)  |  Luisgé Martin (Link)

…und, aus dem LCB-Team, Ronny Matthes (Link).

Samanta Gorzelniak und Thorsten Dönges sind die Künstlerische Leistung des Festivals.

Samanta Gorzelniak, geboren 1978 in Leipzig, ist promovierte Philologin. Sie übersetzt aus dem Polnischen und forscht über Autorinnen der polnischen Romantik. Samantas Website (Link)

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01_Seit wann planst du – zusammen von mit Thorsten Dönges – das Festival?

Letztes Jahr fragte Thorsten, ob ich an der Konzeption usw. beteiligt sein will. Natürlich wollte ich! Thorsten als… ich sag mal: Buchmensch hat einen etwas anderen Zugang zum Thema als ich – ich habe eine literaturwissenschaftliche Sozialisierung und bin in einer anderen queeren Szene unterwegs, in anderen, sagen wir: Zusammenhängen. Aber unsere Schnittpunkte sind die Literatur – und das Nicht-Heteronormative. Und das ist eine gute Mischung!

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02_Was war Grundidee und -Konzept?

Menschen aus möglichst verschiedenen Kontexten, die schreiben, intensiv lesen und Berührungspunkte / Erfahrungen mit queeren Themen haben, zusammenbringen – und sie miteinander reden, einander kennen lernen zu lassen. Die Gemeinsamkeiten ausloten und sich an Differenzen freuen. Vernetzung. Ich glaube, dass unsere Gäste sich verschiedene Fragen stellen und unterschiedliche Dinge für überholt, aktuell, interessant usw. erachten… das liegt ganz klar am Kontext. Und am Grad der Vernetzung, des Austausches, der Solidarisierung.

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03_Wie hat sich das im Lauf der Planung geändert? Musstet ihr irgendwas umschmeißen oder neu denken?

Als uns das Treffen von AutorInnen zu langweilig erschien und wir über Performances, Musik usw. nachdachten, wurde klar: Es wird einfach öffentlich fett eingeladen, Werbung gemacht – viel Publikum ist willkommen!!

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04_Worauf / worüber freust du dich besonders?

Mit Menschen zu sprechen, deren Texte ich seit Jahren kenne und verehre. Diese widerum miteinander in Kontakt gehen zu sehen. Über viele einander zugewandte, aneinander interessierte, liebevolle Menschen. Über Msoke habe ich mich mächtig gefreut und Hilary McCollum [Q&A hier: Link] – sie haben ihren eigenen positiven Wind in die Veranstaltungen gebracht. Aber hey: alle sind toll!

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05_Warum Hubert Fichte, immer noch? Ist er – nach 50 Jahren – noch immer der prominenteste progressiv queere deutschsprachige Autor? Ist das nicht… traurig/schade? [Das Festival ist nach Fichtes „Geschichte der Empfindlichkeit“ benannt und wurde mit einer Ausstellung der Fotos von Fichtes Partnerin Leonore Mau eröffnet.]

Fichte ist für mich eine Art Aufhänger – und seine Geschichte ist mit der des LCB verwoben, das bietet sich natürlich an. Außerdem hat er kluge Fragen gestellt, die uns auch immer noch bewegen, tatsächlich. Das bedeutet nicht, dass nichts passiert im Laufe der Zeit.

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06_Ein queeres Buch, das dich beeinflusst hat?

Alma von Izabela Morska (damals hieß sie Izabela Filipiak). Es ist nicht ins Deutsche übersetzt. Aber ich bin dran 🙂

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07_Zu viele Menschen denken bei „Homosexualität“ zuerst oder fast nur an schwule Männer. Ich wünschte, stärker in den Fokus rücken…

Transmenschen!

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all my 2016 interviews on Queer Literature:

…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: “Empfindlichkeiten” Festival 2016:

Queere Literatur 2016: „Schrift“, „Maske“, „Körper“ – drei [neue] Diskussionspanels auf dem Literaturfestival “Empfindlichkeiten” (LCB Berlin)

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

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Queere Literatur – aus Europa und der Welt: Vom 14. bis 16. Juli 2016 veranstaltet das Literarische Colloquium Berlin (LCB, am Wannsee) ein Festival zu Homosexualitäten – “Empfindlichkeiten” (mehr Infos in der Spex und auf der LCB-Website).

Ich begleite das Festival als Liveblogger.

Der Freitag Vor- und Nachmittag gehörte drei großen, knapp zweistündigen Diskussions-Panels: “Maske”, “Körper” und “Schrift” [Link zu Statements, Fotos und Infos].

Am Folgetag – Samstag, 16. Juli – starten drei weitere, einstündige Diskussions-Panels: „Schrift“, „Maske“, „Körper“. Fotos vom Festival-Fotografen Tobias Bohm:

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14.00 Uhr: Schrift. Statements und Diskussion – mit: 

Alain Claude Sulzer (Basel)
Dieter Ingenschay (Berlin)
Édouard Louis (Paris)
Raziel Reid (Vancouver)
Kristof Magnusson (Berlin)

Moderation: Nina Seiler

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Statements aus der Diskussion, die mir im Gedächtnis blieben – schnell mitgetippt:

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I think literature is still a perfect art form to negotiate ideas of sexual identity. You don’t have to finance a movie: Writing is fairly cheap – and that’s what makes it so easy to express utopian ideas. – Kristof Magnusson

Young people are building their identities through the internet: There are infinite resources and information. The value of YA literature, now, is really to give them a sense of belonging und a sense of being less alone. – Raziel Reid

Schreiben ist für mich ein ästhetisches Verlangen. Es geht um den perfekten Satz und nichts anderes. – Alain Claude Sulzer.

When we talk about literature, we talk about privileged people: people who have time and energy to read novels. So when we talk about literature, we should always talk about the problems and the failures of literature – the people that literature can’t reach. The words don’t always BUILD us – sometimes, they completely fail. – Edouard Louis

We are never a woman, we are never gay, we are never black – we always fail, and that’s why we suffer: These institutions don’t work. There’s always the gap between us and the language that we’re using. These [labels and standards, for example: the concept/ideal of ‚masculinity‘] never work. And maybe, the suffering comes from this failure, this distance. – Edouard Louis

…and, from the audience, Abdellah Taia remarked how often (supposed) „humour“ is used to belittle, shame and be aggressive against queer people. Taia: „Sometimes, the best thing you can do is to get naked in front of all of them and say: ‚Now you can laugh‘.“

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 16.07.2016, Berlin

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 16.07.2016, Berlin

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Tobias Bohms Fotos vom zweiten Panel:

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15.00 Uhr: Maske. Statements und Diskussion – mit: 

Mario Fortunato (Roma)
Dmitry Kuzmin (Riga)
Suzana Tratnik (Ljubljana)
Luisge Martín (Madrid)

Moderation: Franziska Bergmann

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Statements aus der Diskussion, die mir im Gedächtnis blieben – schnell mitgetippt:

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Re-reading my own texts, I notice that in my writing, I’m revealing myself to myself in some ways that I never knew about. It’s like psychotherapy. – Suzana Tratnik

I’m a writer. I am absolutely gay. But I’m not an absolutely gay writer. I have plenty of other identities. – Luisgé Martin

To me, James Baldwin’s “Giovanni’s Room” is book about heterosexist normativities inherent to both the character and the author, damaging and ruining everything. – Dmitry Kuzmin

The very act of saying “clearly” is problematic. Who is saying that? How can he say that? – Dmitry Kuzmin

We live in this stupid society: The main part is: Expose yourself, be naked, go on television, do something completely stupid so people will talk about you. And writers are forced by the industry to get more and more on stage. Yesterday, an audience member asked us if our publishers ever censored us. But no, on contrary – they say: “Go on! Use strong words and be as vulgar as possible!” I’m sorry – I’m not interested in audiences. I have never in my life written one word thinking about my audience: I write because…. because… because… I don’t know. I like it, it’s interesting and it’s making me money, so I continue: It’s much better than working! Every time a book of mine comes out, I say: No – I don’t want to do any promotion for this book. I do refuse this industry. This kind of mass market. – Mario Fortunato

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 16.07.2016, Berlin

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 16.07.2016, Berlin

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Tobias Bohms Fotos vom dritten Panel:

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17.00 Uhr: Körper. Statements und Diskussion – mit: 

Niviaq Korneliussen (Nuuk)
Masha Gessen (New York)
Izabela Morska (Gdańsk)
Ricardo Domeneck (São Paulo / Berlin)

Moderation: Dirk Naguschewski

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Statements aus der Diskussion, die mir im Gedächtnis blieben – schnell mitgetippt:

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I’m a 26-year old queer female writer from Greenland. Most other Greenlandic writers are male – and over 100. Very masculine writers who write about nature and being a proud Greenlander. Almost everyone in Greenland has read my book – and it’s not about being a proud Greenlander at all. It’s about being queer, and about finding home in countries other than Greenland. – Niviaq Korneliussen

It’s a privilege to talk about queer people openly, in the media. – Niviaq Korneliussen

People have a strange view of Brazil because women get naked there on five days a year. But it’s the biggest catholic country in the world: For women, for blacks and for homosexuals, it’s an extremely dangerous country. – Ricardo Domeneck

When I speak up and write, I often get messages that say: ‚Please don’t bring this disease of political correctness into Brazil‘ – and these messages are always from white heterosexual men. – Ricardo Domeneck

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 16.07.2016, Berlin

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 16.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

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all my 2016 interviews on Queer Literature:

…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: “Empfindlichkeiten” Festival 2016:

Queer Literature, Queer Art: Quotes & Statements

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For three days in July 2016, the „Empfindlichkeiten“ literature festival/conference at the Literarisches Colloquium Berlin invited nearly 40 international writers, scholars, artists and experts to disquss the aesthetics, challenges, politics of and differences within queer literature.

Before the conference, all guests wrote short statements – translated into English by Bradley Smith, Simon Knight, Oya Akin, Lawrence Schimel, David LeGuillermic, Pamela Selwyn, Zaia Alexander and Bill Martin.

I read these statements – a digital file of 67 pages – and compiled my favorite quotes.

It’s a personal selection, and all quotes are part of much larger contexts.

Still: to me, this is the – interesting! – tip of a – super-interesting! – iceberg:

queer literary discourse, 2016.

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm.

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I am certain that my writing would be completely different without my being gay. As a queer young person, you grow up with the awareness of living in a society that isn’t made for you. This influenced a particular perspective that expanded to all aspects. Things that are very important for many people don’t affect me much – but I am very touched by other things for which most people are not sensitive. – Kristof Magnusson

Just at the beginning of my career as a writer, in 1996, I was a guest at the national radio show for young writers. The editor asked me whether I planned to write a novel. He thought I couldn’t really accomplish it because my shovel wasn’t big enough. What he meant was that as »a real writer« one would need a shovel big enough to grasp all the worldly experiences, memories, histries, feelings, etc. not just the minor ones. And being a lesbian, my experiences are rather minor, particular and only autobiographical, and therefore cannot really address the big world out there.
I spent a lot of time writing and fighting against this prejudice that straight writers – being mainly »just writers« without labels – write about the world, but gay, lesbian or queer writers write only or mostly about themselves and their lives, even more, they simply write from within themselves. – Suzana Tratnik

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Joachim Helfer, Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

Joachim Helfer, Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

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To call a prick a prick is an act of self-assertion as a free man. – Joachim Helfer

To bashfully shroud it does nothing to make the vile pure, but may make the pure appear vile. De Sade is the ancestor of a more modern gay style of provocative divestiture. Jean Genet, Hubert Fichte and others (including myself) work from the assumption that even – or especially! – the most indecent exposure of man’s physical existence can but reveal his metaphysical truth: the untouchable dignity of each and every human being. It is this pure belief that permeates contemporary popular gay culture, from Tom of Finland and Ralf König to the anonymous participants in any Gay Pride Parade. – Joachim Helfer

‘Empfindlichkeiten’ – the motto of our conference hurts. In German, this is a charmingly provocative neologism in the association-rich plural form. Yes, we ARE sensitive. We lesbians, gay men and other kindred of the polymorphously perverse. Not just sensitive like artists are said to be, but over-sensitive in the pejorative sense. And we have every reason to be. Not just in all those countries in Eastern Europe or Africa where people like us are once again being, or have always been, marginalized, beaten, raped and murdered. The massacre in a gay bar in Orlando, Florida on 12 June 2016 is sad evidence that homophobic violence remains an everyday occurrence in liberal western countries too. In places like Germany, where it lies dormant alongside gay marriage, it can all too easily be reawakened (AfD, Pegida, Legida). – Angela Steidele

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin

Niviaq Korneliussen, Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

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In Greenland there is no such thing as a literary environment and therefore no literary debates, not to mention literary debates about homosexuality. Of course books in Greenlandic are published every year, but extremely few have an influence on public debates. There are no festivals, no readings, nor reviews on the local medias. That, in general, causes no development among the few Greenlandic writers. Greenlandic books exist only as decorations – students read them in school, only because it’s mandatory. Very few buy them for private use, and when they do, they finish reading them only to hide them in a shelf to collect dust – Niviaq Korneliussen

When my book, HOMO sapienne, was published, people started to use it for debates; politicians used my phrases, scientist used my criticism of the society, homosexuals cherished probably the very first book about not heterosexual people, and readers discussed the context. Schools invited me to talk about my book and I’ve been participating in many cultural events. The reason for that, I think, is because my book is contemporary and relevant and criticizes people who aren’t used to being criticized. Although my book is being discussed a lot, people in Greenland don’t seem to talk about the fact that there are no straight people in it. I don’t consider my book as being queerliteratur, but you can’t bypass that the characters are queer. – Niviaq Korneliussen

[In Spain,] the Franco Regime continued a long tradition of homophobia on the Iberian Peninsula which once had been, at the end of the Middle Ages, long before the so-called Reconquista, a multicultural society where Arabs, Jews and Christians had coexisted quite peacefully. Among the prejudices towards the ‘Moors’ the Christian Emperors liked to highlight their supposed homosexuality, a feature they later transferred to the Native Americans after the terrible Conquista of South America. The prototypical Other was gay, and vice versa… – Dieter Ingenschay

Some critics find a decline in the production of literature with homosexual subjects after 2007, annus mirabilis which brought two important elements of social change: the above-mentioned Law of Equal Rights and the Law of Historic Memory (Ley de Memoria histórica) which was supposed to help working through the crimes of Franco’s dictatorship. These achievements, as some critics say, produced a decriminalization and hence a ‘normalization’ of the life of gays and lesbians. This is partly true, no doubt, but both laws have not yet really translated into social life. Franco’s followers still have great influence, and conservativism, machismo and the secret influence of the Catholic Church (with their disastrous organizations like the Opus Dei) still force thousands of young people to hide their (sexual) identity, especially in the rural parts of the country, – Dieter Ingenschay

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin

Luisgé Martin, Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

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The paradox that all those who are oppressed sometimes feel: the belief that their oppression offers them an extraordinary tool for personal growth and creativity. In Spain, during the 1980s, it became fashionable to cynically state that „we lived better fighting against Franco“ and to insist that censorship forced the great writers to hone their intelligence and imagination. The question could now be reformulated in this way: would gay literature disappear in a hypothetical egalitarian world? Would there cease to be a specifically homosexual creativity when not just legal discrimination, but also social homophobia, disappeared? I don’t think that any reasonable human being would lament that loss, in the case of its ever occurring. – Luisge Martín

Unrequited love. It is a mathematical issue: the homosexual will always be in a minority, will always love he who cannot love him in return. – Luisge Martín

Since the French Revolution at the latest, the entire concept of so-called femininity a genuine masculine, phallological construction, with philosophers, educators, gynaecologists and couturiers responsible for its stability. I consider it more interesting how this construction has more recently been turned inside out in many contexts and also how the artificiality of traditionally highly defined masculinity has been performatively emphasized by women. – Thomas Meinecke

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin

Hilary McCollum, Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

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[…] sexual and romantic relationships between women have been close to invisible. They are largely absent from both the historical record and the literary canon. This absence damages our sense of ourselves, our sexuality and our place in the world. It is as if our lives have been outside the range of human experience until the last fifty or sixty years. We need a lesbian history. But finding it is a bit like searching for buried treasure without a map. There are, however, clues; hints of the past left in diaries, letters and newspaper reports. Novelists are using these glimpses of our lesbian/queer ancestors to rescue the hidden history of relationships between women. For literary historian and novelist Emma Donoghue, writers are “digging up – or rather, creating – a history for lesbians.” – Hilary McCollum

[In Turkey,] there is a predominant attitude along the lines of “Kill me if you like, but DON’T admit that you’re gay.” It’s for this reason that lots of homosexuals get married, and to save face they even have children. […] In other words, homosexuality is still an “issue” which needs to greatly be kept secret, suppressed within the Turkish society. It is a state of faultiness/defectiveness, guilt and an absolute tool of otherization. Especially in Anatolia. I wrote “Ali and Ramazan” to come out against this entire heavily hypocritical, oppressive attitude. – Perihan Mağden

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin

Raziel Reid. Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

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In Canada, where same-sex marriage was legalized in 2005, it can often seem on the surface to be a utopia of acceptance. But as the outrage and protest against my debut Young Adult novel When Everything Feels like the Movies revealed, it’s okay to be gay — as long as being gay means being like everyone else. There was a backlash against the perceived vulgarity and explicitness of the language represented in my novel — language which was often ripped directly from the mouths of the gay youth who composed my inner circle of friends and acquaintances. It appears that in achieving equality in the civilized world, gay culture is being sacrificed. Unity and equality should not have to mean homogenization. The traditions of gay culture for better and worse — the underground camp, irreverence, and brash sexuality cumulative of decades of having been ostracized by mainstream society — is no longer relevant or understood in our modern, equal times. It is therefore the responsibility of LGBT writers to document and immortalize our traditions as our culture shifts so that we don’t lose what makes us unique in order to gain acceptance. Marketing our stories to young readers is paramount to this effort. – Raziel Reid

To be an object of hate speech, to witness floods of hate speech exuded daily by politicians, newspersons, sport coaches, university professors, and clergymen resembles a bad dream. When reading Kafka at thirteen, I experienced a suffocating feeling of immense revulsion and pity. Why was this happening to Gregor? The story didn’t say. But it communicated clearly how vulnerable life becomes as soon as one is transformed into an object of disgust to others. – Izabela Morska

The gay life in Istanbul, as is the case with many others, changed dimension after the occurrences of the GeziPark protests, we can safely say that it has adopted a more organized and daring attitude. The Gay Pride which took place in the summer of 2013, during the GeziPark, was tremendously effusive, and was supported and claimed not only by the gay community, but the heterosexual community also. This great power most probably disturbed the present Turkish administration, for the Gay Pride which took place the following year was met with police raids, and the groups were attacked with gas bombs and the parade suffered a drastic blow. – Ahmet Sami Özbudak

For in an Islamic country, living a free and open homosexual life is unacceptable. If the prevalent Islamic atmosphere increases its intensity and Turkey becomes an even more fanatic Islamic country, the fight for existence for the gay community will become even more difficult. – Ahmet Sami Özbudak

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin

Sookee. Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Tobias Bohm.

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I am so glad to see that there are several young queer rappers and djs who can rely on and collaborate with a scene and multiple protagonists who are much like them. These people like me refuse to use discriminatory, hateful language. They empower themselves by combining the personal with the political and build a language that makes them unique as rappers and outspoken as queer fighters, lovers and dreamers. The rap mainstream has slowly come to the point that we can’t be ignored anymore. There is still separation, but no more negation. – Sookee

I have come to the straightforward conclusion that the homosexuality of the author is not necessarily reflected in the content of his or her work, but rather in the way in which he or she looks out on the world. I am thinking, for example, of writers such as Henry James, E.M. Forster or William Somerset Maugham: in their novels and short stories, you hardly ever come across homosexual content, but it is impossible not to sense their homosexual identity. – Mario Fortunato

The notion of a ‘gay literature’ is a product of precisely these discourses of power. It was invented to cement the idea that real literature is straight. In this scenario, gay literature is a niche product that only those directly affected need to bother about. – Robert Gillett

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin

Angela Steidele. Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

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For some 200 years, a particular variant of violence against lesbians was the assertion that we didn’t exist. Until the mid-eighteenth century, sex between women carried a death penalty just as it did between men. It was in the Enlightenment, oddly enough, that male philosophers, jurists and theorists of femininity became persuaded that sex between women could be nothing more than preposterous ‘indecent trifling’. Trapped in their phallocentric worldview, they abolished the penalties for lesbian sex beginning around 1800, because in their opinion there was no such thing (the English and French penal codes had never even mentioned it in the first place). Women-loving women disappeared into non-existence, reappearing in late nineteenth- and early twentieth-century novels as ghosts and vampires at best, in any case as imaginary beings. […] My work is dedicated to giving the women-loving women of (early) modern Europe back their voices and making their stories known. – Angela Steidele

We have lived through times in which heterosexuals went to great lengths, partially with violence, to separate themselves from homosexuals. As a result, homosexuals began to separate themselves from heterosexuals, a liberation movement that aspired to a life as a supplement to the majority. – Gunther Geltinger

Writing in a homosexual way means not only acknowledging my origin, education, and traditions, but also permanently questioning them. – Gunther Geltinger

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin

Saleem Haddad. Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

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From the word ‘liwat/looti’ (used to refer to male homosexuals and which suggests the act of sodomy), to the female ‘sihaqah’ (which can be roughly translated to ‘grinder’), as well as the word ‘khanith/mukhannath’ (popular in the Gulf and drawing on memories of eunuchs), and finally the word ‘shaath’ (which means queer or deviant), there is no shortage of words to describe homosexual acts in Arabic, though none are positive. – Saleem Haddad

In fact, for many queer Arabs, frank discussions of sex often happen in English or French. Perhaps those languages offer a more comfortable distance, a protective barrier between an individual and their sexual practices. Arabic: serious, complex, and closely associated with the Quran, can sometimes appear too heavy, too loaded with social and cultural baggage. Perhaps this reason may explain why many Arab writers choose to write about their homosexuality in English or French, myself included. English provides us with a safe distance: from our communities, and perhaps in some way from ourselves. – Saleem Haddad

Over the last twenty years of LGBTQ activism in the Arab world, some activists have made a concerted, and somewhat successful, effort to re-appropriate and re-shape the language around queer identities. The word ‘mithli’, for example, which is derived from the translation of the phrase ‘homo’, and which reframes the language from a focus on same-sex practices towards describing same-sex identities, is now seen as a more respectful way to refer to gay and lesbian individuals. However, while the word mithli has caught on in media and intellectual circles, the word for ‘hetero’, ghayiriyi, remains unused—thereby rendering the heterosexual identity invisible, signifying it’s ordinariness, while in turn differentiating the ‘homosexual’ with their own unique word: mithli. Perhaps in recognition of this, some movements, in turn, have sought to move beyond the hetero/homo binaries altogether, by Arab-izing the word ‘queer’ into ‘kweerieh’. – Saleem Haddad

Reclaiming words and finding spaces for our identities in them allows us to take ownership over language. After all, what purpose does language serve if we are unable to modernise it, to mould it, shape it, and, ultimately, find a space for ourselves in its words? – Saleem Haddad

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Foto: Mandy Seidler, LCB

Foto: Mandy Seidler, LCB

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all my 2016 interviews on Queer Literature:

…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: “Empfindlichkeiten” Festival 2016:

Queeres Literaturfestival „Empfindlichkeiten“: das Publikum

 

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Einlass-Stempel beim „Empfindlichkeiten“-Festival

 

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ohne, nachgezählt zu haben… rein nach Gefühl…

merke ich, im Literaturbetrieb:

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  • In Verlagen arbeiten UNGLAUBLICH viele junge Frauen.
  • In Presseabteilungen arbeiten fast NUR (unglaublich nette!) Frauen.
  • Verleger sind fast immer männlich.
  • Im Netz (besonder Twitter & Tumblr) sprechen queere Nordamerikaner*innen über ALLES.
  • Deutlich weniger queere Deutsche machen sich online sichtbar/angreifbar/verletzlich.
  • Deutsche lesbische Bekannte äußern sich online super-selten und sind oft super-zurückhaltend…
  • …und damit leider: super-unsichtbar.
  • Populäre Belletristik wird (fast nur) für Frauen vermarktet, gestaltet.
  • Meine belesensten Netz- und Blog-Freunde sind (fast nur) Frauen.
  • Die Menschen aber, die am lautesten kommentieren, auf ihrem Expertenstatus beharren, auf Facebook laut zetern, sich mit Verrissen profilieren… sind meist (eine Handvoll immergleiche) lesende Männer.
  • Je kleiner die Stadt, desto mehr Enthusiasmus für/Interesse an Lesungen.
  • Aber: Je kleiner die Stadt, desto grauer/älter das Publikum.

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Vieles ist nur ein vages Gefühl:

Ich mag, wenn Menschen nachzählen – und dabei Vorurteile bestätigen oder umwerfen, z.B. über (anspruchsvolle? anspruchslose?) Buchblogs oder Frauen auf Experten-Panels oder das Geschlechterverhältnis im Feuilleton oder LGBTQI-Figuren im Fernsehen.

Mein flüchtiger Eindruck, nach einigen Besuchen am Literarischen Colloquium Berlin: Dafür, dass das LCB *sehr* schick, bürgerlich, herrschaftlich am Wannsee thront, ist das Publikum (immer) recht jung, gemischt, urban. Aber: Dafür, dass „Empfindlichkeiten“ ein explizit queeres Festival ist, sind die Besucher*innen… eigentlich die selben, die ich z.B. auch beim LCB-Sommerfest der kleinen Verlage sehe.

Oder?

Mandy Seiler vom LCB macht „Empfindlichkeiten“-Fotos – und gibt mir Kopien, für den Blog.

Ich sehe DIESES „Empfindlichkeiten“-Foto:

IMG_1679

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…und merke auf den ersten Blick:

Etwas stimmt nicht. SO sah das Publikum aus? Wirklich?

Erst, als ich weiterscrolle, wird klar: Das Foto stammt vom Vortag – und einer Lesung von Judith Hermann. Das Publikum bei „Empfindlichkeiten“ sieht anders aus. Nicht SO anders, dass ich sofort denke „Wow: Alle hier sind garantiert queer!“ Aber eben doch: männlicher, punkiger, less gender-conforming.

Mich freut, dass das auffällt.

Doch mich freut auch, dass es mir zuerst eben nicht auffällt.

Ich sehe das „Empfindlichkeiten“-Publikum – und denke: ein schöner Querschnitt.

Nicht: Nische. Abseits. Schutzraum. Exoten. Minderheit. Sondern: Menschen, wie ich sie auf jeder Sorte Lesung sehen will. Oder in der Schlange im Supermarkt. #diversity #zwanglos

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm.

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm.

Queer Literature, 2016: Luisgé Martin

Luisge Martin. Foto: lizenzfrei, von hier

Luisge Martin. Foto: lizenzfrei

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Luisgé Martin is a Spanish novelist and essayist, born in Madrid, 1962 – and he’s both speaking and reading at the 2016 “Empfindlichkeiten” Literature Festival in Berlin.

Wikipedia (Spanish)  |  Goodreads  |  portrait/profile (Enquirer.net)

„He received a degree in Hispanic Studies from the Universidad Complutense in Madrid and a Master in Business Management from Instituto de Empresa. His first novel “La muerte de Tadzio” (“The Death of Tadzio,” Alfaguara, 2000) was awarded the Premio Ramón Gómez de la Serna. […] He occasionally works as a columnist in various periodicals such as El Viajero, Babelia, El País and Shangay Express.“ [source: Link]

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01_Is there a text that introduces you / gives a good introduction to the topics and issues that you care about?

Alexis ou le traité du vain combat“ by Marguerite Yourcenar

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02_If someone call you „homosexual author“, you…

I say yes, but not only that.

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03_A queer book that influenced you (how?)…

Luis Cernuda’s poetry. It helped me to make from pain.

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04_A different piece of queer culture that influenced you…

Many films: L’homme blessé by Patrice Chéreau, Torch Song Trilogy by Paul Bogart, etc.

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05_Something about homosexuality that you wish you had learned/understood/known earlier……

Everything. When I was fifteen I didn’t know anything about homosexuality.

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06_If your work is placed in book stores, THESE are the authors you’d feel most honored to be placed next to:

Marguerite Yourcenar, Thomas Mann, Oscar Wilde, Manuel Puig…

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07_A queer moment you’ve had in Berlin (or anywhere in Germany) that you’ll remember for a long time:

The kitsch decoration in the first gay bar I got in in Berlin.

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08_Is there a heterosexual ally that you like/value and who you’ve grateful for?

Former Spain’s Prime Minister, José Luis Rodríguez Zapatero, who approved gay marriage in Spain.

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09_Is there another guest/author at „Empfindlichkeiten“ you’re particularly looking forward to? (why?)

Abdelah Taia and Edouard Louis because of their books.

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10_Is there a queer phenomenom that is very visible in the mainstream culture – and that makes you happy BECAUSE it is so visible?

Gay Pride in Madrid.

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11_Is there a particular prejudice, misconception or line of thought about queerness that you wish would just go away/not be discussed again and again?

The importance or self-censorship of effeminacy.

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12_Is Hubert Fichte important to you? How?

No. I haven’t read him yet.

13_What’s your history with the Literarisches Colloquium Berlin? Have you been here?

I haven’t heard about it before being invited to participate in this festival.

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14_Is there a queer literary event that you miss/envision/would like to see?

I can’t think of any. But I would like that there were many more queer literary events all over the world.

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15_Queer texts are often about sexuality, identity/coming to terms with yourself and/or discrimination. Are there other topics/issues that you’d like to see featured in queer books more often?

Family relationships in a specific way.

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16_What country, what culture energizes you, teaches you new things about queerness?

USA due to the amount of contradictions that exist in the queer fight and recognition.

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17_In mainstream culture, queerness increasingly gets some space. But then: does qeer culture embrace mainstream, too? Does it embrace mainstream TOO MUCH – when it comes to questions of gender norms, family planning, „presentable“ people, consumerism, politics? Where do queerness and „normality“ crash? Do they crash/collide hard enough?

Marginal cultures always fight for recognition and recognition comes when they conquer spaces. We cannot regret and feel ashamed of such conquests.

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18_If universities/academics talk about queer topics, you often think…

Temporarily, that is great news.

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19_A person (or, more general: an aspect of personality or appearance) that you find very sexy:

Youth.

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20_There’s a video campaign that wants to prevent depressed queer teenagers from commiting suicide, „It gets better“. DOES it get better? How and for whom? When did it get better for you? What has to get better still?

Yes, it gets better, much better. The Empfindlichkeiten festival is an example because it has assembled a bunch of writers who have told their tragic stories in their books, but their lives now are better and they can talk and write about those past hard days with perspective.

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…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: „Empfindlichkeiten“ Festival 2016:

Queer Literature, 2016: Saleem Haddad

Saleem Haddad

Saleem Haddad

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Saleem Haddad is a novelist who’s both speaking and reading at the 2016 “Empfindlichkeiten” Literature Festival in Berlin. He was born in Kuwait City in 1983 and is currently living in London. He has a Lebanese-Palestinian father and an Iraqi-German mother.

Saleem’s debut novel „Guapa“  |  Saleem’s web site  |  Wikipedia  |  Twitter

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01_The most memorable moment of queerness you’ve encountered in your childhood:

Dressing up as a girl when I was six or seven and telling my brother he had to call me Maya.

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02_A queer book that influenced you (how?):

My book has been heavily influenced by queer writers: Colm Toibin, and the way he writes about mothers and their sons, Abdellah Taia’s writings on homosexuality and Morocco, James Baldwin’s „Giovanni’s Room“, the way Christopher Isherwood wrote about Berlin in „Goodbye to Berlin“, the way Andre Aciman wrote so beautifully about desire in „Call Me By Your Name“, and the way Gore Vidal writes about gay alienation in early twentieth century America. So much of my novel owes itself to these works, so I’ve tried to echo and pay homage to these writers in my text.

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03_A different piece of queer culture (no book: something else) that influenced you:

The glam rock musical Hedwig and the Angry Inch, I first saw the film adaptation in college, and have seems nearly fifty times since. To me it defines the queer experience, and the power of love and self-acceptance. When I first sold my novel to my publishers in New York, my partner and I went to see Hedwig on Broadway. I felt I had finally come full circle in a way. It was one of the most beautiful moments in my life. I was also heavily influenced by Mashrou‘ Leila, a Lebanese rock band that is unabashedly queer and political. Their music was the perfect soundtrack to my writing.

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04_A queer moment you’ve had in Berlin (or anywhere in Germany) that you’ll remember for a long time:

The first pride parade I ever attended was in Berlin in 2006. I was so terrified to be there, and yet so excited at the same time. The weather was so hot, everyone was shirtless, and it was both incredibly sexy and also empowering. So thank you Berlin!

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05_Is there a heterosexual ally that you like/value and who you’ve grateful for?

My brother is probably my biggest ally and supporter. He was one of the first people I came out to, and also helped me come out to the rest of my family. From the beginning he stood by me and supported me unconditionally.

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06_Is there another guest/author at „Empfindlichkeiten“ you’re particularly looking forward to?

I can’t get enough of Abdellah Taia, his writing is so raw, poetic and honest.

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07_Name a queer guilty pleasure you feel passionate about:

RuPaul’s Drag Race. It makes me want to put on a dress throw shade everywhere, and celebrate my queerness.

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08_What country/nation, what city, what region, what culture energizes you/teaches you new things about queerness/is big on your „queer map“?

I am inspired by the Middle East– my home. I love the sense of community, and I love how the queer movements there remain fiercely political, linking their struggles with broader struggles for justice and freedom.

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09_More and more often, people use intersectionality to discuss identity (and: discrimination). How is intersectionality important/relevant to your art/work?

Intersectionality is very important for me: living in Europe I sometimes feel just as queer for my Arabness as I do for my homosexuality. Exploring these different types of queerness is central to my work. I also think class does not get talked about enough, and as someone who read Gramsci and Marx in college, class is something that always comes through in my writings. I do wish the mainstream LGBT movements in the West increasingly linked their struggles to broader struggles around racism, class and Islamophobia.

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10_In mainstream culture, queerness increasingly gets some niches/some space. But then: does queer culture embrace mainstream, too? Does it embrace mainstream TOO MUCH – when it comes to questions of gender norms, family planning, „presentable“ people, consumerism, politics? Where do queerness and „normality“ crash? Do they crash/collide hard enough?

I believe that queerness by its very nature of being queer just stands outside of the mainstream. To paraphrase Foucault: to be critical of things is not to say everything is bad, but rather to say that everything is dangerous. By standing apart from the mainstream, queerness will always be a critical voice that tells us we always have something to do.

[Foucault, in 1983, said: ‚My point is not that everything is bad, but that everything is dangerous, which is not exactly the same as bad. If everything is dangerous, then we always have something to do. So my position leads not to apathy but to hyper- and pessimistic – activism.‘]

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…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: „Empfindlichkeiten“ Festival 2016:

Queer Literature, 2016: Hilary McCollum

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin

Hilary McCollum, Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin – photo by Tobias Bohm.

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Hilary McCollum is an Irish writer, playwright and activist – and she’s both speaking and reading at the 2016 „Empfindlichkeiten“ Literature Festival in Berlin.

„In 2010 I returned to Ireland after living in England for 25 years. The move has given me more time to write, enabling me to begin writing for the stage with the support of Sole Purpose Productions, based at Derry Playhouse. This led to me writing my first play, Lesbian Style, which was performed as part of both the International Dublin Gay Theatre Festival 2014, Belfast Pride and the WOW Festival. It draws on interviews with lesbian and bi women in Ireland and England as well as incidents from my own life to explore the ups and downs of lesbian existence.“

Hilary’s web site  |  Hilary’s novel „Golddigger“

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01_Is there a link, a text, a piece of your work that gives a good introduction to the topics and issues you care about?

http://www.bellabooks.com/9781594934421-prod.html [„Golddigger“, Hillary’s novel.]

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02_If someone calls you „homosexual author“, you…

I’m happy with the term lesbian author

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03_A queer book that influenced you (how?)…

„Patience and Sarah“ by Isabel Miller because it gave me a sense of lesbian ancestors.

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04_If your work is shown/placed in book stores, THESE are the authors/artists that you’d feel most honored to be placed next to:

Isabel Miller, Emma Donoghue

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05_Too many people associate homosexuality with gay males first and foremost. Who should be more visible?

The relative invisibility of lesbian relationships is a problem. It reflects the misogyny of the culture.

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06_A queer moment you’ve had in Berlin (or anywhere in Germany) that you’ll remember for a long time:

Seeing the golden hat in Neues Museum. The commentary said it was designed for a male head but I think it would look great on me. I’ve just one a golden crown award for my novel Golddigger so I’d like to be pictured wearing the golden hat as my crown.

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07_Name some experts, authors, activists, places, institutions and discourses/debates that informed/influenced the way you see and understand queerness – and yourself:

Virginia Woolf, Martina Navratilova, Mark Ashton, Andrea Dworkin, greenham common, lesbian strength and gay pride marches

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08_Name some experts, authors, activists, places, institutions and debates/questions that deserve more recognition/need more love:

The women’s suffrage movement. Lesbian history in general.

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09_Is there a heterosexual ally that you like/value and who you’ve grateful for?

My mum

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10_Is there another guest/author at „Empfindlichkeiten“ you’re particularly looking forward to? (why?)

Saleem Haddad, because his novel sounds really interesting.

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11_Is there a queer figure/personality, a celebrity or a queer story/phenomenom that is very visible in mainstream culture – a visibility that makes you happy?

The films „Carol“ and „Pride“ were mainstream hits and I loved both of them. I knew Mark Ashton, the main character in Pride. He took me to my first pride and first gay bar.

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12_Is there a political or public figure that should be scrutinized or valued much more?

Mark Ashton.

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Hillary McCollum... and the golden hat of Berlin. (Montag: Stefan Mesch)

Hilary McCollum… and the golden hat of Berlin. (Montage: Stefan Mesch)

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all my 2016 interviews on Queer Literature:

…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: „Empfindlichkeiten“ Festival 2016:

Queere Kunst 2016: Martina Minette Dreier

Martina Minette Dreier Ende 2015 in ihrem Atelier - mit den Arbeiten des vergangenen Jahres.

Martina Minette Dreier Ende 2015 in ihrem Atelier – mit den Arbeiten des vergangenen Jahres.

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Queere Literatur – aus Europa und der Welt: Vom 14. bis 16. Juli 2016 veranstaltet das Literarische Colloquium Berlin (LCB, am Wannsee) ein Festival zu Homosexualitäten – “Empfindlichkeiten” (mehr Infos in der Spex und auf der LCB-Website).

Ich begleite das Festival als Liveblogger… und stelle bis Sonntag mehreren Künstler*innen, Autor*innen und interessierten Besuchern kurze Fragen über Queerness, Widerstand und das Potenzial homosexueller Literatur.

Den Anfang machten Katy Derbyshire (Link)Kristof Magnusson (Link)Angela Steidele (Link) und Hans Hütt (Link). Jetzt…

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Künstlerin Martina Minette Dreier:

Minette zeichnet und malt – oft in Öl, und oft nicht-binäre oder nicht-cissexuelle Personen sowie Drag Queens, Drag Kings, queere Performer. Fürs Festival „Empfindlichkeiten“ skizziert/zeichnet sie Besucher*innen, Autor*innen und Besucherinnen rund ums Festival.

Minettes Portfolio  |  Minettes „Play Gender“-Portraits  |  „My Ancestors“: Frauen, die Minette prägten

01_Eine eigene Arbeit oder Link, der dich vorstellt:

www.playgender.wordpress.com

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02_Wenn mich jemand „homosexuelle(r) Künstler*in“ nennt…

http://twitter.com/lauracwinter/status/751070363862310916/photo/1

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03_Das Queerste, das ich in meiner Kindheit sah oder kannte, war…

Eine Figur aus einem „Mädchenbuch“, „Pucki“ von Magda Trott: https://basedinberlin.wordpress.com/2013/04/22/621/

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04_Ein anderes Stück queerer Kultur [andere Kunstformen], das mich beeinflusst hat (und wie?)…

http://www.kingzofberlin.de/index03.html

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05_Ein queerer Moment in Berlin (oder in Deutschland), an den ich mich lange erinnern werde:

https://www.dhm.de/ausstellungen/archiv/2015/homosexualitaet-en.html

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heute morgen, während dem Diskussionspanel „Maske“, machte Minette eine Skizze von Ronny Matthes (Pressearbeit für „Empfindlichkeiten“, Interview hier) und mir:

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all my 2016 interviews on Queer Literature:

…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: “Empfindlichkeiten” Festival 2016:

Queere Literatur 2016: „Maske“, „Körper“, „Schrift“ – drei Diskussionspanels auf dem Literaturfestival „Empfindlichkeiten“ (LCB Berlin)

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin

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Queere Literatur – aus Europa und der Welt: Vom 14. bis 16. Juli 2016 veranstaltet das Literarische Colloquium Berlin (LCB, am Wannsee) ein Festival zu Homosexualitäten – “Empfindlichkeiten” (mehr Infos in der Spex und auf der LCB-Website).

Ich begleite das Festival als Liveblogger.

Der Freitag Vor- und Nachmittag gehört drei großen, knapp zweistündigen Diskussions-Panels: „Maske“, „Körper“ und „Schrift“. Fotos vom Festival-Fotografen Tobias Bohm:

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11.00 Uhr: Maske. Statements und Diskussion – mit: 

Ahmet Sami Özbudak (Istanbul)
Angela Steidele (Köln)
Hilary McCollum (Donegal)
Thomas Meinecke (Eurasburg)
Robert Gillett
(London)

Moderation: Franziska Bergmann

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Statements aus der Diskussion, die mir im Gedächtnis blieben – schnell mitgetippt:

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We need to watch language closely and ask ourselves: Whose power is actually operating in that sentence? – Robert Gillett

I know that I’m not a man – I’m DOING a man. That’s what I learned from feminist theory. – Thomas Meinecke

A woman dressing up as a man is confirming the system – by undermining it. – Angela Steidele

I think that queer theory has more… air than, at this minute, it needs: A lot of queer discourse is completely alienating to the vast majority of people. Queer theory is elitist and exclusionary. – Hillary McColum

I disagree. I know that reading queer theory exhausting. But I think that right now, academic writing has so much turned into being like narrative writing – almost like belletristik, literature, pieces of art… I’ve learned a lot about writing from academic writing – often written by women deconstructing feminism: I don’t make the distinction anymore between theory and fiction. – Thomas Meinecke

Angela Steidele benutzt in Vorträgen oft das generische Femininum: „Ich sage „die Biografin“, „die Autorin“… and I know that I shock my audience with that.

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Angela Steidele und Moderatorin Franziska Bergmann im Diskussionspanel "Maske"

Angela Steidele und Moderatorin Franziska Bergmann im Diskussionspanel „Maske“


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Tobias Bohms Fotos vom zweiten Panel:

 

12.30 Uhr: Körper. Statements und Diskussion – mit:

Perihan Magden (Istanbul)
Roland Spahr (Frankfurt)
Antje Rávic Strubel (Berlin)
Michał Witkowski (Warszawa)

Moderation: Dirk Naguschewski

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Statements aus der Diskussion, die mir im Gedächtnis blieben – schnell mitgetippt:

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Accepting ambiguities is very important in the work of Hubert Fichte and in queer literature as a whole. That’s what Fichte talked about in „die Verschwulung der Welt“: It doesn’t mean that everybody has to be gay – but that everybody should learn to perceive the world in different ways. – Roland Spahr

If you’re known as a gay writer, the publishing house wants you to write about homosexuality in every new book – and you have to prove [your authenticity] with your body and your biography, again and again. But what am I? What shelf, what section should I be placed in? „East German author“? „Woman writer“? „Gay writer“? That alone should give me the right to be… everywhere: On ALL the bookshelves! – Antje Rávic Strubel

If I’m doing a reading – especially in England or France – all writers are asked about literature. I’m asked – especially about four years ago: ‚How do you feel about Turkey joining the European Union‘? They others are writes. I’m seen as a diplomat. When it comes to Turkish writers, it’s always about politics. – Perihan Magden

Once your books leave the country, you’re not only [seen as] a man and a homosexual – but a Polish person, too. So you have one more problem. British publishers always want you to write about Auschwitz or about the pope. You have to first overcome that your literature is always seen in the context of Poland: „Oh – look at this literature… coming out of such a backwards country full of problems!“ – Michał Witkowski

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Autorin Antje Rávic Strubel - Foto von Tobias Bohm

Autorinnen Perihan Magden und Antje Rávic Strubel, dahinter Thorsten Dönges – Foto von Tobias Bohm


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Tobias Bohms Fotos vom dritten Panel:

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15.30 Uhr: Schrift. Statements und Diskussion – mit:

Gunther Geltinger (Köln)
Ben Fergusson (Oxford / Berlin)
Joachim Helfer (Berlin)
Sookee (Berlin)
Saleem Haddad (London)
Jayrôme C. Robinet (Berlin)

Moderation: Nina Seiler

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Statements aus der Diskussion, die mir im Gedächtnis blieben – schnell mitgetippt:

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Please go count queer published writers: We have not yet travelled even half the way to full recognition. We’re – all of us here […at the festival] – are the exceptions. Not the rule. – Joachim Helfer

We all have multiple identities, but I think that sometimes, the identity that is the most threatened is going to be in the forefront. – Jayrôme C. Robinet

The concept of „queerness“ touches on issues of class, politics that I identify with beyond my sexuality: „Queer“ is a term that’s quite broad and subversive. – Saleem Haddad

I know what gay sex is. I know what gay love is. I can imagine all kinds of desires. But I have no idea what a „gay identity“ is. – Joachim Helfer

I wish I wouldn’t have an identity. I wish that I could just… evaporate into straight white maleness. – Saleem Haddad

I love hiphop culture, but it can be very homophic. A lot of artists say „No homo“ all the time. So I turned „no homo“ into „pro homo“… and sometimes, during my concerts, guys in the front row go all „pro homo! pro homo!“ before they realize what they are saying. – Sookee

…und ein Gedanke von Joachim Helfer: Zu fragen, ob spezifisch „queere“ Arten gäbe, sich zu äußern oder Kunst zu machen, kann man erst, „wenn 100 Jahre lang jeder leben kann, wie er will – weil so viel [queere Kunst] gerade aus Oppression heraus geschieht“.

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Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Thomas Bohm

Empfindlichkeiten-Festival, LCB, 15.07.2016, Berlin. Foto: Tobias Bohm

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…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: “Empfindlichkeiten” Festival 2016:

Queere Literatur 2016: Hans Hütt

Journalist und Autor Hans Hütt, 2016

Journalist und Autor Hans Hütt, 2016

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Queere Literatur – aus Europa und der Welt: Vom 14. bis 16. Juli 2016 veranstaltet das Literarische Colloquium Berlin (LCB, am Wannsee) ein Festival zu Homosexualitäten – “Empfindlichkeiten” (mehr Infos in der Spex und auf der LCB-Website).

Ich werde das Festival als Liveblogger begleiten… und stelle bis Sonntag mehreren Künstler*innen, Autor*innen und interessierten Besuchern kurze Fragen über Queerness, Widerstand und das Potenzial homosexueller Literatur.

Den Anfang machten Katy Derbyshire (Link)Kristof Magnusson (Link) und Angela Steidele (Link). Jetzt…

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Autor Hans Hütt (mehr hier).

Aufgewachsen am Niederrhein. Studium der Politikwissenschaft, Musikwissenschaft, Psychologie, Empirischen Kulturwissenschaft, Vergleichenden Literaturwissenschaften und Religionswissenschaft in Tübingen und Berlin. Von 1974 bis 1990 war Hans Hütt Ausstellungsmacher, Autor, Dramaturg, Kulturmanager, Lektor, Literaturkritiker, Moderator, Redakteur, Reporter, Übersetzer und Verleger – für Berliner Festwochen, Deutsche Welle, Deutscher Bücherbund, Deutscher Koordinierungsrat, Literaturzeitschrift Listen, Radio 100 in Berlin, Stadt Frankfurt am Main, Südwestfunk, AStA der Universität Tübingen, Art Journal Wolkenkratzer, Verlag rosa Winkel und ZDF. Aktuell schreibt Hütt oft für die FAZ (Link: Publikationen).

Hans Hütt auf Twitter  |  Hans Hütts Blog

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01_Eine eigene Arbeit, die mich vorstellt:

Für den Essay „Angst vor der Gleichheit“ erhielt ich im Oktober 2014 den Michael-Althen-Preis für Kritik. Inzwischen ist er in einer erweiterten Fassung mit Anmerkungen im Jahrbuch Sexualitäten 2016 im Wallstein Verlag erschienen. Hier der link zum Blogeintrag vom Juli 2014: http://www.anlasslos.de/?p=521

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02_Wenn mich jemand „homosexuelle(r) Autor*in“ nennt…

…dann hat derjenige, der mich so nennt, entweder keine Achtung vor mir als Autor oder vor der Tatsache, dass ich schwul bin. Die Ergänzung um das Adjektiv erzeugt ein Abseits, das mir keinen Platz bietet, sondern einen zuweist.

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03_Das Queerste, das ich in meiner Kindheit sah oder kannte…

In meiner Kindheit gab es weder den Begriff „queer“ noch seinen Superlativ. Aber ich hatte einen Mitschüler, der meinen Griechischlehrer gerne mit einer Karikatur auf der Tafel zeigte, wie er mit seinem unglaublich breit links und rechts nach unten gezogenen Mund eine Banane quer zu sich nahm.

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04_Ein queeres Buch, das mich beeinflusst hat…

„Die Laute“ von Michael Roes, den ich bei diesem Festival vermisse. Ich habe über „Die Laute“ eine Rezension für die taz geschrieben.

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05_Ein anderes Stück queerer Kultur, das mich beeinflusst hat:

Der Film „A un dios desconocido“ (An einen unbekannten Gott) von Jaime Chávarri, den ich 1978 bei der Berlinale sah. Er erzählt in Rückblenden die Ermordung Lorcas. Ein alt gewordener Zauberer erinnert sich an seine Kindheit. Die Erinnerung setzt eine Tonbandaufnahme in Gang. Auf dem Band hat er Locas „Ode an Walt Whitman“ eingesprochen. Sie bahnt der Erinnerung den Weg.

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06_Ich wünschte, ich hätte in Sachen Homosexualität früher gelernt/gewusst/erfahren, dass…

„In Sachen Homosexualität“ kann ich keine Auskunft geben. Das Wissen ist unteilbar da oder nicht. Verzögerung oder verfrühtes Wissen ändert daran kaum etwas. Allerdings gibt es eine inhärente Neugier, gespeist aus der Erfahrung, anders zu sein, diejenigen zu beobachten, denen diese Erfahrung fremd ist.

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07_Mich ehrt, wenn meine Arbeiten in einer Buchhandlung oder Ausstellung neben folgenen Autor*innen stehen:

Karsten Witte, Pier Paolo Pasolini, Pierre Guyotat, Didier Eribon, Michel Foucault.

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08_Zu viele Menschen denken bei „Homosexualität“ zuerst oder fast nur an schwule Männer. Ich wünschte, stärker in den Fokus rücken…

Warum sollen sie nicht an schwule Männer denken (wenn sie denn denken)? Warum sollte ich, und sei es nur durch wishful thinking, erziehungsdiktatorisch wirken wollen? Das Gedächtnis und der Assoziationsraum sind sehr individuell geprägt. Kulturelle Codierungen können daran nur wenig ändern.

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09_Ein queerer Moment in Berlin (oder in Deutschland), an den ich mich lange erinnern werde:

ein Schnappschuss, der mir im letzten Jahr am Rand einer Ausstellungseröffnung gelang. Ich nenne ihn „Pflanze Mensch“.

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pflanze mensch

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10_Folgende Expert*innen, Autor*innen, Aktivisit*innen, Orte, Institutionen, Diskurse haben mein (Selbst-)Verständnis beeinflusst oder geprägt:

Roland Barthes, die Essaysammlungen „Drei Milliarden Perverse“ und „Elemente einer homosexuellen Kritik“, die ich 1979 und 1980 als Lektor im Verlag rosa Winkel herausbrachte. Der Buchladen Prinz Eisenherz. Das Bali-Kino Manfred Salzgebers. Die frühen Panorama-Programme, die er für die Berlinale kuratierte. Die NGbK. In Erinnerung: Frank Wagner. Heute Johannes Kram. Neuerdings mein Mitbewohner Lavender Wolf.

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11_Folgende Expert*innen, Autor*innen, Aktivisit*innen, Orte, Institutionen, Themen verdienen mehr Aufmerksamkeit/Zuwendung:

Michael Roes, Pierre Guyotat, einige Bände der Zeitschrift „Semiotext(e), die Sylvère Lotringer gegründet hat, zB die Ausgabe „Polysexuality“. Die Anthologie „Now The Volcano“, eine Sammlung lateinamerikanischer schwuler Literatur, die Winston Leyland 1979 bei Gay Sunshine Press herausbrachte.

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12_Ein heterosexueller Ally/Verbündeter, dem ich dankbar bin und/oder den ich schätze:

Ich maß mir nicht an, irgendwelche Aussagen über die sexuelle Prägung von Autoren zu treffen, die ich gerne lese, weil sie klug sind. Zum Beispiel Nils Minkmar.

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13_Ein Gast beim „Empfindlichkeiten“-Festival, auf den ich mich besonders freue:

Abdellah Taïa, dessen Werk und Engagement ich bewundere und der mit seiner Eröffnungsrede zu „Empfindlichkeiten“ eine schwule Idee der Transsubstantion entwickelt hat.

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14_Eine politische oder öffentliche Figur, über die wir dringend mehr reden müssen. Und eine, über die wir weniger reden sollten:

Bei Figuren denke ich an Choreographien, also Bewegungsabläufe von Menschen. Figuren sind eine Zuschreibung mit leicht abschätzigem Unterton. Das Redenmüssen erscheint mir diskursiv im übrigen eher als eine zweifelhafte Figur. Mein Denken verdanke ich auch dem Umstand, dass ich öffentlichen Redegeboten immer zuwider gehandelt habe.

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15_Eine queere Figur, ein queerer Star oder eine queere Geschichte aus dem Mainstream, über deren Popularität/Strahlkraft ich mich freue:

Hildegard Knefs Schwester Irmgard.

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16_Ich wünschte, folgendes reaktionäre Vorurteil/Denkfigur würde endlich verschwinden/nicht immer wieder neu diskutiert werden:

Ernsthaft: es wird uns nicht gelingen, Emanzipation mit Verboten oder Ausschlüssen zu ermöglichen.

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17_Hubert Fichte bedeutet mir…

…seit der frühen Lektüre seines Buchs „Versuch über die Pubertät“ sehr viel.

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18_Leonore Mau bedeutet mir…

…infolge ihrer Fotobände über Brasilien sehr viel.

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19_Am Literarischen Colloquium Berlin…

…war ich, seit ich zum ersten Mal nach Berlin gezogen bin, sehr oft. Besonders gut in Erinnerung: das helle Lachen Walter Höllerers, der Sommer, in dem die Bennents hier wohnten (während der Dreharbeiten zu Schlöndorffs Blechtrommel-Verfilmung.

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20_Ein queeres literarisches Event, das ich mir wünsche:

eine lange Nacht der ermordeten schwulen Autoren: Lorca, Pasolini, Sénac uvm.

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21_Ein queeres guilty pleasure in meinem Leben:

I prefer pleasure without any sense of guilt.

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22_Ein Staat, eine Stadt, Region, Kultur oder eine Szene, aus der ich wichtige queere Impulse erhalte:

Ach, dann sage ich jetzt einfach mal Sousse und behalte das Geheimnis warum, für mich.

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23_Identität (und: Diskriminierung) wird immer öfter intersektionell beschrieben und diskutiert. Als queere*r Künstler*in interessiert mich aus dieser Perspektive besonders…

Mein Denken beginnt jenseits der Diskriminierung. Sich an ihr als gesellschaftlicher Tatsache festzuhalten, verlängert ihr Überleben. Identität ist, wie mein Lehrer Fritz Morgenthaler 1979/80 schrieb eher ein zweifelhafter Begriff, wenn es um die psychische Konstitution von Schwulen geht. Wichtiger wäre eine anschauliche Idee und Praxis von Autonomie.

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24_Der Mainstream räumt Queerness oft mittlerweile etwas mehr Platz ein. Räumt Queerness auch dem Mainstream mehr (zu viel?) Platz ein – in Fragen wie Familien- und Rollenbildern, Selbstdarstellung, Konsum und Politik? Wo reiben sich Queerness und „Normalität“? Reiben sie sich genug?

Ich kann mit dem Begriff Mainstream wenig anfangen. Wo fängt er an, wo auf?

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25_Wenn Universitäten und Akademiker auf queere Diskurse (und: Gender-Diskurse) blicken, denke ich…

…völlig entsetzt darüber, dass neuerdings, wenn es nach dem Willen studentischer Aktivisten ginge, Ovids Metamorphosen an der Columbia University nur noch mit Warnhinweisen gelesen werden dürfen. Es gibt infolge einer Institutionalisierung gewisser Teilschulen der gender-Diskurse Denkverbote und ästhetische Grenzziehungen, die ich intellektuell zweifelhaft finde.

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26_Ein Mensch (oder, abstrakter: eine Eigenschaft/ein Wesenszug), den ich sehr sexy finde:

Kitzligkeit an unerwarteten Stellen.

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27_Kulturvermittler*innen, Institutionen, Journalist*innen machen, nach meiner Erfahrung, im Umgang mit queerer Kultur manchmal folgenden Fehler:

none of my business mich hier als Schulmeisterlein zu betätigen.

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28_Wie/wo/wann profitierte ich künstlerisch von meiner eigenen Queerness? Und steht/stand sie mir je im Weg, war sie je eine Schwierigkeit für mich?

Sie stand mir (fast) nie im Weg, aber öffnete meinem Denken und Reden immer wieder neue überraschende Wendungen.

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29_Eine Video-Kampagne, die queere Jugendliche vom Selbstmord abhalten will, verspricht: „It gets better.“ DOES it get better? Wo und für wen? Wann/wie wurde es für dich besser? Was muss noch anders/besser werden?

Die Geschichte kennt den Fortschritt immer nur als linearen Prozess. Wichtiger wäre es, wenn die gute Idee von Dan Savage um das Bewusstsein erweitert würde, dass es auch Rückschläge gibt und damit die individuelle und kollektive Gabe fördert, dem zu widerstehen.

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all my 2016 interviews on Queer Literature:

…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: “Empfindlichkeiten” Festival 2016:

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