In „Tomb Raider: Crossroads“ (Trailer), einem Reboot / erzählerischem Neustart der „Tomb Raider“-Reihe (Link), muss sich Heldin Lara Croft mit 16 auf einer verwilderten Insel gegen Schmuggler, Söldner und wilde Tiere wehren.
Ich bin kein Videospieler (hier ein Link meiner Spieler-„Biografie“), aber freue mich, dass die „Tomb Raider“-Adventures seit über 15 Jahren sehr erfolgreich eine kompetente, beliebte Frauenfigur (Link) vermarkten… in einem Medium, in dem die meisten Action-Helden dreitagebärtige Männer sind.
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Vorgestern tweetete Comic-Autorin Gail Simone eine Reihe sarkastischer Komentare, wie gerne sie Lara Croft „beschützen“ und ihr „helfen“ würde.
Grund / Ursprung war DIESES Gespräch auf der Spielemesse E3 (Link).
Mit einem knappen „Okay… WHAT?“ postete ich den Link zur Kurzmeldung auf meiner Facebook-Seite.
Seitdem entspann sich, im Freundeskreis, folgende Diskussion:
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Freund M: „Die Leute haben vom allerersten Teil an nicht verstanden, was sie mit dieser Figur hatten. Und das ist der absolute Tiefpunkt eines desaströsen Abwirtschaftens.“
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Freund C.: „Ziemlich bekloppte, konstruierte Meldung mit – höchstwahrscheinlich- aus dem Zusammenhang gerissenem Produzenten-Zitat. Was ich bislang vom „Tomb Raider“-Reboot gesehen habe gefällt mir besser als all die hilflosen Versuche, den Erfolg des überragenden ersten Teils zu wiederholen.
Der Trailer macht zwar einen etwas vouyeristisch-sadistischen Eindruck, habe ich in ähnlicher Form aber schon weitaus dümmer und effektheischender gesehen [ich kucke Dich an „Heavy Rain“]. Sicherlich kein klassisches „Tomb Raider“, aber am Ende vielleicht doch ein glaubhafter Enstehungsmythos für die alte, charakterlose, psychopathische Lara Croft der Vorgängertitel.“
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Stefan: „Nein – hier ist ein längerer Artikel: Der „Tomb Raider“-Produzent sagt, Lara Croft sei im neusten Teil deutlich jünger, verletzlicher und schwächer, damit männliche Spieler sich besonders motiviert fühlen, sie zu beschützen.
Tiefpunkt / Wendepunkt für Laras Entwicklung wird ein Moment sein, in dem man Lara vor einer Vergewaltigung bewahren muss:
zwei Zitate:
“She literally goes from zero to hero… we’re sort of building her up and just when she gets confident, we break her down again.
“She is literally turned into a cornered animal. It’s a huge step in her evolution: she’s forced to either fight back or die.”
Freund M.: „Da hörts für mich echt auf. Argumentativ. „You start to root for her in a way that you might not root for a male character.“
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Freund C: „Ja, aber das liest sich doch schon viel differenzierter als der erste Artikel, wo eine „Vergewaltigungsszene“ hervorgehoben wird – deren Umfang/Inszenierung/Dramatik sich noch garnicht bewerten lässt – und mit der Aussage des Produzenten in direkten Zusammenhang gebracht wird. Das ist Meinungsmache auf Regine Pfeiffer-Niveau!
Die Zitate, die Stefan hervorhebt, ließen sich auf VIELE Heldenmythen übertragen, sind ganz klassisch und finden sich mindestens ebensovie mit männlichen Hauptfiguren [tatsächlich ist das neue „Tomb Raider“ ein „Abklatsch“ der erfolgreichen „Uncharted“-Serie mit männlichem, menschlichen, leidenden Helden, die sich ihrerseits stark an das klassische „Tomb Raider“ anlehnt].
Ich verstehe, dass die Darstellung von Lara Crofts „tour de force“ Vorbehalte weckt, finde den Skandalisierungsversuch aber voreilig und unangebracht. Ist wahrscheinlich ganz im Sinne der PR.
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Freundin H.: „ich denke auch, dass man genau wird überprüfen müssen, inwiefern das spiel eine zurückeingliderung des charakters in die logik einer patriarchalen ordnung ist.
ich hab hier nur auf die schnelle einen text von sharalyn orbaugh herausgekramt – eine ihrer thesen lautet, dass es vier arten des erzählens von weiblichen charakteren gibt: erstens eine normativ-normal-patriarchale, zweitens eine, die die problemstellungen durch patriarchale logiken aufzeigt, drittens eine, in der „frauen“ „männliche“ attribute tragen und performen können, dies am ende aber immer in einer tragödie enden muss, damit der verstoß gegen die eigentliche ordnung korrigiert wird (beispiel: klingonenfrau ist stärker als menschmänner, kämpft gegen monster, um menschenmänner zu beschützen, siegt, muss aber danach von den menschenmännern zurück ins schiff getragen werden – die pr zum lara croft-game riecht zur zeit ein wenig danach), und viertens, der vollständigkeit halber, erzählungen außerhalb der realen welt.“
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Freund C.: „Ich freue mich hierrauf:
Könnte den Diskurs mal ein wenig erden. Ansonsten meine subjektive Wahrnehmung:
1. Zwischen Lara Croft (1996) und Lara Croft (2013) hat rein oberflächlich eine revolutionäre Verbesserung in der Darstellung von Frauen im Computerspiel stattgefunden. Noch lange ist nicht ein wünschenswerter Zielzustand erreicht, aber jedes andere Medium zuvor hat weitaus länger gebraucht, um die Repräsentation weiblicher Charaktere gleichberechtigter und differenzierter zu gestalten. Still, long way to go…
2. Zwischen „Tomb Raider“ (1996) und „Tomb Raider“ (2013) hat sich prinzipiell rein garnichts getan. Lara Croft – genauso wie Super Mario, Guybrush Threepwood, Solid Snake, Samus Ara, etc. pp. – ist eine Ansammlung von Aktionsmöglichkeiten gegenüber der feindlichen Spielwelt. Ein Cursor. Die oberflächliche Ausgestaltung ist im gewissen Sinne irrelevant bzw. man müsste sich eher darüber Gedanken machen, wie sich Gender spielmechanisch manifestiert, statt sich am audiovisuellen Interface diskursiv im Kreis zu drehen. Just saying.
2b. Denn was das neue „Tomb Raider“ als „Weiblichkeit“ an der Oberfläche darstellt, hat es sich aus früheren Medienzusammenhängen entliehen. Filme, Bücher, Comics, etc. pp. Alter Hut. Alles schon durchdiskutiert und zu recht für scheiße befunden. „Call of Duty“ nutzt ähnliche Kurzschlussreflexe für PR. Das ist zu verurteilen, aber kein Grund „schon wieder“ darauf reinzufallen. Also abwarten und dann „Tomb Raider“ als Computerspiel diskutieren und nicht als Film oder dümmliche PR-Aussage.“
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Stefan: “ Ich will nicht über „Tomb Raider“ diskutieren. Ich will darüber diskutieren, dass jemand, der hauptberuflich – und mit gewissem Erfolg – Videospiele verkauft, über seine wichtigste Frauenfigur sagt:
„Wir wollen, dass JUNGS sie steuern. Und Jungs steuern sie am liebsten, wenn sie glauben, sie zu BESCHÜTZEN.“
(und dann noch implizieren: Sie wird attraktiver (im Sinne von: liebenswerter / beschützenswerter) als je zuvor, sobald sie mit sexueller Gewalt konfrontiert / von Vergewaltigern bedroht wird.)
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Freundin H.: „mich interessiert, was in dieser „attempted rape“-szene tatsächlich passieren wird. der amerikanische rechtsbegriff und beispielswiese der deutsche unterscheiden sich doch etwas. das macht es dann wieder für die übersetzung sehr interessant: würde hier weiterhin nur von „versuchter vergewaltigung“ die rede sein, käme das gar einem vorantreiben von vergewaltigungsmythen gleich. alleine da fängt es ja schon an: wird im spiel, in der geschichte selbst angemessen mit der vergewaltigung umgegangen, also: REAL, menschlich, wie ja in dem interview-zitat behauptet wird, oder handelt es sich dabei nur um einen dramaturgischen kniff oder gar einen manipulationsversuch der spieler, der noch dazu benutzt wird, das spiel gezielt zu vermarkten? ich finde das dementsprechend sehr wichtig, worauf stefan hier hinweist.“
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Freund C.: „Das mit der „sexuellen Gewalt“ hat er nicht gesagt, das wurde von dem ersten Artikel so konstruiert. Was der Trailer andeutet wirkt, soweit man das in dem Zusammenhang sagen kann, relativ „harmlos“. Die eigentliche „tortur“ von Lara liegt in dem Gestrandetsein und Überleben auf einer tropischen Insel, gespickt mit gefährlicher Fauna/Flora, gefährlichen Fallen und modernen Piraten. Was der Produzent sagt ist trotzdem bekloppt.
Aber gerade im Computerspiel-Geschäft sind Produzenten eben mehr PR-Menschen als tatsächliche „Spielemacher“. Im Zusammenhang mit der gerade stattfindenden (oder schon vorbei?) E3-Messe (Publikumsmesse, hauptsächlich männliche Besucher, massenweise „Booth Babes“) überraschen mich solche Aussagen überhaupt nicht.
Ähnliches PR-Blabla findet man auch bei Filmen über „starke Frauen“, die durch „harte Zeiten“ gehen. Und wie gesagt, im Computerspiel steuert man keine Frau, sondern einen Cursor, der vielleicht wie eine Frau aussieht. Da ist mir eine Lara Croft mit „normalen“ Proportionen und „menschlichem“ Charakter lieber, als eins übersexualisierte, ballonbrüstige Killermaschine.“
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Stefan: „“In the new Tomb Raider, Lara Croft will suffer. Her best friend will be kidnapped. She’ll get taken prisoner by island scavengers. And then, Rosenberg says, those scavengers will try to rape her.“
Hier ist ein interessanter Artikel im „Guardian“ (Link):
„That doesn’t mean no storyteller or video game should ever tackle rape – of course they should, where a story demands it – but if the only reason to include sexual violence is to emphasise a woman’s vulnerability or a man’s evilness, then it’s fair to question why a threat of murder is not enough.“
„The idea that Lara – like Samus from Metroid – should have an origin story in which she is weak in order to explain her strength is difficult to swallow. Male characters are generally permitted to be strong without needing a back story in which they are broken – why should female characters be different? Why do we need to protect Lara through an awful ordeal for her strength to make sense?“
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Freund C.: „Kann ich alles verstehen. NUR: Das sind Konventionen/Tropen, die schon viel länger bestehen und mit dem eigentlichen Spiel nichts zu tun haben. Da könnte auch Indiana Jones rumturnen und „vergewaltigt“ werden. Und noch wird über ein Spiel geredet, dass erst in einem Jahr erscheint und das noch so gut wie niemand gespielt hat und das noch einigen Veränderungen unterliegen wird. Wir reden hier von PR, die über einen kalkulierten „Skandal“ fleißig Aufmerksamkeit generiert und allen springen darauf an. Ich spiele da einfach zu gerne des Teufels Advokat.“
Und das der Produzent bei der Inhaltbeschreibung auch die „versuchte Vergewaltungen“ betont streite ich ja auch nicht ab. Ich weise nur darauf hin, wie einzelne Interviewschnippsel da möglicherweise bewusst zu neuen Zusammenhängen verbunden wurden. Die Jungs von Kotaku sind nun leider auch nicht für sachlichen Journalismus bekannt.
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Freundin J.: „Nee, da könnte nicht Indiana Jones rumturnen und „vergewaltigt“ werden. Indiana Jones würde von halbnackten Amazonen gekidnappt werden und erst als ihm bewusst wird, dass der Sex höchstwahrscheinlich mit seinem Tod als Opfergabe endet, finden wir das nicht mehr ganz so spaßig. Das will ich sehen, dass in einem Mainstream Medium eine versuchte Vergewaltigung an einem Mann von einem Mann als PR Gag benutzt wird. Das ist schwul. Das geht nicht. Das glaubst du doch selbst nicht, oder?“
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Freund C.: „Nein, das glaube ich nicht und das wollte ich mit dem Beispiel auch nicht sagen. Was ich sagen wollte: Ganz egal, wer an der audiovisuellen Oberfläche von wem „vergewaltigt“ wird, am SPIEL ändert sich NICHTS. Das ist das große Missverständnis. Wir unterhalten uns hier gerade NUR über die Oberfläche des Mediums und über – offensichtlich sehr erfolgreiche – Skandalierungs-PR-Kampagnen, die ebenso dumm wie verbreitet sind. Worauf ich hinaus will ist, dass das hier keine neue Dimension des Diskurses durch das „interaktive“ [ARRRRGH!] Computerspiel angestoßen wird. Ich verstehe den Hinweis darauf, dass die Vermaktung von „Tomb Raider“ (2013) so nicht wirklich vertretbar ist und ganz alte Klischees/Tropen/etc. anspricht, ich verstehe aber nicht die Polemik, die Unreflektiertheit und die Reflexhaftigkeit mit der sofort losgefeuert wird. Es ist ein emotional aufgeladenes Thema, nach der Empörung sollte aber mal eine sachliche Auseinandersetzung folgen, die den Stein des Anstoßes in die bereits bestehenden Kontexte einordnet und sinnvolle Kritik leistet.
Just saying!]“
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Freundin J.: “ Ich rede nicht von Homosexualität, sondern von sexueller Gewalt gegen Männern. Aber dann bewegen wir uns ja wieder in die andere Richtung.“
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Stefan: „Nochmal fürs Protokoll: Mir ist das Medium hier… komplett egal: Ein PR-Mensch sagt (meinetwegen ALS PR-Maßnahme – wobei ich nicht sehe, inwieweit ihn das entschuldigt / es seine Aussagen harmloser/besser/einfacher zu verstehen macht)… dass eine Heldin in Zukunft NOCH anrührender, stärker und interessanter erscheinen wird, WEIL SIE mit sexueller Gewalt bedroht wird.
Wie das im Spiel „auserzählt“ wird, ist wichtig, ja. Und ich verstehe, wenn du sagst: „Wollen wir nicht erstmal alle auf das Spiel warten?“
Aber das, WAS mich stört / was ich hier festhalten (und: beklagen) will, hat nichts mit der späteren Ausgestaltung innerhalb der Spielwelt, und NICHT EINMAL etwas mit der Tatsache, dass wir grade übers Medium „Videospiel“ sprechen, zu tun:
Wenn die Barbie-Leute gesagt hätten „Barbie ist so willensstark, weil sie sich gegen Missbrauchsversuche gewehrt hat und durch diese Traumata stärker wurde…“ …wäre ich GENAU SO wütend / ratlos.
Also: Wann und wie diese Geschichte dann auserzählt wird, und wie Spieler in ihr reagieren / wirken können, ist NICHT mein Problem / Kritikpunkt. Sondern die Behauptung: Lara Croft ist heute, wer sie ist… WEIL sie sich gegen sexuelle Gewalt wehren musste.
Freundin J. hat Recht, dass so etwas männlichen Figuren sehr selten passiert. Ich kenne EINE (homosexuell aufgeladene) Folter-Szene in James Bond („Casino Royale“, habe nur das Buch gelesen). Aber… Batman, Iron Man, Harry Potter, Spider-Man usw. wurden in ihren „Origin Stories“, in denen sie wurden, was sie sind, alle erstmal NICHT sexuell belästigt.
Bei Frauen dagegen ist das trauriger Standard.“
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Freund C.: „Ich verstehe das alles und überschreibe das auch so. Und ich entschuldige niemanden. Ich stoße mich am initialen „okay… WHAT?“ und ein paar ähnlichen Kommentaren, die suggerieren „hier passiert etwas NEUES / ÜBERRASCHENDES / UBEKANNTES“.
Das ist in meiner Wahrnehmung nicht der Fall. Alles schon dagewesen. Und DAS ist für mich der Skandal, das worüber man sich gerne aufregen/empören kann: Das hier eben nichts Neues passiert. Nichts. Und das ist schrecklich. Und umso schrecklicher, je mehr es skandalisiert wird. Ich bin mir SEHR sicher, dass das bei „Tomb Raider“ Kalkül der PR ist.
Homosexualität, „Vergewaltigungen“, Amok generieren viel Aufmerksamkeit. Man kann sich auch jetzt schon sicher sein, dass das neue „Call of Duty: Black Ops 2“ wieder einen solchen Skandal vom Zaun brechen und am Ende mehr vom Spiel verkauft wird als Menschen „Avatar“ gesehen haben. Und das funktioniert so gut, weil so viele Leute laut „WHAT?“ rufen, statt sich das Spiel einfach erstmal anzuschauen. Dann entpuppt sich der große Skandal meist als relatives Pillepalle.
Der „Columbine-Simulator“ namens „Bully“ entpuppte sich als relativ harmlose Schulhofrauferei, der „Rape-Simulator“ namens „GTA: San Andreas“ entpuppte sich als pubertäres, einvernehmliches Soft-Porno-Rumgeficke… etc. Die Beispiele sind SEHR vielfältig und vielzählig!
Und wenn ich mir die Szenen der „versuchten Vergewaltigung“ von Lara Croft im Trailer so anschaue, stellt sich das NOCH recht unspektakulär dar: Ekliger Typ berührt Lara an Schulter und Hüfte und kriegt ihr Knie in die Eier. Typ versucht Lara am Hals zu küssen und kriegt das Ohrläppchen abgebissen. Kein großes Kino, aber eben doch Kino, das ich schon viel VIEL schlechter, dümmer, skandalträchtiger gesehen habe.
Das entschuldigt nicht die plumpe PR und den latenten Sexismus. Dennoch würde ich mich wohler fühlen mit einem: „Schaut mal her, hier wird SCHON WIEDER sexistische PR gemacht und ein Skandal inszeniert, aber ich mache nicht mit, sondern möchte darauf hinweisen, dass in der Darstellung von Frauen und Weiblichkeit in allen Medien noch einiges schief läuft.“
[In einem meiner absoluten Lieblingsspielen – „Killer7“ – findet sogar eine „Vergewaltigung“ an einem alten, paralysierten, bewusstlosen Mann im Rollstuhl durch eine Frau statt: . Harman Smith, der Typ im Rollstuhl ist quasi die Hauptfigur des Spiels.]
http://www.youtube.com/watch?v=a4dm7-84GRw
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Stefan: So weit die Diskussion. [Hier im Blog: leicht gekürzt!]
Ich hätte gerne noch gepostet, warum diese „Frauen am Nullpunkt? Da BRAUCHT es sexuelle Gewalt, als besonderen Kick!“-Erzählmechanik sehr, sehr problematisch ist.
Und als Erklärung / Kontext zur „Rape as Backstory“-Liste von TV Tropes verlinkt:
Sie zeigt, dass weibliche Figuren STÄNDIG nicht nur körperlich, sondern explizit sexuell bedroht werden. Ein männlicher Held wie James Bond wird auch hin und wieder sexuell belästigt / gefoltert.
Aber bei einer Frau sind solche Belästigungen / Vergewaltigungen oft… trauriger Standard. Eine Heldin wird von ihrer Feinden VIEL ZU OFT immer auch sexuell bedroht / verletzt.
Um solche Klischees aufzuzeigen und – auf einen Blick – zu verdeutlichen: „Das ist keine neue, frische Idee. Sondern ein müdes, bequemes, ausgelutschtes und gefährliches Erzählmuster“…
…war TV Tropes bisher die beste Adresse.
Doch das TV Tropes Wiki möchte – vorerst, und nie wieder im Wortlaut „Rape“ – über Vergewaltigungen sprechen…
…weil Google Adsense die Seite als „restricted“ einstuft, sobald das Wort zu oft auftaucht – und ihnen damit benötigte Werbeeinnahmen verloren gehen.
Das Problem?
Hier haben ja keine Vergewaltigungs-Fetischisten oder Creeps geschmacklose Websites erstellt. Sondern Feministen / Kulturwissenschaftler / Nerds Beispiele aus Medien gesammelt und kontextualisiert, um sie kritisch zu durchleuchten.
Hier geht also – kulturwissenschaftlich / in unserer Medienkritik – eine sehr, sehr wichtige Ressource verloren.
Google… erzieht / sagt / entscheidet:
Wenn du online über Dinge wie Pornografie und Vergewaltigung schreibst, verlierst du Werbeeinnahmen.
Es ist einfacher, das Thema pauschal auszuklammern / tot zu schweigen.“
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Update / Schlusswort, Freund C.: „Ohne die Diskussion unnötig in die länge zu ziehen, hier noch einmal meine Kern-Gedanken:
1. Ob die „Rape as Backstory“-Trope im „Tomb Raider“-Reboot klar als solche zu identifizieren ist und welchen Platz sie im gesamten Spiel einnimmt, wird sich erst 2013 zeigen, wenn der Diskussionsgegenstand tatsächlich erhältlich ist.
2. Dass der Verdacht der „Rape as Backstory“-Trope aufgekommen ist, basiert, soweit ich das wahrnehmen kann, a) auf – mutmaßlich kalkuliert Skandal-schwangeren – PR-Aussagen und b) der Redaktion des Interviews durch Kotaku, ein Online-Nachrichtenportal zu Computerspielkultur, das durchaus dafür bekannt ist, durch boulevardesque Berichterstattung Clicks zu fischen.
Wie sich die Aussagen des Produzenten von „Tomb Raider“ tatsächlich, im Zusammenhang des ganzen Interviews darstellen, lässt sich gerade noch nicht nachvollziehen.
3. Es ist zwar wichtig, sich mit „Backstories“ im Computerspiel zu beschäftigen, eine ausschließliche Beschäftigung mit der „Backstory“ ist aber nicht ausreichend. Die Konzentration auf den INHALT des Mediums lenkt von der Eigenart des Mediums ab.
Tatsache ist, dass es für ein Computerspiel keinen großen Unterschied macht, wie die Spielfigur aussieht, was ihr in Zwischensequenzen angetan wird und was ihre „Geschichte“ ist. „Tomb Raider“ (1996) liefert dafür die Schlüssel-Anekdoten:
a.) Ursprünglich war ein männlicher Hauptcharakter geplant, aber man fürchtete rechtliche Probleme aufgrund der Ähnlichkeit des geplanten Franchise zu Indiana Jones. Also entschied man sich einfach für eine weibliche Grabräuberin.
b) Mit der Zeit hat man Lara Croft immer mehr „Backstory“ verpasst und damit ihre ikonischen Eigenschaften untergraben, die sie vorher so anknüpfungsfähig an alles Mögliche gemacht haben. Die Bedeutung des Franchise nahm in der Folge ziemlich ab. Ich glaube darauf wollte Freund M. mit seinem Kommentar hinaus.
Es wird nun aber mal Zeit, dass man die reine „Mechanik“ namens Lara Croft in den Blick nimmt und sich fragt, was für algorithmische Tropen es gibt, wie sich Gender und Sexismus auch in Form von Spielregeln und Spielstrukturen manifestieren. Dafür ist die Debatte bislang blind und das ist ein Problem. Wenn wir spielen, verinnerlichen wir spielmechanische Ideologie.
4. Alle Diskurse, Argumente und Kontexte zu diesem Thema sind wichtig und gut! Vorschnelle und/oder polemische Beiträge verursachen in mir aber ein flaues Gefühl und lassen mich leidenschaftliche „Teufels Advokat“-Positionen einnehmen, weil sie mir zu einfach und monoperspektivisch sind und die Wahrnehmung von wichtigen Details behindern.
5. Spannende Diskussion! 🙂“
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