Literaturfestival Sprachsalz, Pforzheim: Die Bücher

Sprachsalz Literaturfestival Pforzheim, Lesung Patricia Smith, Foto von Denis Mörgenthaler

das Sprachsalz-Literaturfestival im Parkhotel Pforzheim: Lyrikerin Patricia Smith (links), Foto von Denis Mörgenthaler

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Bis Sonntag bin ich Liveblogger beim Literaturfestival Sprachsalz in Pforzheim.

Ein Festival aus Hall (Tirol), das 2016 zum ersten Mal einen deutschen Ableger erhält: drei Tage Lesungen, über 20 internationale Autorinnen und Autoren. Ich schreibe seit 2005 gelegentlich für (Literatur- und Theater-) Festivalzeitungen, seit 2012 werde ich als Liveblogger eingeladen, u.a. zum Open Mike 2012 (Literaturwerkstatt Berlin) und zu den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig (Deutschlandradio Kultur).

Für Sprachsalz führe ich Interviews, blogge kurze Berichte zu den Lesungen – und längere Features und Essays.

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Am ersten Festivaltag erschienen, von mir:

Längere Interviews mit u.a. Safiye Can schon geführt, doch noch nicht online.

Heute hier im Blog (…und, sobald es von allen Autor*innen auch gute Lesungs-Fotos gibt, auch drüben, auf der Sprachsalz-Festival-Website):

8 Bücher, die ich beim/fürs Festival entdeckte – und bald lesen will

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JOHN BURNSIDE, „Waking up in Toytown. A Memoir.“

  • 262 Seiten, kein deutscher Verlag
  • Original: UK 2010
  • die Fortsetzung von „Lügen über meinen Vater“: Burnside als trockener Alkoholiker beim Versuch, im Leben auf die Beine zu kommen. Das Thema „Wie baue ich mir ein eigenes, erwachsenes Leben?“ interessiert mich mehr als Burnsides Kindheits-/Vater-Buch.

„In the early 80s, after a decade of drug abuse and borderline mental illness, a man runs away to the suburbs, to live what he hopes will be a normal life. He resolves to ‘disappear into the banal’. The suburbs, though, are not quite as normal as he had imagined and, as he relapses into chaos, he encounters a homicidal office worker who is obsessed with Alfred Hitchcock and Petula Clark, an old lover, with whom he reprises a troubled, masochistic relationship and, finally, all his private phantoms – as he drifts further and further into unreality.“ [Klappentext, gekürzt]

Waking Up in Toytown

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VIV ALBERTINE, “A typical Girl” [der US-Titel, Clothes, Clothes, Clothes. Music, Music, Music. Boys, Boys, Boys. ist unendlich viel besser!]

  • 480 Seiten, Suhrkamp 2016
  • Original: UK 2014, Deutsch von Conny Lösch
  • Musiker-Biografien sind mir oft zu verquast. Zu Punk und 70er-/80er-Subkulturen fehlt mir der Bezug. Trotzdem: Ich las die ersten Seiten der Originalversion – und habe große Lust, dieser Frau zuzuhören!

“London, Mitte der Siebziger. In der revolutionären Ursuppe des Punk scheint alles möglich. Aber gilt das auch für Frauen? Gibt es außer Groupie, Elfe oder Rockröhre noch andere Rollen? Viv Albertine wurde zum Riot Girl, lange bevor es diesen Ausdruck gab.” [Klappentext, gekürzt]

A Typical Girl: Ein Memoir

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YANNICK HAENEL, „Das Schweigen des Jan Karski“

“Zweimal wurde Jan Karski, Kurier des polnischen Widerstands, ins Warschauer Ghetto eingeschleust. Anschließend sollte er der Welt kundtun, was er über die Judenvernichtung wusste. Er berichtete vom Terrorregiment der deutschen Besatzer. Doch in England und Amerika mochte niemand seine Botschaft hören. Warum nicht? Diese quälende Frage verfolgte Jan Karski sein ganzes Leben lang. Und sie ließ ihn nach dem Krieg verstummen. Yannick Haenel gibt Karski nun eine fiktive eigene Stimme. Eine Stimme, die berührt – und die nicht ungehört geblieben ist.” [Klappentext]

Das Schweigen des Jan Karski

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JÓN GNARR, „Indianer und Pirat: Kindheit eines begabten Störenfrieds“

  • 220 Seiten, Klett-Cotta 2015.
  • Original: Island 2006 [Teil „Indianer“] und 2012 [Teil „Pirat“], Deutsch von Betty Wahl und Tina Flecken
  • souveräne, aber vielleicht zu drollig-humoristische Memoir voller Island- und 80er-Jahre-Klischees… die mich aber stilistisch sehr überzeugt. Ich glaube, das ist ein kluges, entspanntes Wohlfühl-Buch über eine Anarcho-Jugend.

“Im ersten Teil seiner Autobiographie schildert Jón Gnarr eine Kindheit im Ausnahmezustand: seine Probleme mit dem Schulsystem, das schwierige Verhältnis zu den überforderten Eltern und die aufkeimende Liebe für die Ideen des Anarchismus. Gnarr erzählt von seiner schwierigen Kindheit und macht damit Eltern und Jugendlichen Mut. Denn auch ohne Schulabschluss kann man auf dem Bürgermeistersessel einer Hauptstadt landen.” [Klappentext, gekürzt, Zur ‚Sprachsalz‘-Lesung Gnarrs habe ich hier geschrieben.]

Indianer und Pirat: Kindheit eines begabten Störenfrieds

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PATRICIA SMITH, „Teahouse of the Almighty“

  • 91 Seiten, keine deutsche Übersetzung
  • USA 2006
  • Smiths Gedichte sind sehr narrativ, dicht, manchmal fast journalistisch. Manchmal ist mir das zu didaktisch, belehrend oder gestellt. Doch die Leseproben aus „Teahouse of the Almighty“ waren sehr stark – und live, im Vortrag, wird alles nochmal SO viel besser, strahlender: Bisher ist Patricia Smith meine größte ‚Sprachsalz‘-Entdeckung. Unbedingt Auftritte ansehen/-hören!

“Patricia Smith has taken the stage as this nation’s premier performance poet. Featured in the film Slamnation and on the HBO series Def Poetry Jam, Smith is back with her first book in over a decade—a National Poetry Series winner weaving passionate, bluesy narratives into an empowering, finely tuned cele-bration of poetry’s liberating power.“ [Klappentext, gekürzt; zur ‚Sprachsalz‘-Lesung Smiths habe ich hier geschrieben.]

Teahouse of the Almighty

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TAKASHI HIRAIDE, „For the Fighting Spirit of the Wallnut“

  • 144 Seiten, keine deutsche Übersetzung
  • US-Übersetzung 2008, japanisches Original ebenfalls 2008
  • Hiraides Katzen-Kurzroman „Der Gast im Garten“ nervt und enttäuscht mich: Kein unsympathisches Buch – doch ich verstehe nicht, warum in Deutschland oft die naivsten, schlichtesten, pastelligsten und harmlosesten Texte aus Japan besonders gefeiert werden (Murakamis „Gefährliche Geliebte“; die oft sehr kitschigen Comics von Jiro Tanizaki: je flacher, desto beliebter in Deutschland?). „For the Fighting Spirit of the Wallnut“ ist eine kluge, verrätselte, mitreißende Textcollage – sperrig, komplex, und ein schönes, wichtiges Gegengewicht zum Katzen-Kuschelbuch. Mehr hiervon, bitte!

„An utterly original book-length poem unfold — a mix of narrative, autobiography, minute scientific observations, poetics, rhetorical experiments, hyper-realistic images, and playful linguistic subversions — all scored with the precision of a mathematical-musical structure. The radiant subway. The wall that clears up, endless. A thundering prayer of steel that fastens together the days, a brush of cloud hanging upon it, O beginning, it is there—your nest.“ [Klappentext, gekürzt]

For the Fighting Spirit of the Walnut

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JOACHIM ZELTER, „Die Schule der Arbeitslosen“

  • 208 Seiten, Deutschland 2006.
  • erschienen bei Klöpfer & Meyer.
  • Satire/Dystopie über die marktliberale, hyperkapitalistische „Strengt euch doch an!“-Volkserziehung, mit der die Wirtschaft oft über Arbeitslose spricht: könnte etwas schlicht/durchschaubar sein – doch die ersten Seiten machten mir Spaß, und Zelters Sätze, Pointen und Effekte sitzen. Das Buch ist zehn Jahre alt: Ich hoffe, es hat trotzdem noch Visionen/Biss!

„Deutschland, in naher Zukunft: Eine Gruppe Reisender fährt einer neuartigen, überaus angepriesenen Fortbildung für Arbeitslose entgegen: das Trainingslager »Sphericon«. Der Bus trägt das Logo der Bundesagentur und den Slogan »Deutschland bewegt sich«. Ihr Essen erhalten sie aus Automaten, in Menge und Qualität gestaffelt nach den Leistungen der Vorwoche. Und dann gibt es noch die Stelle eines »Sphericon«-Trainers, um die sich die Teilnehmer bewerben sollen. Mit allen Mitteln.“ [Klappentext, gekürzt. Zur ‚Sprachsalz‘-Lesung Zelters habe ich hier geschrieben.]

Schule der Arbeitslosen: Ein Roman

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CLAIRE KEEGAN, „Das dritte Licht“

  • 96 Seiten, Steidl Verlag 2013.
  • Original: Irland 2010, Deutsch von Hans-Christian Oeser
  • Der Klappentext ließ mich Armuts- und Heimatkitsch vermuten – doch als ich die deutsche Ausgabe anlese, weiß ich: Das wird toll. Ich will das lesen! Erst später merke ich, dass ich das irische Original schon vor Jahren angelesen habe – und damals als „furchtbar!“ aussortierte. Es liegt am Erzählton: Auf Deutsch routiniert-klar-literarisch. Auf Englisch bäuerlicher, kindlicher, rustikal-gefühlvoller. Falls ich das Buch lese, brauche ich den deutschen, kühleren Ton.

„Eine kleine, große Geschichte darüber, was ein Kind zum Leben braucht: An einem heißen Sommertag, gleich nach der Frühmesse, liefert ein Vater seine kleine Tochter bei entfernten Verwandten auf einer Farm im tiefsten Wexford ab. Seine Frau ist schon wieder schwanger, noch ein Maul wird zu stopfen sein. Sollen die kinderlosen Kinsellas die Kleine also ruhig so lange dabehalten, wie sie wollen… Hier gibt es einen Brunnen, der nie austrocknet, Milch und Rhabarber und Zuwendung im Überfluss. Hier gibt es aber auch ein trauriges Geheimnis, das einen Schatten auf die leuchtend leichten Tage wirft.“ [Klappentext, gekürzt]

Das dritte Licht

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…auch auf eines neues Buch von Christoph Simon bin ich gespannt: Ich mochte seine Textsammlung „Viel Gutes zum kleinen Preis“ (2011, Foto unten) – und warte auf etwas Längeres, Neues.

Sprachsalz Literatufestival Pforzheim Christoph Simon

fast 50 weitere Bücher der Sprachsalz-Autor*innen habe ich bei Goodreads gelistet: Link

das vollständige Festivalprogramm – alle Lesungen sind gratis: Link

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