Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.
Heute stellt sich Giesbert Damaschke vor. Der Vorschlag kam von Marius Fränzel, der sein Blog Bonaventura – Lektüren eines Nachtwächters seit 2005 betreibt. Er hatte uns Damschkes Echtzeit-Blogs zum Schiller-Goethe-Briefwechsel und zu Eckermanns Gesprächen mit Goethe ans Herz gelegt.
Dein Steckbrief in Stichworten …
Jahrgang 1961, Studium der Germanistik, Philosophie und Historischer Geographie (ich brauchte halt ein drittes Fach …) in Bonn. Abschluss mit einer Arbeit über Wilhelm Raabe. Seit 1989 Computerjournalist in München, seit 1997 selbstständiger Autor und Trainer zu Internet-/Computerthemen, Schwerpunkt: Apple.
Seit wann, warum und wo bloggst du?
Angefangen habe ich mit einer handgestrickten Homepage 1997 (frühe Formen kann sich, wer will, bei archive.org ansehen), zu Beginn bei AOL, sehr schnell dann auf eigenem Server. Warum? Weil ich es ganz reizvoll fand, „einfach so“ und ohne allzu großen Aufwand publizieren zu können.
Die Blogform habe ich mit Der große Mülleimer ab Anfang 2004 auf blogger.com ausprobiert, bin da aber rasch an die Grenzen gestoßen. 2005 habe ich dann auf damaschke.de WordPress installiert und bin bis heute dabei geblieben.
Überzeugt hat mich bei WordPress der angenehm schlanke Ansatz, inzwischen ist das System ja auch erheblich aufgebläht, aber ein Umzug zu einer anderen Plattform wäre mit zu viel Mühen versehen – ich bin ein fauler Mensch.
Deine Themenschwerpunkte …
Alles, was mich interessiert oder soweit ärgert, dass ich dazu kurz oder auch weniger kurz etwas schreibe. Die Notizen nutze ich auch als Ablagestelle für Glossen und Kommentare, die ich aus verschiedenen Anlässen für verschiedene Auftraggeber geschrieben habe. Thematisch geht es da wild durcheinander: Internet, Technik, Kommentare zum alltäglichen Unfug, der über einen so hinwegschwappt, Klassik, Comics, Bob Dylan – der einzige gemeinsame Nenner aller Beiträge bin wohl ich: „that’s me“.
Thematisch strenger geht es im Arno-Schmidt-Blog zu, das ich Mitte 2005 ergänzend zu meiner 1997 gegründeten Arno-Schmidt-Mailingliste aufgesetzt habe. Hier dreht sich ausschließlich alles um Arno Schmidt & Umfeld. Leider hat mir der Brotberuf in den letzten Monaten keine Zeit gelassen, mich darum zu kümmern und das Blog ist ein wenig verwaist. Aber das muss ja nicht so bleiben.
Seit Mitte 2009 veröffentliche ich den Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe als Echtzeitblog, d.h. die einzelnen Briefe werden um 215 Jahre versetzt an dem Datum veröffentlicht, an dem sie geschrieben wurden.
Ähnlich funktionieren die Gespräche mit Goethe, wo ich Eckermanns Einträge an dem Datum veröffentliche, das er ihnen in seinen Aufzeichnungen gegeben hat. Hier funktioniert die Sache aber nicht so gut, es gibt einfach zu viele, oft monatelange Pausen zwischen den Beiträgen.
Kein Blog ist mare-crisium.de, eine Website, die sich ausschließlich dem Roman “Kaff auch Mare Crisium” von Arno Schmidt widmet.
Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Nicht sehr viel, eigentlich gar nichts. Der Literaturbetrieb ist ein mir fremdes Paralleluniversum. Manchmal tun sich Wurmlöcher auf, und es dringt etwas zu mir durch. Bei manchen Themen werde ich gelegentlich neugierig (Arno Schmidt, Ror Wolf, Klassiker, eBooks), aber das Interesse hält nie wirklich lange an. Das war nicht immer so, früher habe ich etwa zur Buchmesse alles gelesen, was mir in die Finger fiel, heute interessiert mich das alles nur noch sehr am Rand – wenn überhaupt.
Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?
Gar nicht. Manchmal weise ich bei Twitter auf einen neuen Beitrag hin, meistens allerdings nicht.
Was sollte ein Blogger besser sein lassen?
Das muss jeder selbst ausprobieren. Ich maße mir nicht an, hier irgendwelche Regeln aufzustellen.
Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?
An erster Stelle ist sicherlich Ausdauer zu nennen. Bloggen ist ein Marathon, kein Sprint. Man sollte sich auch nicht selbst unter Druck setzen und glauben, man müsse nun jeden Tag etwas posten. Das muss man nicht.
Danach kommt die vermaledeite Technik. Das ist zwar alles sehr viel einfacher als vor – sagen wir mal 10 Jahren, aber wenn man (wie es mir letztens passiert ist) durch den Ausfall eines Spamfilters plötzlich 3.500 Spam-Kommentare im Blog hat, die man dann noch nicht einmal en bloc löschen kann, dann stößt man schon sehr deutlich an die Grenzen der Technik.
Dein schönstes Erlebnis als Blogger …
Das erstaunliche Interesse, auf das das Schiller/Goethe-Blog gestoßen ist.
Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?
Sie bieten mir keine an.
Wie hältst du es mit dem eBook?
EBooks interessieren mich, seit ich mich mit Computern beschäftige. Das sind nun immerhin auch schon gut 30 Jahre. Ich gehöre zu den Leuten, die sich seinerzeit das Rocket eBook gekauft haben. Das war aber eher nichts, viel zu schwer, zu kurze Akkulaufzeit, matschiger Bildschirm, krude Software zum Befüllen und so weiter. Dann habe ich meinen Palm V als eBook-Reader eingesetzt und darauf unter anderem Karl Mays monströsen 2.500-Seiten-Roman “Waldröschen” gelesen (was überraschend gut funktioniert hat).
Als der erste Kindle auf den Markt kam, war ich enttäuscht, das Gerät war mir entschieden zu hässlich und viel zu langsam. Glücklicherweise hat Amazon da kräftig nachgebessert. Meinen Kindle habe ich immer dabei und möchte ihn auf gar keinen Fall mehr missen.
Es hat zwar etwas gedauert, aber das eBook ist nicht mehr aufzuhalten. Ich vermute, dass zukünftige Generationen unter “Buch” ganz selbstverständlich ein eBook verstehen und die heutigen Bücher als “P-Book” oder dergleichen bezeichnet werden.
Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Bonaventura, Der Umblätterer und Christian Koellerer wurden ja schon genannt oder vorgestellt. Ich möchte noch litteratur.ch ergänzen, ein Blog mit immer lesenswerten Rezensionen und Kommentaren zu Literatur, über die zu reden sich auch wirklich lohnt. Wünschenswert wäre, dass du mit dem Betreiber ein Gespräch suchst.
Danke, Giesbert. Dann werde ich mich in der Schweiz auf die Suche nach dem Betreiber machen …
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Zuletzt stellt sich Ada Textkrieg mit text krieg vor. Ihre Wunsch-Interviewpartnerin war @Anousch mit ihrem Blog Anousch. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand, findet sich hier
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Den Briefwechsel von Goethe und Schiller als Blog zu veröffentlichen, das ist eine grossartige Idee. Ich hätte es sicherlich nicht geschafft, den ganzen Briefwechsel durchzulesen, aber in Echtzeit – einfach grossartig. So habe ich auch Zeit genug, einigen Gedanken der Herren (z.B. zur Ästhetik) nachzugehen und hinterherzudenken
Giesbert Damaschkes Beitrag zum deutschsprachigen Web ist eminent, auch der Planet damals, ein Mensch mit Verstand, Intellekt und Ästhetik, gibts nicht oft.
Danke dafür!
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