Steglitz stellt Simone Finkenwirth mit „Klappentexterin“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Der heutige Nikolaus hat einen Beitrag von Simone bzw. der Klappentexterin im Gepäck, womit 30 Interviews innerhalb dieser Gesprächsreihe beisammen sind! Und noch eine Bemerkung mag ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen: Das Genderverhältnis, das lange zuungunsten der Bloggerinnen ausgefallen war, verkehrt sich mit Simones Porträt: Mit 16:14 liegen die Frauen hier ab sofort vorne. – Ob es dabei bleibt?

Dass wir Simone und ihr Blog Klappentexterin etwas näher kennenlernen sollten, hatte Mareike Fallwickl aka Bücherwurm Mariki angeregt, die Bücherwurmloch betreibt.

Dein Steckbrief in Stichworten …

Ich liebe das gedruckte Wort, ob selbst geschrieben oder mit den Augen aufgelesen. Mein Herz ist groß, mein Verstand hellwach und meine Beine sehr flink.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

mit Lesebrille © Klappentexterin

mit Lesebrille © Klappentexterin

Ich blogge schon längere Zeit. Durch jetzt.de fing ich seinerzeit an, eigene Gedanken niederzuschreiben, manchmal kletterten auch Geschichten aus meinem Kopf, für die ich bei jetzt.de keinen Platz fand. Also füllte ich einen gemischten Blog mit Bildern und Texten, doch irgendwann wollte ich eine gerade Linie, einen starken Baum, an dem ich hochklettern kann. Im April 2010 küsste mich die Muse und legte mir die Klappentexterin auf die Tasten. Dieses Geschenk nahm ich lächelnd an. Lange schon wollte ich einen Ort, an dem ich besondere Bücher vorstellen konnte. Besondere Bücher, an die sich die Menschen seltener heranwagen, weil über sie weniger gesprochen wird und sie nicht unbedingt dem Massengeschmack treffen. Besondere Bücher, die kaum oder nie etwas vom großen Marketingbudget abbekommen. Besondere Bücher, die zu leise für die Bestsellerliste sind und deren kleine Stapel mein Herz schneller schlagen lassen. Ich arbeite mit WordPress, weil mich das Design am meisten überzeugte und das Arbeiten damit sehr einfach ist.

Deine Themenschwerpunkte …

Ich lese am liebsten zeitgenössische Literatur, druckfrische Bücher genauso gern wie ältere Werke. Anfangs griff ich auch öfter zum Klassiker, doch das hat zuletzt leider etwas nachgelassen, weil die Neuheiten einfach immer mehr werden, so dass mir für die Klassiker oft die Zeit fehlt. Obendrein interessiere ich mich sehr für jüngere Literatur. Dazu habe ich vor eineinhalb Jahr die Rubrik Junge Literatur ins Leben gerufen und mit eigenem Logo versehen. Ich schreibe aber nicht nur über Bücher, sondern auch über andere Themen, die sich mit der Welt der Literatur beschäftigen. Besonders gern entdecke ich Berliner Buchhandlungen, besuche Veranstaltungen oder lasse meiner Kreativität freien Lauf. Bücher setzen in mir viel in Bewegung, ja, sie inspirieren mich im hohen Maße. Warum soll ich all das für mich behalten, wenn ich andere Menschen dort draußen damit glücklich machen kann?

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Dunkle Wolken ziehen auf – momentan ist vieles unsicher und im Wandel. Keiner weiß so genau, wohin die Reise gehen wird. Diese Unsicherheit beschäftigt mich, obwohl ich daran glaube, dass es den Buchhandel weiterhin geben wird, nur anders. Betrübt bin ich darüber, dass immer mehr Menschen aus dem öffentlichen Leben Bücher schreiben und dadurch unbekannten Autoren und Autorinnen den Platz wegnehmen. Außerdem vermisse ich eine Beständigkeit auf dem Literaturmarkt. Wie schnell ist ein Buch heute gefragt und morgen längst vergessen! Das war früher anders. Gut, die Zeiten ändern sich, nur heutzutage ist einfach zu vieles medienausgerichtet. Da braucht nur ein Autor oder Moderator ein Buch in der Talkshow hochzuhalten, und schon wollen alle nur das eine. Und zwar sofort! In zwei Wochen ist dann wieder Sense, es sei denn, der Autor wiederholt das Spiel. Meist handelt es sich um bekannte Menschen, die so etwas veranstalten. Da wird die potentielle Kaufkraft von möglichen anderen Titeln weggezogen. Das macht mich ein bisschen traurig, denn es gibt so viele wunderbare Bücher, die in dem Marketinglärm oft untergehen.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Auf meiner Facebook-Fanpage lade ich jeden Beitrag hoch, ebenso bei Twitter. Darüber hinaus bewege ich mich in der vernetzten Blogsphäre. Anfangs war das ein Instrument, um auf mich aufmerksam zu machen. Denn ein Blog ist wie eine Pflanze, die man pflegen muss. Dazu gehört auch Networking, ohne das bleibt man ein unbekanntes Licht im großen Internetuniversum. Jetzt gehören meine Blogspaziergänge einfach dazu. Sie sind das Gewürz in meiner Blogsuppe, ohne die ich mir mein Blogleben nicht mehr vorstellen kann. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Menschen es gibt, die mit mir die Liebe für die Literatur teilen und die so unwahrscheinlich herzlich sind. Wir kennen uns in der Regel nicht persönlich, nur durch unsere Texte, und sind uns doch sehr vertraut. Das sind die Wunder der heutigen Zeit, die mich immer wieder staunen lassen und glücklich machen.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Nicht authentisch zu sein. Der eigene Blog ist das Herzstück der Persönlichkeit sowie die Spielwiese für eigene Ideen und Reflexionen. Kürzlich las ich davon, dass es dort draußen Menschen geben soll, die Rezensionen abschreiben und bei sich veröffentlichen. So etwas macht mich wütend und fassungslos.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Zeit ist eine der größten Hürden. Zeit, Texte zu schreiben. Zeit, sich im Internet zu bewegen und Zeit, seine Kontakte zu pflegen. Das fällt mir gerade jetzt auf, in der eine ereignisreiche Phase in die nächste fällt. Ich möchte so sehr und kann oft nicht. Die Zeit legt mir ihre Ketten an. Ich habe nicht nur meinen Blog, ich habe auch einen Vollzeitjob, Freunde und einen Partner. Bei 24 Stunden am Tag kann das schon sehr eng werden, ein straffes Korsett, das sich um das Leben spannt. Dennoch habe ich es aufgegeben, schon allein durch Selbstschutz, immer und jeden Tag online aktiv zu sein. Da passiert am Ende nämlich genau das Gegenteil – statt Lust kommt der Frust in großen Schuhen angeschlürft. Abschalten gehört zum Bloggen genauso dazu.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Oh! Da gibt es viele, so viele, dass ich fliegen könnte. Stell dir einen großen Garten mit leuchtend farbigen Blumen und leckeren Früchten vor. Wie soll ich da nur ein Erlebnis herauspflücken? Großartig und an dieser Stelle unbedingt erwähnenswert sind die Kontakte zu Autoren und Autorinnen. Die sind wertvoll und bereichernd, sie sind meist zufällig durch eine Begegnung im wirklichen Leben entstanden. Genauso schätze ich den Austausch mit meinen Lesern und meinen lieben Freunden aus der Bloggerszene. Ohne meine KollegInnen wäre das Bloggerleben nur halb so schön. – Halt. Doch eine Sache hat mir fast den Atem geraubt. Als ich im vergangenen Jahr nach einem warmen Sommertag abends erfuhr, dass ich zur Online Autorin des Jahres 2011 gekürt worden war!

der Pokal © Klappentexterin

der Pokal © Klappentexterin

Oh, gratuliere! Wie kam es dazu?

Das Autorennetzwerk Suite 101 hat 2011 den 29. Juni als „Tag des Schreibens“ initiiert. Zu diesem Anlass wurde der Online Autor des Jahres 2011 gesucht, für den man vorgeschlagen werden konnte. Plötzlich fand ich mich auf der Liste wieder. Danach folgte eine Abstimmungsphase, in der für die Nominierten gestimmt werden konnte. Ich habe dazu auf meinem Blog sowie auf der Fanpage aufgerufen. Die Kandidaten mit den meisten Stimmen kamen in die Endrunde, in der die Jury selbst entscheiden wollte, wer den Preis verdient hat. Meine Fans und Leser haben mir so viel Unterstützung gegeben, dass ich es ins Finale geschafft habe und die Jury überzeugen konnte. Sie schrieb über mich folgende wertschätzenden Worte: “Klappentexterin Simone Finkenwirth vereint gekonntes, elegantes, schönes Schreiben mit Herzblut für ihre Themen, mit kritisch-liebevoller Distanz, Meinungsstärke und Sachkenntnis – sie hat sich unserer Meinung nach diese erstmals vergebene Auszeichnung redlich erschrieben.” Als Preis gab es einen hübschen Blumenstrauß und einen schönen Pokal.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Ich habe meinen Blog gegründet, um unabhängig über die Bücher zu schreiben, die mir am Herzen liegen und die ich mir aussuche. Selbstbestimmtheit ist mir wichtig und so wähle ich meine Lektüre aus. Mein Zeitplan ist straff, weshalb ich Anfragen genau unter die Lupe nehme und nur solche Bücher auswähle, die mich wirklich interessieren. Mein Blog soll mir Spaß bereiten, doch wenn ich mich selbst durch zu viele Bücher in die Enge treiben würde, würde aus der bunten Spielwiese sprödes Heu werden.

Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Wie bereits erwähnt, wähle ich mir meine Bücher selbst aus. Das hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, sondern mit Freiheit. Das zu lesen, was ich möchte – und die Zeit, in der ich das machen kann, ist eng begrenzt. So habe ich nur maximal zwei Stunden dafür am Tag Zeit dafür – außer an den Wochenenden oder im Urlaub. Ich möchte mich nur ungern von meiner Lesefreiheit trennen. Auf der anderen Seite sehe ich, wie schwieriger es für Schreibende wird, ihre Werke bei Verlagen unterzubringen.

Wie hältst du es mit dem eBook?

Für mich ist ein eBook der Kühlschrank unter den Büchern. Die elektronischen Bücher sind praktisch, aber kalt, kein sinnliches Erlebnis. Wenn ich lese, brauche ich den Papiergeruch (jedes Buch riecht anders) und das wunderschöne, knisternde Rascheln der Seiten. Ich möchte sehen, wie viele Seiten ich noch vor mir habe. Ein Buch in der Hand zu halten, hat auch etwas Heimisches und Vertrautes für mich. Es ist ein Schwert, das stressige Zeiten abwehrt und mir das Gefühl von Geborgenheit schenkt. An einem Buch kann ich mich festhalten, mit einem eBook wäre das ein Ding der Unmöglichkeit. Nein, vorerst bleibe ich lieber beim klassischen Buch. Wenngleich mir klar ist, dass eBooks ein Thema für die Zukunft sein werden.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Hier sind schon einige mir wohl vertraute und hochgeschätzte Blogs zu Wort gekommen oder wurden bereits erwähnt wie die liebe Mareike, die mir den Staffelstab in die Hand gedrückt hat. Außerdem Bibliophilin, buzzaldrins Bücher, SchöneSeiten, Syn-ästhetisch, die Seitenspinnerinnen sowie Herr Flatter Satz, deshalb seien auch folgende genannt: writeaboutsomething, Japanliteratur.net, Literaturen, das Experiment 1001 Bücher, Ein Buch muss die Axt sein und … ach, ich darf ja nur fünf nennen. Schade!

Aber ein Blog liegt mir persönlich sehr am Herzen. So wünsche ich mir Ada Mitsou liest… als nächste Stimme in dieser Runde, eine sehr geschätzte Bloggerkollegin von mir, die ein besonderes Gespür für feine Kinderbücher und für das kleine großartige PapierBücherGlück hat.

Danke sehr Simone für deine Auskünfte und besondere Nikolauspräsente in Form von Blogpreziosen.

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Zuletzt stellte sich Marcus Johanus mit seinem gleichnamigen Blog vor. Sein Wunsch-Interviewpartner war Axel Hollmann. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier

„Soap“. Eine Seifenoper – oder ein Lehrstück über Selfpublishing?

Michael Meisheit ist ein erprobter Autor, der seit 15 Jahren erfolgreich Drehbücher für die populäre Fernsehserie „Lindenstraße“ schreibt, die immer sonntags um 18:50 Uhr im Ersten läuft. Deutschlands älteste Seifenoper hat eine Stammkundschaft von ca. 3 Millionen Zuschauern. Meisheit ist als ihr Autor bekannt und im Mediengeschäft entsprechend erfahren.

Spannend finde ich, dass der gut vernetzte Drehbuchautor trotz seiner Bekanntheit auch einer von denen ist, die ihre Bücher nicht auf herkömmlichen Wegen veröffentlichen. Wie viele andere  wog er Chancen und Risiken hinsichtlich Selfpublishing ab, um den Schluss zu ziehen, dass die Vorteile überwiegen. Mehr noch, er geht sogar einen Schritt weiter. In einem Kommentar bei SteglitzMind erklärte er unumwunden, dass ihm „die Frage, ob ein Verlag den Roman genommen hätte, fast albern vorkommt.“

Da ich dem näher auf den Grund gehen wollte, habe ich mich eingehender mit seinem Debüt als Indie-Autor beschäftigt. Ist seine Geschichte exemplarisch? Was prädestiniert ihn als Selfpublisher?

Coverentwurf (c) Henk Wyniger_2

Diese Idee wurde präferiert © Coverentwurf: Henk Wyniger

Für seine Entscheidung, seinen Roman mit dem Titel „Soap“ auf eigenen Wegen herauszubringen, sprechen meines Erachtens eine Reihe von Faktoren. Er ist ein eingeführter Autor. Bedingt durch seinen Job verfügt er über einige persönliche Kontakte zu Journalisten. Er experimentiert gerne und nutzt die neuen Möglichkeiten seit Jahren, die das Netz Autoren bietet. Er hat schon gebloggt als es hierzulande noch kaum einer tat, nämlich vor mehr als zehn Jahren auf jetzt.de. Mit seinem Projekt „Vanessa X“ startete er im August 2011 die erste deutsche Science-Fiction-Blog-Novela. Er hat außerdem ein professionelles Team im Rücken, das seine Projekte ehrenamtlich unterstützt, und – schlussendlich – existierte auf seinem Rechner seit zehn Jahren ein Ordner, in dem sich das Romanmanuskript befand.

Als Meisheit sich im Sommer dieses Jahres darauf besann, waren die technologischen Voraussetzungen für Eigenverleger gegeben und inzwischen relativ leicht handelbar. Die ersten deutschen Selfpublisher machten mit Erfolgen öffentlich von sich reden. Das spornt natürlich an, Titel aus eigener Kraft auf den Markt zu bringen. Erfolg versprechend war in seinem Fall in meinen Augen auch, dass „Soap“ eine klar umrissene und zudem reichweitenstarke Zielgruppe hat. Erzählt wird darin von einer fiktiven Fernsehserienproduktion namens „Schöneberg“, wo der junge Filmstudent Lukas als Serienautor eine Beschäftigung findet. Der Romantitel „Soap“ ist Programm. Nicht allein, weil die Erlebnisse des Helden wie eine Seifenoper daherkommen, auch die strukturellen Elemente spielen gekonnt mit Soap-Stilmitteln. Womit der unterhaltsam-spritzige Roman Fans der „Lindenstraße“, Liebhaber von Soap bzw. von Fernsehserienproduktionen und natürlich all jene anspricht, die sich für einen Blick hinter die Kulissen von Fernsehserien interessieren.  – Gleichwohl dürfte sich Meisheit bewusst gewesen sein, dass die Produzenten der „Lindenstraße“ seinen Alleingang mit „Soap“ nicht promoten würden.

Auch getrieben vom Impuls, dass Autoren sich ihr Publikum neu erschließen müssten, beschloss Meisheit, die Arbeit am Text, das Prozedere der Publikation und das sich anschließende Buch-Marketing öffentlich zu machen. Für seine Gehversuche als Indie-Autor nutzte er ab 14. Juli 2012 seinen Blog. Ebenso zum Einsatz kam sein Twitteraccount, das seit Mai 2009 existiert, und Facebook, wo für „Soap“ im Oktober 2012 eine Fanseite eingerichtet wurde. – Der Entscheidung, auf diese Kanäle zu setzen, kam sicherlich entgegen, dass sich „Lindenstraßen“-Fans und Soap-Liebhaber gerne in Foren und Netzwerken aufhalten. Bei Twitter hat die „Lindenstraße“ ein eigenes Account und Meisheits Blog besuchen Fans der Serie seit jeher gerne.

Das Cover kam auch nicht an  © Entwurf: Henk Wyniger

Dieses Cover fiel durch © Entwurf: Henk Wyniger

Von Anfang an war es sein Ziel, interessierte Leser aktiv in den Entstehungsprozess einzubinden. Deshalb veröffentlichte er nicht nur Kapitelauszüge und Posts über die Genese des  Projekts, er regte vielmehr fortlaufend Diskussionen an. So wurde etwa gemeinsam für den Protagonisten ein Name gesucht. Auch wurde mit ihnen darüber diskutiert, wie viel Sex bzw. nackte Haut sein dürfe oder ob eine auktoriale Erzählhaltung („Klugscheißer“) durch den Roman trüge. Testleser übernahmen Lektorat und Korrektorat. Ohne das Team hätte „Soap“ heute beispielsweise einen völlig anderen Umschlag. Das Cover, das Meisheit und sein Illustrator Henk Wyniger präferiert haben, fiel bei der Abstimmung glatt durch.

Von den günstigen Startbedingungen einmal abgesehen, scheint mir Michael Meisheit in mancherlei Hinsicht prototypisch für eine neue Selbstverlegergeneration zu sein. Sie sind zumeist internetaffin und schlagen auch deshalb selbstbewusst innovative Wege ein, weil sie von den Möglichkeiten fasziniert sind, die das Internet Autoren bietet. Ein schmales Budget machen sie durch originelle Ideen und innovative Wege wett. Dass sie dem klassischen Verlagswesen absagen, hat vielfach auch mit einschlägigen Erfahrungen zu tun. So auch bei Michael Meisheit, dessen Roman vor zehn Jahren einer Literaturagentin zwar zu Gefallen war, weil der Stil überzeugte, das Soap-Sujet allerdings nicht. Medienthemen, so deren Ansage, würden im Roman nicht funktionieren. – Ein Stachel im Fleisch?

Allerdings beschränkt sich der „Selbstversuch“, wie Meisheit sein „Soap“-Projekt nennt, nicht nur auf den Publikationsweg. Nebenbei stellt der Indie-Autor damit auch herkömmliche Produktions- bzw. Schreibprozesse in Frage. Seit seinem Versuch mit dem Blogroman „Vanessa X“ experimentiert er im Netz mit Erzählformen, -arten und -haltungen. „Vanessa X ist ein erster Versuch, durch Links und auch durch die Interaktion mit Social-Media-Plattformen eine fiktive Welt zu schaffen, die über einen bloßen Text hinausgeht“, wie er im Oktober 2011 in einem Gespräch mit der Klappentexterin u.a. ausführte. – Seiner Entscheidung für eine interaktive Arbeitsweise im Schulterschluss mit Blogbesuchern, Fans, Followern und Lesern, mag freilich auch entgegengekommen sein, dass Serienautoren im Team schreiben. Mit tradierten Vorstellungen vom Künstler, der sein Werk im Alleingang und in Abgeschiedenheit verfasst, haben diese Autoren wohl eher nichts gemein.

Schön finde ich, dass Michael Meisheit sein Debüt als Indie-Autor auf seinem Blog von Anfang an dokumentiert hat. So kann man dort nicht nur die Genese des Romans bis zum Erscheinen als Print und eBook verfolgen. Auch das „Auf und Ab“ ist dort festgehalten: Welche Publikationsformen und -plattformen eignen sich, was dürfen Taschenbuch und eBook kosten, ist das Ende stimmig? Regelrecht mitfiebern muss man beim Blogpost vom 20. November, in dem nachzulesen ist, wie Meisheit sein Buch bei Amazons Tochterunternehmen CreateSpace hochlädt. Umso größer ist die Erleichterung, als er sein gedrucktes Buch endlich in Händen hält. Das Bild, das er am 23. November postet, zeigt einen rundum zufriedenen Selfpublisher, der seinen Erstling stolz präsentiert.

Ich freue mich sehr, dass Michael Meisheit hier demnächst Rede und Antwort steht. Dann werden wir u.a. von ihm erfahren, was er fürs Buchmarketing tut und wie sich der Alleingang mit „Soap“ rechnet.

Steglitz stellt Marcus Johanus vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Stefanie und Yvonne, die gemeinsam Leselink betreiben, haben Marcus Johanus vorgeschlagen, der sich und sein Blog heute vorstellt.

Dein Steckbrief in Stichworten …

  • Berliner
  • zwei Examen in den Fächern Germanistik und Politologie
  • bisher veröffentlicht: Kurzgeschichten, Rezensionen und Texte für die Spielmagazine WunderWelten, Ringbote und Cthulhoide Welten und für das Rollenspiel H.P. Lovecrafts Cthulhu
  • schreibt Thriller für Erwachsene und Jugendliche
  • Blogger
  • Podcaster seit Frühjahr 2012 gemeinsam mit dem Krimi- und Thriller-Autoren Axel Hollmann: Die SchreibDilettanten. Der Podcast für Romanautoren.

Seit wann, warum und wo bloggst du?

Ich blogge seit 2011 auf WordPress. Ich habe mich kurz mit anderen Plattformen und auch mit der Möglichkeit beschäftigt, meinen Blog selbst zu hosten. Entweder fand ich das zu aufwändig oder zu einschränkend. WordPress stellt einen guten Kompromiss dar.

Deine Themenschwerpunkte …

Kreatives und dramatisches Schreiben und alles, was zum Thema gehört, wie z.B. Motivation, Umgang mit dem inneren Kritiker und Rezensionen zu Büchern, Filmen, TV-Serien …

Was treibt dich in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Marcus Johanus © Marcus Johanus

Marcus Johanus © Marcus Johanus

Das kann ich so nicht sagen. Ich bemühe mich darum, beim Lesen in die Breite und nicht in die Tiefe zu gehen. Ich lese deswegen aus möglichst vielen Genres verschiedene Autoren, entdecke hier und da Klassiker, versuche aber auch neue Autoren und vor allem Bestseller zu lesen. Dabei bin ich immer auf der Suche nach dem guten Buch. Soll heißen: Ein Roman muss für mich mitreißend sein. Sobald ich an den Seiten kleben bleibe, ist er gut. Dabei ist mir gleich, ob es sich um einen Krimi, historischen oder einen SF-Roman, Fantasy, Jugendbuch oder um ein Sachbuch handelt.

In diesem Zusammenhang finde ich spannend, dass sich der deutsche Markt seit einigen Jahren immer mehr auch für deutsche Autoren öffnet, die eben diese Qualität auch besitzen. Das war vor zwanzig, dreißig Jahren noch nicht so. Ich hoffe, dass diese Entwicklung anhält.

Wie machst du dein Blog und deine Beiträge bekannt?

Ich mag Twitter sehr gerne. Mit Facebook fremdele ich noch ein wenig, obwohl ich die Notwendigkeit, dort präsent zu sein, einsehe. Im Prinzip müsste man für seinen Blog auch und gerade offline werben, um mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Dafür fehlen mir jedoch noch zündende Ideen.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

Mich persönlich interessieren Blogs, die schnell auf den Punkt kommen, ohne oberflächlich zu sein. Die an vielen Stellen empfohlenen 500-Wörter-Artikel langweilen mich deswegen meistens. Allerdings mache ich auch einen Bogen um 2000-Wörter-Buchstabenwüsten. Einerseits finde ich die Nabelschau ebenfalls furchtbar uninteressant. Ein Blogger, der sich nur um sich selbst dreht, ohne einen Nutzen für den Leser zu bieten, langweilt mich. Andererseits muss ein Blog auch eine persönliche Note, einen unverwechselbaren Charakter haben.

Ich finde also, ein Blogger sollte die Extreme vermeiden.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

Regelmäßig zu posten. Ein Blog steht und fällt damit, häufig aktualisiert zu werden. Das kann in Stress ausarten. Hier muss man einen Weg finden, wie man das durchhält, ohne sich selbst auszubeuten. Hinzu kommt der lange Atem, denn in den ersten Monaten interessiert sich so gut wie niemand für deinen Blog.

Dein schönstes Erlebnis als Blogger …

Wenn Kommentatoren meiner Artikel auf meinem Blog anfangen miteinander zu diskutieren. Ich freue mich riesig darüber, Gedanken anstoßen zu können und dabei zuzusehen, wie sie sich entwickeln.

Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

Ich nehme sie an, wenn sie zu meinem Blog passen.

Und wie würdest du damit umgehen, wenn dir Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Ebenso.

Wie hältst du es mit dem eBook?

Ich lese inzwischen privat fast nur noch eBooks. Die Vorteile zum gedruckten Buch überwiegen für mich.

Welche anderen Blogs empfiehlst du (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Natürlich: Axel Hollmann und Die SchreibDilettanten; außerdem das Literaturjournal von Kerstin Brömer, Richard Norden, hier dreht sich alles rund ums Schreiben, und schriftzeit, das ‚Blog für Autorinnen und Autoren, die bessere Romane schreiben wollen‘. –  Den Stab weiterreichen möchte ich an Axel!

Dann schaun wir mal, ob Axel deinen Ball auch fängt. Danke, Marcus!

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Zuletzt stellte sich Svenja mit Syn-ästhetisch vor. Ihre Wunsch-Interviewpartnerin war die Bibliophilin. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier