Steglitz stellt die Herren sandhofer und scheichsbeutel mit „litteratur.ch“ vor

Buchaffine Blogbetreiber, die sich jeweils in Kurz-Interviews präsentieren, sprechen Blogempfehlungen aus, deren Betreiber wiederum eingeladen werden, sich den Fragen zu stellen. Das ist Ziel der losen Interview-Reihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger vor“, deren Intentionen ich anderenorts detaillierter erläutert habe.

Es dauerte ein ganzes Weilchen, bis ich die Köpfe ausfindig machen konnte, die hinter litteratur.ch stehen. Der Vorschlag, dass wir sie etwas näher kennenlernen sollten, kam von Giesbert Damaschke , der u.a. die Echtzeit-Blogs zum Schiller-Goethe-Briefwechsel und zu Eckermanns Gesprächen mit Goethe pflegt.

Euer Steckbrief in Stichworten …

sandhofer: Zuerst vielen Dank für die Einladung zum Interview. Wie Du siehst, gibt es uns durchaus…

sandhofer erblickte das Licht der Welt vor ca. einem Dutzend Jahren als e-mail-Adresse. (Weshalb sandhofer bis heute Wert darauf legt, dass sein Name mit kleinem ’s‘ beginnt!) Zwei oder drei Jahre später mutierte sandhofer zum nom de plume (oder nom de guerre – wie man will) in verschiedenen Foren, seit kurzem auch in einem sog. Blog. Der Mensch hinter „sandhofer“ ist der Meinung, genügend uninteressant zu sein, dass sein Name und sein Werdegang weggelassen werden können. Außerdem ist er der Meinung, dass es das Recht jedes Menschen sein sollte, im Internet unter Pseudonym unterwegs sein zu dürfen. Dabei ist er allerdings auch nicht so verbissen wie z.B. der Mann, der hinter „Atze Schröder“ steckt. Er weiß durchaus, dass sich sein Klarname finden lässt, so man sucht.

scheichsbeutel: Österreicher mit Hang zur Anonymität, im Grunde dadurch motiviert, dass – wie mein Vorredner bereits bemerkte – der Name hinter den Beiträgen von nachrangiger Bedeutung ist.

Seit wann, warum und wo bloggt ihr?

sandhofer: sandhofer hat sich jahrelang in Foren herumgetrieben. Als Mitglied, als Moderator, als Administrator – bis eines Tages bei zwei weiteren und ihm das Bedürfnis entstand, ein eigenes Forum zu verwirklichen, wo nach unsern Vorstellungen diskutiert werden konnte. Erste Versuche bei einem Forenhoster waren wegen dessen Unzuverlässigkeit im Erbringen seiner Dienstleistungen recht unbefriedigend. Also kam der Gedanke auf, auf einer eigenen Domain ein eigenes Forum zu betreiben. Dass dies dann in der Schweiz geschehen sollte, war reiner Zufall, da wir alle drei aus verschiedenen Ländern stammen. Allerdings fand sandhofer einen guten und trotzdem nicht teuren Anbieter, der auch schon unsere Lieblings-Forensoftware vorinstalliert hatte, SMF. Mittlerweile haben wir die Dritte im Bunde, die einzige Frau, verloren. Ganz einfach verloren. Eines Tages war sie weg, so, wie eines Tages Herkules plötzlich aus dem Kreise der Argonauten verschwunden war. Ich hoffe, dass sie wirklich einfach wie Herkules zu eigenen Heldentaten unterwegs ist. Wir zwei verbleibenden Argonauten schiffen unterdessen alleine weiter.

der Lesevogel © litteratur.ch

der „Lesevogel“ © litteratur.ch

Schon bald kam bei den Betreibern von litteratur.ch der Gedanke auf, dass die eine oder die andere Notiz auch etwas hervorgehobener erscheinen sollte, als dies in einem Forum möglich ist. Die Frage der technischen Möglichkeit behinderte uns allerdings etwa zwei Jahre lang. Ich weiß nicht mehr, wie viele Datenbanken ich installiert und deinstalliert habe, wie viele CMS wir getestet haben. Selbst an den Aufbau einer eigenen Datenbank dachten wir. Für mich war von Anfang an klar: Kein Blog, ich will kein Blog. Als ich dann endlich begriff, dass eine Blogging-Software auch nur eine Spezialform eines CMS ist, war mein Widerstand allerdings gebrochen. WordPress war bei meinem Host ebenfalls vorinstalliert; als einfachstes in Bezug aufs Handling wurde es dann aktiviert. So haben wir nun vor kurzem das Ein-Jahres-Jubiliäum des Blogs gefeiert. Dennoch lässt sich der Fori nicht verdrängen und bis heute fasst sandhofer sich nicht als Blogger auf. Die Antwort-Funktion in unserm Blog war zuerst komplett deaktiviert, und noch immer muss man angemeldet sein, um einen Kommentar hinterlassen zu können. Ich bin auch der Meinung, dass die Blogging-Software keine Diskussionen ermöglicht in der Art, wie dies ein Forum tut.

scheichsbeutel: Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Außer, dass ich früher auf antville auf ein eher privates Blog mit eingeschränktem Zugang unterhalten habe.

Eure Themenschwerpunkte …

sandhofer: Ich zitiere der Einfachheit halber von unserer Startseite. „Wir lesen alles – aber erfahrungsgemäß sind nicht alle Texte gleichermaßen in der Lage, interessante Diskussionen zu entfachen. Daher das “falsche” ‘t’ in „Litteratur“, ein Hinweis auf das Faible für Klassiker, oder besser gesagt ein Faible für jene Zeit, in der in Anlehnung an das lateinische “littera = Alles Geschriebene” dieses zweite ‘t’ noch verwendet wurde.“

scheichsbeutel: Tatsächlich alles, denn über Einfältiges lässt sich Intelligentes sagen (und vice versa). Wobei mein Interesse sehr stark in Richtung Philosophie geht …

Was treibt euch in der Literaturszene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

sandhofer: Umtreiben … umtreiben … Ich denke, das ist das falsche Wort, denn das würde bedeuten, dass ich wegen einer Sache schlaflose Nächte verbringe. Dem ist mitnichten so, aber ich verfolge interessiert die Bemühungen von SteglitzMind so etwas wie einen Verhaltenscodex der mit literarischen Texten beschäftigten Blogs zu definieren. Ebenfalls fasziniert mich im Moment der „Shitstorm“ um ein paar Wörter, die ein Verlag in einem alten Kinderbuch geändert hat. Und last but not least (und à propos „Shitstorm“) die immer wieder aufflackernden Flame-Wars, wenn mal wieder ein Blogger sich traut, ein Buch zu besprechen, das er bekennender Weise nicht zu Ende gelesen hat.

scheichsbeutel: Mich treibt kaum etwas um – im Gegenteil: Ich bin froh, in keinster Weise in den Literaturbetrieb involviert zu sein.

Wie macht ihr das Blog und eure Beiträge bekannt?

sandhofer: Kaum. Hin und wieder ein Eintrag bei Google+. Noch seltener einer bei Facebook. Ich bin kein genuiner Blogger, und mein Ziel sind nicht möglichst viele „Follower“ oder Blogger, die auf litteratur.ch Kommentare hinterlassen. Viel interessanter finde ich, dass wir – je nach Ländereinstellung – bei gewissen Suchbegriffen für Google unterdessen auf der ersten Seite auftauchen. Dafür braucht es eine gewisse Regelmäßigkeit im Publizieren, vielleicht sogar eine gewisse Qualität der Beiträge – und geschickt gewählte Tags in WordPress.

scheichsbeutel: Gar nicht. Ich bin ein schlechter Apostel meiner selbst.

Was sollte ein Blogger besser sein lassen?

sandhofer: Nichts. Nichts in doppeltem Sinn: Einerseits kann ich mir nichts vorstellen, das ein Blogger sein lassen müsste. Es gibt sicher Dinge, die machen, dass ich das Blog nicht lese – aber das ist ein kleiner Teil der Welt, den der Blogger deshalb verliert.

Nichts tun andererseits bedeutet den Tod eines jeden Blogs. Wenn längere Zeit nichts Neues erscheint, wird der Leser (und wird Google!) das Interesse verlieren. Wie viele Blogs gibt es nicht, die voll Enthusiasmus begonnen wurden, und die nun seit Monaten, Jahren brach liegen.

scheichsbeutel: Wenn ihm an mir als Leser gelegen ist: Keine Videos oder Fotoserien. Ich bin an Texten interessiert, nicht an visuellem Allerlei.

Welche Hürden muss ein Blogger nehmen?

sandhofer: Ich blogge in meiner Freizeit und aus Spaß. Hürdenlauf würde mir keinen Spaß machen. Insofern habe ich beim Bloggen offenbar keine Hürden gefunden …

scheichsbeutel: Dem kann ich nur zustimmen. Die Freude am Schreiben und Lesen ist der alles bestimmende Antrieb. Wenn dieser nicht mehr vorhanden wäre, würde ich alles Bloggen sofort sein lassen.

Euer schönstes Erlebnis als Blogger …

sandhofer: Als ich das erste Mal realisierte, dass Google uns prominent zur Kenntnis nimmt. Und natürlich das Lob, das uns Giesbert Damaschke erteilte, als er litteratur.ch zu seinem Nachfolger in deiner Interview-Reihe erkor.

scheichsbeutel: In meinem ersten Blog eine kurze Antwort, die aber ein tiefes Verständnis für das Geschriebene vermuten ließ. Mit Recht, wie sich herausstelle. Derlei ist selten.

Wie geht ihr damit um, wenn euch Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten?

sandhofer: Das ist bisher erst einmal passiert. Und leider waren es E-books – die ich nicht lesen kann und will. Also habe ich die Anfrage ignoriert, da sich der betreffende Kleinverlag offenbar nicht die Mühe genommen hat, mein Profil sorgfältig genug zu erstellen.

scheichsbeutel: Ist früher einige Male passiert. Ich warne dann die Betreffenden vor den zu verfassenden Rezensionen.

Und wie würdet ihr damit umgehen, wenn euch Self-Publisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

sandhofer: Self-Publisher? Das hieß früher „Eigen-Verlag“, ja? Keine Ahnung – so etwas ist bisher noch nicht passiert.

Wie haltet ihr es mit dem E-Book?

sandhofer: Gar nicht. Erstens stört mich der aktuell immer noch herrschende Formate-Wirrwarr. Zweitens mag ich nicht, dass ich einen elektronisch aufbereiteten Text offenbar nur zur Verfügung gestellt bekomme und nicht besitze. Drittens finde ich die theoretische Möglichkeit, dass der Zur-Verfügung-Steller den Text jederzeit wieder auf meinem Lesegerät löschen kann, gelinde gesagt, störend. Man stelle sich so etwas bei einem Papierbuch vor! Viertens sind alle Lesegeräte, die ich bis jetzt gesehen habe, Ausbünde an Hässlichkeit. Mit so etwas in der Hand würde ich mich nie in der Öffentlichkeit sehen lassen. Nicht einmal im Schlafzimmer vor meiner Frau…

scheichsbeutel: Reizvoll der vielen alten, nicht wieder aufgelegten Bücher wegen (etwa Philosophen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts). Solange allerdings die Geräte weitgehend proprietäre Formate darstellen, warte ich mit der Anschaffung. Für die Zukunft aber sicher ein wertvoller Zusatz.

Welche anderen Blogs empfehlt ihr (max. 5). Und welcher bibliophile Blogger sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

sandhofer: Drei der meiner Meinung nach wichtigsten Blogs zur Literatur sind hier ja bereits zu Wort gekommen: die von Christian Köllerer, Marius Fränzel und Giesbert Damaschke. Die muss ich nicht mehr empfehlen, die Drei haben sich hier ja bereits vorgestellt. Das „Leipziger Bücherlei“ auch nicht, es wurde bereits empfohlen. So, wie es aktuell aussieht, hat es Kolbeck aber mal wieder vom Netz genommen. Nun, wird schon wieder…

Zu den Empfehlungen also: Da ist einmal das ziemlich junge Blog Alles nicht so wichtig von Papyrus. Wie ihr Pseudonym sagt, sind ihre Themenschwerpunkte das Buch und Ägypten. Das einzige Blog, zu dem wir von unserm her verlinken (außer Damaschke und Köllerer) ist Literatur mit mArtinus. Er schreibt mittlerweile lieber selber, als über Texte zu schreiben. Zwischen den Seiten von BigBen wäre sehr interessant, wenn der Kerl nur nicht zu faul wäre, um regelmäßig zu posten. Ich weiß nämlich, dass er nach wie vor regelmäßig liest und auch regelmäßig sehr interessante Texte liest. yeRainbow and its world and its world leidet unterm selben Defizit.

Blog N° 5, das ich empfehle, ist Bleisatz. Zwar liest die Betreiberin dieser Seite praktisch nur Krimis, und ich praktisch selten welche, aber sie gehört zu den wenigen Bloggern + Foris, die korrektes und gutes Deutsch schreiben können. (Mein eigenes ist mehr oder minder korrekt, aber nicht gut!) Das ist auch die Seite (bzw. das Blog, sie hat eines dort!), von der ich möchte, dass du sie mal vorstellst – und sei es nur, weil sie sich diebisch gefreut hat, dass ich mich hier bei Dir outen soll…

scheichsbeutel: Erinnert mich eigentlich nur daran, dass ich kaum noch Blogs lese. Das letzte war vague., das ich häufiger besucht habe. Scheint aber den Weg alles Irdischen gegangen zu sein; dass ausgerechnet der letzte Eintrag ein youtube-Link war, ist angesichts meiner diesbezüglichen Abneigung paradigmatisch.

Danke sehr, die Herren. Stoff genug, um neuerlich über einen „Verhaltenskodex der mit literarischen Texten beschäftigten Blogs“ zu sinnieren … Und: im Übrigen, Bettina von Bleisatz hakte auch bei mir nach, wo denn euer Porträt bliebe.

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Zuletzt stellte sich Sophie mit Literaturen vor. Ihr Wunsch-Interviewpartner war der Betreiber von Muromez. – Eine Übersicht, wer bereits alles Rede und Antwort stand und welche Blogs in den jeweiligen Gesprächen empfohlen wurden, findet sich hier

6 Kommentare zu “Steglitz stellt die Herren sandhofer und scheichsbeutel mit „litteratur.ch“ vor

  1. Pingback: Jetzt werden wir berühmt! – Werden wir jetzt berühmt? | litteratur.ch

  2. Spannender Einblick in das Bloggerleben von Argonauten mit verlorenen Frauen. Das Bild mit dem Goethe-Regal gefällt mir natürlich auch sehr, fast hätte ich Herrn Humboldt übersehen ob meiner Freude über den oberen Nachbarn.

    Neben all dem zog dann das Interesse an Philosophie – ich schau sicher mal rein. Danke fürs Interview und danke für den neu zu entdeckenden Blog 🙂

      • Ich dächte, sich den einen „antun“ und den anderen nicht lassen wäre eine gute Strategie. Und man könnte den beiden auch noch ein paar Kameraden zur Seite stellen, ob mit oder ohne oder spätem Von.

  3. Jemand könnte sandhofer darüber informieren, dass nur bei kindle das e-book plötzlich weg sein kann. epub-Dateien, die ich mir auf meinen PC herunterlade, kann der Verkäufer nicht löschen.
    Nur mal so am Rande.

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