Der Buchhändler – ein Luxusartikel?! Ein Gastbeitrag von Gerrit van der Meer

Im Rahmen der losen Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” hatte ich vorgeschlagen, dass Ihr Gastbeiträge beisteuern könntet. Schilderungen aus dem Buchhändleralltag oder, was auch immer… Erfahrungsberichte zum Beispiel: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen? Nach der Polemik von Stefan Möller aka @Hedoniker Lieber stationärer Buchhandel, wir müssen reden!, die reichlich Wind machte, der Replik darauf von Lorenz Borsche und dem Brief des sterbenden Bildungsbürgers vom Krankenbett herab, dass kein Ausweg sei aus der Feder des Herrn Sandhofer, steuert heute Gerrit van der Meer nach seinem Aufruf in Sachen Freihandelsabkommen abermals einen Beitrag bei.

Gerrit ist seit Mitte der 80er Jahre im Buchhandel tätig . Er hatte eine eigene literarische Buchhandlung inne, die er aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung am Standort 2006 schließen musste. Danach arbeitete er als Verlagsrepräsentant. Anfang 2013 übernahm er die Geschäftsführung einer Buchhandlung in der Pfalz. – Wir sind einander bei Facebook begegnet und ich fragte ihn kurzerhand, ob er nicht gelegentlich bei SteglitzMind Stellung beziehen möge… Er mochte und ich sage Gerrit danke!

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Draußen vor der Tür. Als arbeitsloser Buchhändler nachts in einer fremden Stadt

Abends gehe ich manchmal noch spät aus dem Haus und streife durch die Stadt.

Die leeren Straßen und die Ruhe der nächtlichen Fußgängerzonen lassen Raum, um Gedanken schweifen zu lassen. Oft bleibe ich dabei an den Schaufenstern der Buchhandlungen hängen.

Dort liegen sie, die Bücherschätze, deren Inhalte ich in der Regel bereits kenne. Manche davon habe ich geliebt, andere weniger, verkauft hab ich sie fast alle, das gehörte zum Geschäft.

Die kleine Literaturbuchhandlung hat ein Suhrkamp-Fenster als Solidaritätserklärung mit dem Verlag gestaltet.

Ich sehe viele wunderbare Bücher, an André Kaminskis „Nächstes Jahr in Jerusalem“, einem meiner Lieblinge, bleibt mein Blick hängen. Diesem Buch verdanke ich meinen Spitznamen. Als meine Frau es las, fesselte sie der Ausspruch des Helden, mit dem er sich seinem zukünftigen Schwiegervater vorstellte: „Ich bin eine Wolke in Hosen.“ Der Name blieb irgendwie an mir haften und ich trage ihn mit Stolz, auch wenn sich die Verträumtheit der frühen Jahre etwas gelegt hat.

Noch vor einigen Monaten habe ich dieses Buch einem Kunden empfohlen. Wir trafen uns auf einer Lesung mit Dieter Hildebrandt anlässlich der Verleihung der Hermann Sinsheimer Preises. Ich stand dort hinter dem Büchertisch. Wie es sich manchmal ergibt, war man sich mehr oder weniger sympathisch und kam ins Gespräch.

Über Gott und die Welt, die gelungene Lesung, Hermann Sinsheimer und den Simplizisimus und über jüdische Literatur in Deutschland.

Und so landet man irgendwann bei André Kaminski. Die ‚Wolke in Hosen‘ konnte den Kunden für das Buch begeistern und am nächsten Tag holte er den Titel in der Buchhandlung ab.

Leider nicht mehr bei mir. Die Buchhandlung, für die ich einige Monate als Geschäftsführer tätig gewesen war, war nicht mehr in der Lage, mein Gehalt zu bezahlen. Und einen Tag nach der Lesung reiste ich ab. André Kaminskis Buch war mein letztes verkauftes Buch als Buchhändler.

Collage © Gerrit van der Meer

Collage © Gerrit van der Meer

Seither schreibe ich Bewerbungen und bekomme Absagen wie diese:

Sehr geehrter Herr …

vielen Dank für Ihre Bewerbung.

Gerne hätten wir so einen erfahrenen Buchhändler wie Sie.

Es sprengt leider unsere finanziellen Möglichkeiten. Daher müssen wir Ihnen leider absagen.

Mit freundlichem Gruß

Filialleitung

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Absagen wie diese, stundenlanges suchen nach Stellenangeboten im Netz und der Tagespresse, und mehr oder weniger klug formulierte Absagen, prägen meinen Alltag. Von überqualifiziert, unpassend für ein junges Team bis hin zu dem ehrlichen, sorry, aber sie sind uns zu alt, ist alles dabei.

Was bleibt, ist leichte Frustration, die allerdings mit einem guten Buch schnell wieder vertreiben werden kann, und die Erkenntnis, dass ein Buchhändler zwar viel mit einem guten Rotwein gemein hat, aber das man sich dieses Luxusprodukt leider kaum noch leisten kann und will.

Und so suche ich weiter. Irgendwann wird sich schon wer finden, der sich einen guten Tropfen beziehungsweise einen Buchhändler noch leisten kann.

© Gerrit van der Meer

„Ich bin realistisch genug anzuerkennen, dass auch die Verlage zu kämpfen haben.“ SteglitzMind stellt Nicole Jünger vom Buchladen am Neuen Markt vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Nicole Jünger aka Kata Butterblume habe ich gebeten, hier mit zu tun. Sie hatte sich zum Beitrag von Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen geäußert; unter anderem dahingehend: „Und wenn ich 5 Leuten wirklich helfen kann, ihre Bücher bekannt zu machen, weil sie mir eben auch persönlich gefallen, dann sind immer noch 25 Autoren unzufrieden und schimpfen über die bösen Buchhändler.

Nun freue ich mich, dass wir heute mehr über Nicole und den Buchladen am Neuen Markt erfahren, der in Meckenheim, unweit von Bonn ansässig ist.

Eine Skizze vom Laden …

Den „Buchladen am Neuen Markt“ in Meckenheim (in der Nähe von Bonn) gibt es seit genau zwei Jahren. Ich habe den Laden zusammen mit zwei Kolleginnen eröffnet, nachdem unser alter Arbeitgeber (auch am Ort) sein Geschäft geschlossen hat. Um der Arbeitslosigkeit zu entgehen und um weiter „was mit Büchern zu machen“. Unser Laden ist mit seinen 42 Quadratmetern allerdings etwas bescheidener. Die Schwerpunkte des Sortiments sind Belletristik und Kinderbuch, daneben haben wir noch eine kleine aber feine Sparte Geschichte, Politik und Biographien.

Warum bist du Buchhändlerin geworden?

Eine Notlösung auf dem zweiten Bildungsweg, die ich nie bereut habe. Ich habe die Ausbildung erst mit 26 gemacht, hatte das Glück, einen grandiosen Ausbildungsbetrieb zu haben (Borromäusverein in Bonn) und dort zum ersten Mal die Erfahrung, jeden Tag gern zur Arbeit zu gehen. Ich habe Bücher immer schon geliebt, aber ich habe tatsächlich erst mit 26 zufällig mitbekommen, dass es den Beruf der Buchhändlerin überhaupt gibt.

Würdest du dich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Nicole Jünger © privat

Nicole Jünger © privat

Schwierige Frage. Es kommt für mich drauf an, wo man letztlich hin will. Für eine Karriere, Filialleiterin, Geschäftsführerin oder eben Inhaberin, klares Ja. Für ein paar Stunden neben den Kindern und der Familie, auch auf jeden Fall. Aber als einfaches Buchhändlerlein vor sich hinzuarbeiten und versuchen, sich noch eine Rente aufzubauen – wahrscheinlich nicht. Ich habe – typisch Spätzünder – mit 33 noch schnell neben der Arbeit einen Bachelor in Germanistik gemacht und meine Perspektiven erweitert und wenn die kleine Du-hast-einen-Berufswunsch-frei-Fee kommen würde, wäre ich wohl Redakteurin beim Deutschlandfunk.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in deinem beruflichen Alltag verändert?

Der Informationsvorsprung des Buchhändlers – seine wichtige Währung – ist massiv geschrumpft. Kunden wissen über Dinge, die sie interessieren oft genauso gut, wenn nicht noch besser Bescheid, als das Fachpersonal.

Allerdings hat sich unsere Arbeit gerade durch das Internet deutlich vereinfacht. Wenn die Angaben auch nur einigermaßen stimmen, finde ich durch Google jedes Buch, die Datenbanken sind komfortabel und wenn – wie grade erst passiert – die Telekom Schwierigkeiten macht, dann kann ich auch bequem von daheim aus recherchieren und meine Bestellungen aufgeben.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmt Ihr in dieser Richtung?

Seit letztem Sommer ist unsere Internetpräsenz online, ein Shop, den wir über unseren Partner KNV betreiben und der auch zunehmend für Bestellungen genutzt wird. Großes Interesse habe ich an der VLB-Einbindung, die KNV für den Herbst angekündigt hat. Außerdem hat der Laden eine Facebook-Seite, ein Instrument, dass ich sehr schätze, da es mir schnelleren und direkteren Kontakt mit den Nutzern ermöglicht als es die doch etwas statische Website kann.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verortest du für Eure Buchhandlung die größten Gefahren?

Ich hätte wohl jetzt spontan mit dem „großen bösen A“ geantwortet, aber mich hat die Antwort von Martina Bergmann sehr beeindruckt – und ich finde sie hat Recht: durch die besondere Struktur der kleinen Geschäfte und die Nähe zum Kunden gibt es jede Menge Möglichkeiten und Chancen, in seiner jeweiligen Nische zu bestehen.

Wie haltet Ihr es mit dem E-Book?

der Lieblingsplatz im Buchladen © Nicole Jünger

der Lieblingsplatz im Buchladen © Nicole Jünger

Ich sage meinen Kunden ehrlich, was ich von E-Books halte: äußerst praktisch für unterwegs (statt sieben Büchern in der Tasche), sehr hilfreich, wenn die Printausgaben nicht verfügbar sind und eben nicht so schön im Bett, in der Badewanne und beim Spaghetti-Essen.

Ich habe selbst nur ein iPad, das eben groß und schwer ist, auf dem ich aber auch gern Filme sehe und surfe.

Meinen Kunden besorge ich gern Infomaterial (schön finde ich auch die neue Broschüre des Börsenvereins) und in unserem Webshop können auch E-Books heruntergeladen werden. Reader verkaufe ich nicht.

Wäre das eine Option für Euch, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Ja, auf jeden Fall, aber es muss auch jedem klar sein, dass ich nicht die Macht habe, 30 unbekannte Bücher pro Jahr zu Bestsellern zu machen. Natürlich kommt es darauf an, ob mir oder einer Kollegin der Titel gefällt – oder ob der Autor es selber schafft, Interesse zu erwecken (Presse etc.). Und gerade im Sachbuch, bei Themen, bei denen ich selbst kein Fachwissen habe, ist der Name eines Verlages auch eine Qualitätsgarantie, auf die ich nicht gerne verzichte.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Hier schlägt die Stunde der kleinen Läden vor Ort: wir können alles, was die Großen auch können, aber wir sind auch eben mitten im Leben der Stadt. Ein Stammkunde hat sein Geld vergessen? Zahlt er eben beim nächsten Mal. Jemand braucht den Busfahrplan von Bonn? Bringe ich beim nächsten Mal aus der Stadt mit. Ein gemütliches Plätzchen für ein Schwätzchen und einen Kaffee gibt es sowieso oder auch heißgeliebte Vorlesestunden an meinem alten Gymnasium.

Und dann bleibt das Wichtigste: lesen, lesen, lesen. Bücher, Internet, Zeitung, Radio (hören). Bescheid wissen, Titel kennen, Neuigkeiten wissen, offen für alles sein. Und dazu Spaß und Liebe, zu den Menschen, den Büchern, zur Welt. Das springt über.

Wenn du drei Wünsche frei hättest, die Verlage erfüllen… Welche wären das?

Ich habe einige sehr gute Kontakte zu „meinen“ Verlagen und fühle mich gut aufgehoben. Natürlich wünsche ich mir auch, dass es den Direktvertrieb an Endkunden nicht gäbe, aber ich bin realistisch genug anzuerkennen, dass auch die Verlage zu kämpfen haben.

Und was würdest du dir vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Buchladen am Neuen Markt © Nicole Jünger

Buchladen am Neuen Markt © Nicole Jünger

Naturgemäß wünsche auch ich mir eine Stärkung der Interessen der kleineren Mitglieder – da wo uns das Geld, der Einfluss, die Reichweite fehlt.

Was treibt dich in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Eindeutig Vorfreude auf den kommenden Bücherherbst und –winter. Aus der Neuerscheinungsflut die Perlen fischen und auch Älteres neu entdecken. Und das unglaublich gute Gefühl, dass bei allen äußeren Veränderungen das Wesentliche, die Literatur immer bleiben wird.

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Weil es lebendig ist, gute Laune machend, entspannend und anregend, menschlich und persönlich. Und weil es Bücher gibt. Bücher! Himmel!

Welche anderen Buchhandlungen empfiehlst du? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Interessieren würde mich die Buchhandlung Mascha Kascha in Hannover.

Danke sehr, schön, dass auch Du dabei bist!

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Fünf Fragen vom Börsenblatt für den deutschen Buchhandel zur Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen beantworte ich hier

Zu Wort gekommen sind bislang:

Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen

Edda Braun mit ihrer Buchhandlung am Turm in Ochsenfurt

Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm

Margarete Haimberger mit ihrer Schröersche Buchhandlung in Berlin/Schöneberg

Sonja Lehmann vom Bücherwurm Borken im Nordhessischen

Martina Bergmann mit der Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen

Thomas Calliebe mit seiner Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau

Mila Becker mit Mila Becker Buch & Präsent in Voerde

Trix Niederhauser aus der Schweiz von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental

Simone Dalbert von der der Buchhandlung Schöningh in Würzburg

Klaus Kowalke von der Stadtteilbuchhandlung Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz

Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach bei Erlangen

Petra Hartlieb von der Wiener Buchhandlung Hartliebs Bücher

„Der Schmäh muss laufen.“ SteglitzMind stellt Petra Hartlieb von der Buchhandlung „Hartliebs Bücher“ vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Das wir heute etwas mehr von Petra Hartlieb und der Wiener Buchhandlung Hartliebs Bücher erfahren, hatte die rührige Frauke Ehlers vorgeschlagen, die – wo immer es geht– die Trommeln für die BücherFrauen schlägt.

Eine Skizze vom Laden…

© Hartliebs Bücher

© Hartliebs Bücher

Hartliebs Bücher befindet sich im 18. Wiener Gemeindebezirk, das ist ein Stadtteil etwas außerhalb. Also fernab der innerstädtischen Konkurrenz. Aber es gibt auch kein Einkaufszentrum in der Nähe. Die Buchhandlung hat ca. 60 m², wobei es bei der Übernahme lediglich 40 m² waren, durch einen An- und Umbau haben wir 20 m² dazu gewonnen. Übernahme der Buchhandlung 2004, inzwischen insgesamt 7 Angestellte, immer einen Auszubildenden. Schwerpunkt: Literatur und Kinderbuch, wobei es bei uns eigentlich keine Schwellenangst gibt. Nichts Elitäres. Wir sind eine echte Stadtteilbuchhandlung und werden auch so genützt.

Im September eröffnen wir eine zweite Filiale im Nachbarbezirk. Sie wird 120 m² haben, eine Hälfte mit allgemeinem Sortiment, andere Hälfte fremdsprachig, Schwerpunkt Französisch und Italienisch.

Warum bist du Buchhändlerin geworden?

Ich bin seit 25 Jahren in allen Seiten der Branche tätig (Verlagspressefrau, Literaturkritikerin), mein Mann ist gelernter Buchhändler, der lange im Verlag gearbeitet hat. Wir haben uns einen – etwas romantischen – Lebenstraum verwirklicht.

Würdest du dich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Ich glaube schon. Ja, sicher. Schließlich habe ich gerade eine Filiale gekauft.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in deinem beruflichen Alltag verändert?

Es reicht nicht mehr, einfach nur gute Buchhändlerin zu sein. Man muss viel mehr sein. Medientauglich, gut vernetzt, am besten ein bisschen prominent. Das Feeling muss gut sein in der Buchhandlung, auf wienerisch heißt das, der Schmäh muss laufen. Die gute Beratung setzen die KundInnen inzwischen voraus im stationären Buchhandel, deswegen kommen sie überhaupt zu uns. Gut ist, wenn es dazu noch einen Mehrwert gibt.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmt Ihr in dieser Richtung?

Unsere sehr individuelle, sehr verspielte Internetseite wurde um einen Webshop erweitert, der rasches Bestellen ermöglicht. Und: Wir diskutieren mit allen, die es hören wollen oder auch nicht, dass wir es okay finden, im Netz zu bestellen, aber dann bitte im stationären Buchhandel. Und ich bin sehr aktiv auf Facebook. Sowohl mit einem eigenen Profil wie mit Hartliebs Bücher.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Ihr für Eure Buchhandlung die größten Gefahren?

Fallen des Ladenpreises. Noch größere Zuwächse für das E-Book.

Wie haltet es Ihr mit dem E-Book?

Bieten wir ab Sommer auf unsere Homepage an.

Wäre das eine Option für Euch, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Ich glaube nicht.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Siehe Frage 4. Und natürlich lesen, lesen, lesen und authentisch sein.

Wenn du drei Wünsche frei hättest, die Verlage erfüllen sollten… Welche wären das?

Mehr Unterstützung für Veranstaltungen.

Weniger Bücher produzieren.

Weniger ungefragt Deko schicken, dafür hin- und wieder gezielte Aktionen, die vielleicht auch mal Geld kosten.

Ansonsten empfinde ich den Großteil der Verlage als sehr faire Partner.

Und was würdest du dir vom Hauptverband des österreichischen Buchhandels wünschen?

Weniger Vereinsmeierer, weniger Männerbünde, schnelleres Reagieren auf aktuelle Themen (Amazon)

Was treibt dich in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Es ist schön, immer noch neues zu entdecken. Sei es ungewöhnliche Bücher in den großen Verlagen oder aber auch neue kleine Verlage, die es oft sehr schwer haben, ihren Weg nach Österreich zu finden – ohne Auslieferung, ohne Vertreter. Da freu ich mich dann, wenn ich was Tolles entdecke.

Und die große Sympathie, die mir von den vielen KollegInnen im Sortiment als Autorin entgegenschlägt. Viele verkaufen meine Bücher, legen sie prominent auf, laden mich und meinen Co-Autor zu Lesungen ein.

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Weil eine Buchhandlung für Leute, die Bücher lieben, ein wunderbarer Ort ist. Aber das wissen sie eh. Und weil Buchhandlungen wie unsere zur Infrastruktur eines Viertels einen wichtigen Beitrag leisten. Bei uns werden Schlüssel hinterlegt, die besten Hortplätze erfragt, Kinder, die sich verlaufen haben, kommen zum Telefonieren usw.

Welche anderen Buchhandlungen empfiehlst du? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Anna Jeller von der Wiener Anna Jeller Buchhandlung und ebenfalls in Wien die Buchhandlung a.punkt von Brigitte Salander

Danke sehr, Petra. Und ein Hinweis auf deine eigenen Bücher sollte hier wohl auch nicht fehlen.

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Fünf Fragen vom Börsenblatt für den deutschen Buchhandel zur Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen beantworte ich hier

Zu Wort gekommen sind bislang:

Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen

Edda Braun mit ihrer Buchhandlung am Turm in Ochsenfurt

Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm

Margarete Haimberger mit ihrer Schröersche Buchhandlung in Berlin/Schöneberg

Sonja Lehmann vom Bücherwurm Borken im Nordhessischen

Martina Bergmann mit der Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen

Thomas Calliebe mit seiner Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau

Mila Becker mit Mila Becker Buch & Präsent in Voerde

Trix Niederhauser aus der Schweiz von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental

Simone Dalbert von der der Buchhandlung Schöningh in Würzburg

Klaus Kowalke von der Stadtteilbuchhandlung Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz

Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach bei Erlangen

Fünf vor Zwölf. Gerrit van der Meer schlägt Alarm

Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wird tiefer in die europäische Kulturlandschaft eingreifen als jedes Abkommen zuvor. Sämtliche Fördermaßnahmen der EU-Mitgliedsstaaten und der EU zugunsten der europäischen audiovisuellen Medien und anderer Kulturträger werden infrage gestellt. Laut WTO haben diese Fördermaßnahmen protektionistische Wirkungen, da sie nichteuropäische Werke auf dem europäischen Markt schlechter stellen als europäische Werke.

Es entsteht ein Konflikt mit den Regelungen des Welthandelsrechts, das ein generelles Diskriminierungsverbot vorsieht.

Die bestehenden umfassenden Ausnahmeregelungen führen bisher im Ergebnis noch zu einer Vereinbarkeit der Fördermaßnahmen mit dem Recht der WTO.

Aufgrund der fortschreitenden  Liberalisierung ist davon auszugehen, dass das Diskriminierungsverbot auch für alle Ausnahmeregelungen (Buchpreisbindung, Filmförderung, Theatersubventionen etc.) Anwendung finden wird.

Durch das Sommerloch und die Überlagerung durch den NSA Skandal ist das Thema Freihandelsabkommen leider sehr in dem Hintergrund gedrängt worden. Eine öffentliche Wahrnehmung der Verhandlungen findet in der breiten Öffentlichkeit kaum statt.

Im Rahmen einer SPD Veranstaltung hatte ich gestern die Gelegenheit mich mit einigen Kommunalpolitikern und Kandidaten für die Landtags- und Bundestagswahl zu unterhalten.

Das Freihandelsabkommen war dort kaum im Bewusstsein vorhanden. Viele hatten zwar davon gehört, waren aber über die Inhalte und die möglichen Folgen nicht informiert.

blue moon sailing © Gerrit van der Meer

blue moon sailing © Gerrit van der Meer

Erschreckend, wenn man bedenkt, welche Auswirkungen es auf das direkte Lebensumfeld der Menschen haben wird. Programmkinos, Buchhandlungen, Theater und andere Kultureinrichtungen würden weitestgehend verschwinden. Kleine unabhängige Verlage müssten um ihre Existenzgrundlage fürchten. Die Innenstädte und die Ortskerne der Gemeinden würden noch weiter veröden. Die kulturelle Identität Europas, die sich über ihre vielen, auch kleinen Blüten definiert, wäre ernsthaft in Gefahr.

Die Oscar Preisträger Pedro Aldomovar und Michael Hanneke haben bereits lautstark gegen die zu befürchtenden Auswirkungen der Freihandelsabkommens auf die europäische Filmlandschaft protestiert.  Bis heute unterstützt jedoch nur Frankreich dieses Anliegen.

Frankreich drängt darauf, dass die Kultur aus den Verhandlungen ausgeklammert wird. Das europäische System der Förderung für Bücher, Filme, Kunst, Theater, kurz die gesamte europäische Kulturförderung durch die einzelnen Mitgliedsstaaten und die EU wäre sonst gefährdet und könnte von den USA rechtlich angegriffen werden.

Die Europäische Kommission unterstützt die französischen Vorbehalte allerdings kaum. Handelskommissar Karel De Gucht möchte die Kulturthemen weiter auf dem Verhandlungstisch belassen.

So ist z. B. noch ungeklärt, ob E-Books Teil der Verhandlungen sind. Sie gelten rechtlich als Dienstleistung und fallen damit nicht unter die kulturelle Ausnahme. Besonders Amazon drängt darauf die E-Books in das Abkommen auf zu nehmen. Würde dieses geschehen, hätte Amazon endlich die Möglichkeit, die Buchpreisbindung, die wichtigste Stütze des Buchmarktes in Deutschland und Frankreich, aus zu hebeln.

Liebe Kollegen, es ist wichtig, das Bewusstsein für die möglichen Auswirkungen des Freihandelsabkommens zu wecken. Es nutzt nichts, wenn einige wenige Bundestagsabgeordnete davon wissen. Reden Sie mit ihren Bürgermeistern und Gemeinderäten vor Ort. Wie bei der bereits erfolgreichen Buy Local Bewegung müssen wir die Aufmerksam für die Probleme auf kommunaler Ebene wecken und den Druck nach oben, an die Entscheidungsträger in den Parlamenten weitergeben. Noch ist dafür Zeit. Wir sollten allerdings nicht bis Fünf vor Zwölf damit warten…

© Gerrit van der Meer