Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.
Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?
Nicole Jünger aka Kata Butterblume habe ich gebeten, hier mit zu tun. Sie hatte sich zum Beitrag von Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen geäußert; unter anderem dahingehend: „Und wenn ich 5 Leuten wirklich helfen kann, ihre Bücher bekannt zu machen, weil sie mir eben auch persönlich gefallen, dann sind immer noch 25 Autoren unzufrieden und schimpfen über die bösen Buchhändler.
Nun freue ich mich, dass wir heute mehr über Nicole und den Buchladen am Neuen Markt erfahren, der in Meckenheim, unweit von Bonn ansässig ist.
Eine Skizze vom Laden …
Den „Buchladen am Neuen Markt“ in Meckenheim (in der Nähe von Bonn) gibt es seit genau zwei Jahren. Ich habe den Laden zusammen mit zwei Kolleginnen eröffnet, nachdem unser alter Arbeitgeber (auch am Ort) sein Geschäft geschlossen hat. Um der Arbeitslosigkeit zu entgehen und um weiter „was mit Büchern zu machen“. Unser Laden ist mit seinen 42 Quadratmetern allerdings etwas bescheidener. Die Schwerpunkte des Sortiments sind Belletristik und Kinderbuch, daneben haben wir noch eine kleine aber feine Sparte Geschichte, Politik und Biographien.
Warum bist du Buchhändlerin geworden?
Eine Notlösung auf dem zweiten Bildungsweg, die ich nie bereut habe. Ich habe die Ausbildung erst mit 26 gemacht, hatte das Glück, einen grandiosen Ausbildungsbetrieb zu haben (Borromäusverein in Bonn) und dort zum ersten Mal die Erfahrung, jeden Tag gern zur Arbeit zu gehen. Ich habe Bücher immer schon geliebt, aber ich habe tatsächlich erst mit 26 zufällig mitbekommen, dass es den Beruf der Buchhändlerin überhaupt gibt.
Würdest du dich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Nicole Jünger © privat
Schwierige Frage. Es kommt für mich drauf an, wo man letztlich hin will. Für eine Karriere, Filialleiterin, Geschäftsführerin oder eben Inhaberin, klares Ja. Für ein paar Stunden neben den Kindern und der Familie, auch auf jeden Fall. Aber als einfaches Buchhändlerlein vor sich hinzuarbeiten und versuchen, sich noch eine Rente aufzubauen – wahrscheinlich nicht. Ich habe – typisch Spätzünder – mit 33 noch schnell neben der Arbeit einen Bachelor in Germanistik gemacht und meine Perspektiven erweitert und wenn die kleine Du-hast-einen-Berufswunsch-frei-Fee kommen würde, wäre ich wohl Redakteurin beim Deutschlandfunk.
Was hat sich in den vergangenen Jahren in deinem beruflichen Alltag verändert?
Der Informationsvorsprung des Buchhändlers – seine wichtige Währung – ist massiv geschrumpft. Kunden wissen über Dinge, die sie interessieren oft genauso gut, wenn nicht noch besser Bescheid, als das Fachpersonal.
Allerdings hat sich unsere Arbeit gerade durch das Internet deutlich vereinfacht. Wenn die Angaben auch nur einigermaßen stimmen, finde ich durch Google jedes Buch, die Datenbanken sind komfortabel und wenn – wie grade erst passiert – die Telekom Schwierigkeiten macht, dann kann ich auch bequem von daheim aus recherchieren und meine Bestellungen aufgeben.
Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmt Ihr in dieser Richtung?
Seit letztem Sommer ist unsere Internetpräsenz online, ein Shop, den wir über unseren Partner KNV betreiben und der auch zunehmend für Bestellungen genutzt wird. Großes Interesse habe ich an der VLB-Einbindung, die KNV für den Herbst angekündigt hat. Außerdem hat der Laden eine Facebook-Seite, ein Instrument, dass ich sehr schätze, da es mir schnelleren und direkteren Kontakt mit den Nutzern ermöglicht als es die doch etwas statische Website kann.
Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verortest du für Eure Buchhandlung die größten Gefahren?
Ich hätte wohl jetzt spontan mit dem „großen bösen A“ geantwortet, aber mich hat die Antwort von Martina Bergmann sehr beeindruckt – und ich finde sie hat Recht: durch die besondere Struktur der kleinen Geschäfte und die Nähe zum Kunden gibt es jede Menge Möglichkeiten und Chancen, in seiner jeweiligen Nische zu bestehen.
Wie haltet Ihr es mit dem E-Book?

der Lieblingsplatz im Buchladen © Nicole Jünger
Ich sage meinen Kunden ehrlich, was ich von E-Books halte: äußerst praktisch für unterwegs (statt sieben Büchern in der Tasche), sehr hilfreich, wenn die Printausgaben nicht verfügbar sind und eben nicht so schön im Bett, in der Badewanne und beim Spaghetti-Essen.
Ich habe selbst nur ein iPad, das eben groß und schwer ist, auf dem ich aber auch gern Filme sehe und surfe.
Meinen Kunden besorge ich gern Infomaterial (schön finde ich auch die neue Broschüre des Börsenvereins) und in unserem Webshop können auch E-Books heruntergeladen werden. Reader verkaufe ich nicht.
Wäre das eine Option für Euch, auch Titel von Self Publishern anzubieten?
Ja, auf jeden Fall, aber es muss auch jedem klar sein, dass ich nicht die Macht habe, 30 unbekannte Bücher pro Jahr zu Bestsellern zu machen. Natürlich kommt es darauf an, ob mir oder einer Kollegin der Titel gefällt – oder ob der Autor es selber schafft, Interesse zu erwecken (Presse etc.). Und gerade im Sachbuch, bei Themen, bei denen ich selbst kein Fachwissen habe, ist der Name eines Verlages auch eine Qualitätsgarantie, auf die ich nicht gerne verzichte.
Wie verkauft man heutzutage Bücher?
Hier schlägt die Stunde der kleinen Läden vor Ort: wir können alles, was die Großen auch können, aber wir sind auch eben mitten im Leben der Stadt. Ein Stammkunde hat sein Geld vergessen? Zahlt er eben beim nächsten Mal. Jemand braucht den Busfahrplan von Bonn? Bringe ich beim nächsten Mal aus der Stadt mit. Ein gemütliches Plätzchen für ein Schwätzchen und einen Kaffee gibt es sowieso oder auch heißgeliebte Vorlesestunden an meinem alten Gymnasium.
Und dann bleibt das Wichtigste: lesen, lesen, lesen. Bücher, Internet, Zeitung, Radio (hören). Bescheid wissen, Titel kennen, Neuigkeiten wissen, offen für alles sein. Und dazu Spaß und Liebe, zu den Menschen, den Büchern, zur Welt. Das springt über.
Wenn du drei Wünsche frei hättest, die Verlage erfüllen… Welche wären das?
Ich habe einige sehr gute Kontakte zu „meinen“ Verlagen und fühle mich gut aufgehoben. Natürlich wünsche ich mir auch, dass es den Direktvertrieb an Endkunden nicht gäbe, aber ich bin realistisch genug anzuerkennen, dass auch die Verlage zu kämpfen haben.
Und was würdest du dir vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Buchladen am Neuen Markt © Nicole Jünger
Naturgemäß wünsche auch ich mir eine Stärkung der Interessen der kleineren Mitglieder – da wo uns das Geld, der Einfluss, die Reichweite fehlt.
Was treibt dich in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Eindeutig Vorfreude auf den kommenden Bücherherbst und –winter. Aus der Neuerscheinungsflut die Perlen fischen und auch Älteres neu entdecken. Und das unglaublich gute Gefühl, dass bei allen äußeren Veränderungen das Wesentliche, die Literatur immer bleiben wird.
Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?
Weil es lebendig ist, gute Laune machend, entspannend und anregend, menschlich und persönlich. Und weil es Bücher gibt. Bücher! Himmel!
Welche anderen Buchhandlungen empfiehlst du? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Interessieren würde mich die Buchhandlung Mascha Kascha in Hannover.
Danke sehr, schön, dass auch Du dabei bist!
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Fünf Fragen vom Börsenblatt für den deutschen Buchhandel zur Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen beantworte ich hier
Zu Wort gekommen sind bislang:
Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen
Edda Braun mit ihrer Buchhandlung am Turm in Ochsenfurt
Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm
Margarete Haimberger mit ihrer Schröersche Buchhandlung in Berlin/Schöneberg
Sonja Lehmann vom Bücherwurm Borken im Nordhessischen
Martina Bergmann mit der Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen
Thomas Calliebe mit seiner Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau
Mila Becker mit Mila Becker Buch & Präsent in Voerde
Trix Niederhauser aus der Schweiz von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental
Simone Dalbert von der der Buchhandlung Schöningh in Würzburg
Klaus Kowalke von der Stadtteilbuchhandlung Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz
Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach bei Erlangen
Petra Hartlieb von der Wiener Buchhandlung Hartliebs Bücher