Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.
Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?
Dass wir heute Anna Jeller aus Wien mit ihrer Buchhandlung Anna Jeller kennenlernen, hatte Petra Hartlieb von der Wiener Buchhandlung Hartliebs Bücher vorgeschlagen.
Eine Skizze vom Laden…
Die Anna Jeller Buchhandlung ist im 4. Bezirk in Wien, nahe dem Naschmarkt. Sie besteht seit 1947, 1985 habe ich sie als Sechsundzwanzigjährige übernommen. Schwerpunkte sind Literatur fernab der Bestsellerlisten, ausgewählte Kinderbücher (besonders die illustrierten, die eigentlich Kunstbücher sind), kleine, feine Lyrikauswahl, Kulinarik, Zeitgeschichte, Politik und bibliophile Raritäten.
Warum sind Sie Buchhändlerin geworden?
Eher durch Zufall und als Quereinsteigerin. Mein Wunschstudium hätte mich arbeitslos gemacht und der Raum, in dem sich die Buchhandlung befindet, hat mich schon als Kundin fasziniert.
Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?
Schwierige Frage. Ich bin sehr gerne Buchhändlerin, könnte mir aber auch andere Aufgabenfelder vorstellen.
Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?
Der Verwaltungsaufwand und das Arbeitstempo sind enorm gestiegen. Als engagierte Buchhandlung wird Dauerpräsenz auf allen Kanälen erwartet und gewünscht und ohne Medienkompetenz wird man als Buchhändlerin kaum mehr wahrgenommen.
Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?
Wir haben schon sehr, sehr lange eine Homepage mit Buchempfehlungen und Bestellmöglichkeit. Webshoplösungen kommen für uns nicht in Frage. Zu teuer, zu unschön , zu unpassend für unser Sortiment.
Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?
Das Fallen der Buchpreisbindung würde uns schwer treffen. Sonst sehe ich keine Gefahren, wir besetzen die Nische „klein, fein, kompetent“.
Wie halten Sie es mit dem E-Book?
Gar nicht.
Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?
Eher nicht. Die Produktionen der Verlage sind ohnehin unübersichtlich genug.
Wie verkauft man heutzutage Bücher?
Mit Begeisterung ! Wir treffen eine sehr rigorose Vorauswahl bei Neuerscheinungen, lesen so viel wie möglich und verzichten auch auf Umsätze mit Büchern, die so gar nicht ins Sortiment passen. Unser größter Vorteil: Erfahrung kann man nicht googeln!
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?
Mehr Backlistpflege und aktiveres Anbieten derselben, mehr Lektorat, Titelflut eindämmen.
Und was würden Sie sich vom Hauptverband des österreichischen Buchhandels wünschen?
Ich bin dort aus guten Gründen nicht Mitglied.
Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Mich stört zunehmend das Hochjubeln des Mittelmäßigen. Und ich verfolge von Beginn an, wie sich die gesamte Branche in den sozialen Netzwerken präsentiert.
Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?
Weil gute Buchhandlungen spirituelle Orte sind.
Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Das Buchkontor in Wien, Ulla Harms, die Buchhandlung liawolf, die ebenfalls in Wien ansässig ist, und Alice Bohdal von der Wiener Genussbuchhandlung tiempo nuevo.
Danke sehr! Übrigens Leseempfehlungen von Anna Jeller könnt Ihr Euch hier hören; bei Facebook findet Ihr ihre Buchhandlung auch.
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Fünf Fragen vom Börsenblatt für den deutschen Buchhandel zur Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen beantworte ich hier
Zu Wort gekommen sind bislang:
Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen
Edda Braun mit ihrer Buchhandlung am Turm in Ochsenfurt
Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm
Margarete Haimberger mit ihrer Schröersche Buchhandlung in Berlin/Schöneberg
Sonja Lehmann vom Bücherwurm Borken im Nordhessischen
Martina Bergmann mit der Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen
Thomas Calliebe mit seiner Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau
Mila Becker mit Mila Becker Buch & Präsent in Voerde
Trix Niederhauser aus der Schweiz von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental
Simone Dalbert von der der Buchhandlung Schöningh in Würzburg
Klaus Kowalke von der Stadtteilbuchhandlung Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz
Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach bei Erlangen
Petra Hartlieb von der Wiener Buchhandlung Hartliebs Bücher
Nicole Jünger aka Kata Butterblume vom Buchladen am Neuen Markt in Meckenheim
Jörg Braunsdorf von der Berliner Tucholsky-Buchhandlung
Stefanie Diez und ihre Buchhandlung Die Insel im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg
Britta Beecken von der Berliner Buchkantine
Heike Wenige mit dem Taschenbuchladen, der im sächsischen Freiberg ansässig ist
Christian Röhrl von der Buchhandlung Bücherwurm in Regensburg
Susanne Dagen vom Buchhaus Loschwitz in Dresden
Jessica Ebert und Katja Weber von der Berliner Buchhandlung ebertundweber
Mich stört zunehmend das Hochjubeln des Mittelmäßigen.
Das ist leider überall so und hat mit dazu geführt, dass ich nur noch ungerne Belletristik kaufe. (Oder andere Sachen).
Selbst das braveste und zeitgeistigste Buch, mir hat Echo der Lüge einen endgültigen Stoß versetzt, was meine Kauflaune anging, wird inzwischen als superspannender Thriller beworben. Dieses Buch ist deswegen symptomatisch, weil weder Cover noch Bewerbung zum Inhalt passen. Wenn ich das Gefühl habe, nur noch belogen zu werden und dies habe ich in der Buchbranche am meisten, dann habe ich keine Lust mehr irgendwas zu kaufen.
Die meisten Bücher sind nett, tun niemanden weh und wenn man sie nicht gelesen hat, hat man nichts versäumt. Aber angepriesen werden sie in den höchsten Tönen.