„Eine Buchhandlung muss spannend bleiben!“ SteglitzMind stellt Bettina Haenitsch mit „der buchladen“ vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Martina Bergmann, deren Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen ansässig ist, hatte vorgeschlagen, dass wir Bettina Haenitsch etwas näher kennenlernen sollte, die in Seligenstadt die Buchhandlung der buchladen betreibt.

Eine Skizze vom Laden…

Der Buchladen ist noch ganz jung – ich habe ihn am 1. Dezember 2012 eröffnet. Er bietet ein kleines, mit Sorgfalt ausgewähltes, allgemeines Sortiment mit leichtem Schwerpunkt Kinder-und Jugendbuch. Die vergangenen 13 Jahre hatte ich dieses Segment hauptsächlich betreut, daher kennen mich viele Kunden im Ort als Kinder- und Jugendbuchfrau, erfahren aber jetzt, dass ich in den anderen Bereichen genauso belesen bin.

Warum sind Sie Buchhändlerin geworden?

Bettina Heanitsch © privat

Bettina Haenitsch © privat

Aus Zufall. Ich wollte Graphik-Design studieren und habe keinen Studienplatz bekommen. Eine Freundin meinte „Du liest doch so gern, werde doch Buchhändlerin!“ Innerhalb eines Monates hatte ich einen Ausbildungsplatz und absolvierte diese dann bei Universitätsbuchhandlung Schöningh in Würzburg. Ich denke immer, der Beruf hat mich gefunden – ich bin es auch nach all den Jahren noch mit Leidenschaft.

Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Das kann ich nicht so einfach beantworten. Die Gehälter sind für das, was im Beruf geleistet werden muss, nicht angemessen. Hinsichtlich der Freude an der Arbeit und der für mich perfekten Kombination aus Literatur, Büchern und dem Umgang mit Menschen, muss ich die Frage aber ganz klar bejahen.

Die Branche ist schwieriger geworden und man muss viel mehr für viel weniger Ergebnis tun.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?

Ich arbeite endlich für mich selbst!

Verändert hat sich die Art der Arbeit an sich nicht: persönliche Beratung, ob sie nun im Laden stattfindet oder per Telefon oder E-Mail, wird immer geschätzt. Bibliographieren ist unendlich einfacher und schneller geworden – wenn ich da an das Wälzen der großen Kataloge denke! Als Buchhändler musst du ständig auf dem Laufenden sein, was Bücher, aktuelle Themen und auch das Leben im Ort betrifft. Hinzugekommen sind Social Media und Onlineshop.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

Ich habe schon vor Eröffnung meiner Buchhandlung eine Facebook-Seite eingerichtet und den Fortschritt der Renovierung des Ladens etc. dokumentiert. Zusätzlich habe ich eine Homepage mit Online-Shop, wobei ich die Libri-Shopline-Lösung nutze.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?

hereinspaziert! © Bettina Haenitsch

hereinspaziert! © Bettina Haenitsch

Dass sie die ersten kritischen Jahre nicht überlebt? Mich nicht ernähren kann?

Das große Schreckgespenst Amazon ist natürlich eine nicht zu unterschätzende Gefahr, auch die zunehmende Verlagerung zum E-Book darf man nicht außer Acht lassen.

Ich bin Mitglied bei buy local und immer bemüht, diesen Gedanken an meine Kunden heranzutragen und ihnen bewusst zu machen, was mit ihrer schönen Stadt passiert, wenn alle hauptsächlich online einkaufen.

Bleibt man offen für Bedürfnisse der Kunden und erhält sich die Leidenschaft für diesen tollen Beruf, bin überzeugt, dass eine Buchhandlung „meiner“ Größe Bestand haben kann – anderenfalls hätte ich nicht vor neun Monaten den Sprung in die Selbständigkeit gewagt!

Wie halten Sie es mit dem E-Book?

Ich biete die Möglichkeit, sie über meinen Online-Shop selbst zu kaufen oder aber verkaufe sie im Laden – der Kunde zahlt an der Kasse und bekommt den download-link per Mail.

Der Anteil an E-Book-Verkäufen ist bisher aber gering. Meistens lassen sich Interessierte über die diversen Reader beraten und sagen dann: „Ein richtiges Buch ist nicht zu ersetzen.“

Es gibt auch einige Kunden, die sich bewusst für einen Reader entschieden haben, mit dem sie die Möglichkeit haben, bei mir im Shop ihre E-Books zu kaufen.

Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Das mache ich teilweise, wenn sie bei mir ins Sortiment passen. In der Regel sind es regionale Autoren, deren Titel nehme ich in Kommission.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Mit Leidenschaft und Spaß daran! Nicht zu vergessen, mit Ehrlichkeit – ich lese sehr viel in allen Bereichen, meine Kundschaft schätzt das und spürt meine Begeisterung für Bücher. Ich sage aber durchaus auch – werde ich nach meiner persönlichen Meinung gefragt – dass mich ein Titel nicht überzeugt hat. Und natürlich darf man das Interesse am Menschen nicht vergessen, das Eingehen auf die ganz speziellen Wünsche des Einzelnen – eine persönliche Verbindung schaffen – und die gemeinsame Freude, dann das passende Buch gefunden zu haben!

Bei mir gibt es regelmäßige Veranstaltungen in der Buchhandlung, das geht vom Buchbinden über Kinderlesung bis zur Lesung mit Musik oder der Krimi-Matinée. Die Kunden schätzen das sehr. Eine Buchhandlung muss spannend bleiben!

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?

der buchladen © Bettina Haenitsch

der buchladen © Bettina Haenitsch

Als Neukunde würde ich mich bei einigen wenigen Verlagen über etwas mehr Flexibilität freuen. Aber im Großen und Ganzen wurde ich bei Eröffnung sehr positiv von den meisten Verlagen hinsichtlich Rabatt und Zahlungszielen überrascht.

Ab und an habe ich den Eindruck, der Buchhändler steht bei Verlagen als letzter in der Reihe. Warum eigene Shops auf den Verlagshomepages? Die Buchhändler lesen und setzen sich aktiv für die Bücher der Verlage ein – das ist nicht sehr unterstützend.

Als dritten Wunsch: man erhalte uns unsere Verlagsvertreter, die abseits der plakativen und austauschbaren Kurzbeschreibungen der Neuerscheinungen in den Verlagsvorschauen, glaubwürdige und auf meine Buchhandlung zutreffende Einschätzungen abgeben können.

Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Ich bin ganz bewusst kein Mitglied im Börsenverein. An Umsätze angepasste Mitgliedsbeiträge war ein Entscheidungskriterium bei mir, aber auch der Eindruck der fehlenden Nähe zur Basis. Bisher habe ich diese Entscheidung nicht bereut.

Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Die Insolvenz des Insel-Verlags finde ich sehr traurig. Und die Flut der Neuerscheinungen – als kleine Buchhandlung muss man sorgfältig auswählen und das ist nicht immer einfach.

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Weil sie Bücher lieben! Weil sie sich wohlfühlen in der Gesellschaft von Büchern und gerne Neues entdecken, das Gespräch darüber suchen oder einfach auch nur den Austausch mit ihrer Buchhändlerin. Und natürlich, um sich Bücher zu kaufen!

Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Teilweise sind sie das schon, aber vielleicht möchten sich auch Thomas Mohler von der Buchhandlung Lesebär in Großkrotzenburg und Christina Kelm von der Buchhandlung Lesekatze in Schöllkrippen äußern.

Vielen Dank und nicht zu vergessen: Herzlichste Glückwünsche zu Ihrem Geburtstag heute!

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Fünf Fragen vom Börsenblatt für den deutschen Buchhandel zur Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen beantworte ich hier

Zu Wort gekommen sind bislang:

Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen

Edda Braun mit ihrer Buchhandlung am Turm in Ochsenfurt

Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm

Margarete Haimberger mit ihrer Schröersche Buchhandlung in Berlin/Schöneberg

Sonja Lehmann vom Bücherwurm Borken im Nordhessischen

Martina Bergmann mit der Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen

Thomas Calliebe mit seiner Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau

Mila Becker mit Mila Becker Buch & Präsent in Voerde

Trix Niederhauser aus der Schweiz von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental

Simone Dalbert von der der Buchhandlung Schöningh in Würzburg

Klaus Kowalke von der Stadtteilbuchhandlung Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz

Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach bei Erlangen

Petra Hartlieb von der Wiener Buchhandlung Hartliebs Bücher

Nicole Jünger aka Kata Butterblume vom Buchladen am Neuen Markt in Meckenheim

Jörg Braunsdorf von der Berliner Tucholsky-Buchhandlung

Stefanie Diez und ihre Buchhandlung Die Insel im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg

Britta Beecken von der Berliner Buchkantine

Heike Wenige mit dem Taschenbuchladen, der im sächsischen Freiberg ansässig ist

Christian Röhrl von der Buchhandlung Bücherwurm in Regensburg

Susanne Dagen vom Buchhaus Loschwitz in Dresden

Jessica Ebert und Katja Weber von der Berliner Buchhandlung ebertundweber

Anna Jeller mit ihrer Buchhandlung Anna Jeller in Wien

Holger Brandstädt von der Friedrich-Wagner-Buchhandlung, die in Ueckermünde ansässig ist

Ein Kommentar zu “„Eine Buchhandlung muss spannend bleiben!“ SteglitzMind stellt Bettina Haenitsch mit „der buchladen“ vor

  1. Mir gefallen die Frische und unerschrockene Begeisterung, die Frau Haenitsch im Interview ausstrahlt, und kann nur aufrichtig wünschen, dass sie diese – und ihre Buchhandlung – auch über die Jahre hinweg bewahren kann.

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