Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.
Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?
Dass wir heute Hannah Wiesehöfer und Nina Wehner mit ihrer Buchhandlung Die Buchkönigin kennenlernen, die in Berlin-Neukölln zu finden ist, hatte Barbara Miklaw vom Mirabilis Verlag vorgeschlagen.
Eine Skizze vom Laden…
Die Buchkönigin haben wir vor drei Jahren, im September 2010 gegründet. Wir liegen in Neukölln, mitten im Reuterkiez, in der Nähe des Hermannplatzes. Unser Sortiment hat keinen eigentlichen Schwerpunkt; wir sind bemüht ein kleines aber gut durchdachtes und ausgewähltes Programm zu führen. Eine Besonderheit ist aber sicherlich, dass etwa ein Viertel unseres Angebots aus einem antiquarischen Teil besteht.
Warum sind Sie Buchhändler/in geworden?
Die Eröffnung einer Buchhandlung in Neukölln bot sich in unseren Augen an. Kennengelernt haben wir uns über eine Anzeige, in der Hannah eine Mitstreiterin zur Gründung einer Buchhandlung suchte. Nina ist gelernte Buchhändlerin und zusammen konnten wir uns das Projekt gut vorstellen.
Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?
Der Buchhandel hat es im Moment sicher nicht leicht und wird auch in Zukunft noch einige Hürden nehmen müssen (E-Books, Amazon). – Gerade in Berlin jedoch etablieren sich seit einigen Jahren wieder eine Reihe kleiner, unabhängiger Buchhandlungen. Unser Eindruck ist, hier funktioniert was in anderen – vielleicht auch kleineren Städten – immer schwieriger wird: ein individuelles, sorgfältig zusammengestelltes Angebot, die persönliche Beratung und der jeweilige Flair eines Ladens werden von einer Kundschaft gesucht, die sich bewusst gegen einen Einkauf bei großen Ketten oder im Internet entscheiden, und denen der Erhalt kommunaler Einzelhandelsstrukturen erstrebenswert erscheint.
Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?
Für Nina, die seit fast zehn Jahren im Buchhandel arbeitet, hat sich vor allem verändert, dass sie nun selbstständig ist und nicht mehr als Angestellte arbeitet. Hannah war vorher nicht im Buchhandel tätig.
Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?
Wir haben natürlich einen Internetauftritt, über ein Formular auf unserer Webseite kann man Bücher bestellen, in unserem Blog schreiben wir Rezensionen oder kommentieren aktuelle, für uns relevante Ereignisse. Auch mit unserer Facebook-Seite sind wir aktiv und ab und zu versenden wir Nachrichten (Veranstaltungen, Aktionen) über Twitter.
Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?
Die größte Gefahr, das Ende, wäre das Fallen der Buchpreisbindung. Natürlich ist auch die Zunahme des Internethandels gefährlich, zudem die großen Anbieter wie Amazon bereits gezielt die Buchpreisbindung unterwandern und teilweise auch Novitäten schon kurz nach Erscheinen zu günstigeren Preisen anbieten.
Auch das E-Book wird es dem klassischen Buchhandel in der Zukunft schwer machen. Es ist wahrscheinlich eine Illusion zu glauben, dass Buchhandlungen an diesem Geschäft partizipieren können. Die meisten Menschen werden sich ihre E-Books direkt aus dem Internet ziehen und nicht den Weg über eine Buchhandlung nehmen. Zudem sind die Margen natürlich auch extrem gering.
Der Buchhandel sollte sich auf seine Kernkompetenz besinnen – Beratung und genaue Kenntnis des angebotenen Sortiments – und nicht versuchen, hektisch einem vermeintlichen Puls der Zeit hinterherzueilen.
Wie halten Sie es mit dem E-Book?
Verkaufen wir nicht.
Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?
Das tun wir im Grunde schon, indem wir immer wieder Bücher ins Sortiment nehmen, die uns von privater Seite – zumeist von den AutorInnen – angeboten werden. Wenn uns die Titel gefallen, nehmen wir sie gerne ins Sortiment auf, allerdings auf Kommission.
Wie verkauft man heutzutage Bücher?
Wir versuchen, Bücher anzubieten, die uns gefallen, die wir dementsprechend empfehlen und vorstellen können.
Mit der Zeit haben wir auch gemerkt, dass bestimmte Themengebiete in unserem Einzugsgebiet wichtig sind, zum Beispiel Bücher zu Queer Studies oder Transgender, zu Netzpolitik, Radsport etc. Da versuchen wir natürlich die relevanten Titel vorrätig zu haben und uns die Neuerscheinungen nicht entgehen zu lassen.
Wichtig ist es also sowohl das eigenen Sortiment als auch sein Publikum zu kennen. Lesen, lesen, lesen und sich gut über die Neuerscheinungen auf dem Markt informieren und mit der eigenen Kundschaft zu sprechen, was gemocht und gewünscht wird.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?
Keine Riesenkampagnen für einzelne Titel, die mit aller Macht auf die Bestsellerlisten gewuppt werden sollen.
Keine Pakete mit Leseexemplaren pauschal versenden.
Den Büchern eine längere Halbwertzeit zugestehen.
Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?
Dass die Lobbyarbeit des Börsenvereins gezielt auch darauf gerichtet ist, kleineren und ungewöhnlichen Projekte (siehe unten) – Verlage, Buchhandlungen – einen Raum zu geben und zu fördern.
Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Schön ist, dass auch im Literaturbetrieb immer noch neue Konzepte erdacht werden und funktionieren. Zum Beispiel der neue Berliner Verlag Metrolit – ein Projekt verschiedener Akteure des Literatur- und Medienbetriebs (Aufbau, Walde + Graf, Flux Fm). Sie haben ein innovatives Programm aufgestellt, das sich sowohl am Zeitgeist orientiert als auch auf klassisch verlegerische Arbeit setzt.
Weiterhin ist es erfreulich zu sehen, dass auch kleine ambitionierte Projekte wie zum Beispiel der Binooki Verlag oder Kookbooks eine Chance haben, sich zu etablieren. Auch Ungewöhnliches oder scheinbar Abseitiges muss nicht konträr zu wirtschaftlicher Machbarkeit stehen, und trägt zu einer lebendigen literarischen Szene abseits des Mainstreams bei.
Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?
Um sich inspirieren zu lassen. Um sich mit Anderen auszutauschen über ihre Leseerfahrungen, Lesefreuden, Büchersuche. Um sich zu entspannen und sich in angenehmer Atmosphäre eine kleine Pause zu gönnen. Um neue Bücher zu finden. Um sich beraten zu lassen von den BuchhändlerInnen ihres Vertrauens.
Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Die Rittersche Buch- und Kunsthandlung in Soest, Shakespeare und So in Mainz, die leider im Netz nicht präsent sind.
Herzlichen Dank, schön, dass Sie hier dabei sind.
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Fünf Fragen vom Börsenblatt für den deutschen Buchhandel zur Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen beantworte ich hier
Zu Wort gekommen sind bislang:
Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen
Edda Braun mit ihrer Buchhandlung am Turm in Ochsenfurt
Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm
Margarete Haimberger mit ihrer Schröersche Buchhandlung in Berlin/Schöneberg
Sonja Lehmann vom Bücherwurm Borken im Nordhessischen
Martina Bergmann mit der Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen
Thomas Calliebe mit seiner Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau
Mila Becker mit Mila Becker Buch & Präsent in Voerde
Trix Niederhauser aus der Schweiz von der Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental
Simone Dalbert von der der Buchhandlung Schöningh in Würzburg
Klaus Kowalke von der Stadtteilbuchhandlung Lessing und Kompanie Literatur e. V. in Chemnitz
Beate Laufer-Johannes von der der BücherInsel in Frauenaurach bei Erlangen
Petra Hartlieb von der Wiener Buchhandlung Hartliebs Bücher
Nicole Jünger aka Kata Butterblume vom Buchladen am Neuen Markt in Meckenheim
Jörg Braunsdorf von der Berliner Tucholsky-Buchhandlung
Stefanie Diez und ihre Buchhandlung Die Insel im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg
Britta Beecken von der Berliner Buchkantine
Heike Wenige mit dem Taschenbuchladen, der im sächsischen Freiberg ansässig ist
Christian Röhrl von der Buchhandlung Bücherwurm in Regensburg
Susanne Dagen vom Buchhaus Loschwitz in Dresden
Jessica Ebert und Katja Weber von der Berliner Buchhandlung ebertundweber
Anna Jeller mit ihrer Buchhandlung Anna Jeller in Wien
Holger Brandstädt von der Friedrich-Wagner-Buchhandlung, die in Ueckermünde ansässig ist
Bettina Haenitsch mit der Buchhandlung der buchladen in Seligenstadt
Gustav Förster mit der Wein-Lese-Handlung Förster, die in Ganderkesee zwischen Oldenburg und Bremen zu finden ist
John Cohen von der Hamburger Buchhandlung cohen + dobernigg
Beate und Mischa Klemm mit der Buchhandlung lesen und lesen lassen, die ihren Sitz in Berlin/Friedrichhain hat
Maria Glusgold-Drews mit ihrem Buchladen MaschaKascha – Schöne Bücher in Hannover
Oh, wie toll. Wir danken sehr für die freundliche Erwähnung und senden ganz viele Grüße aus Kreuzberg nach Neuköln!
ein feiner Gruß – und Anstoß. Ob nicht auch die Möglichkeit bestünde, dass unabhängige, wohfeine Verlage hier ebenfalls zukünftig …
Der feine Anstoß klingt in jedem Fall vielversprechend!
Pingback: Ein spannender Blog für Bücherliebhaber/Innen | aquas de marco
Diese Buchhandlung in Olpe am Biggesee, Sauerland, möchte ich gerne empfehlen:
http://www.dreimann-buchhandlung.de/ .
Besonders die erfolgreichen großen Lese-Events, die diese Buchhandlung weit über die Grenzen des Kreises Olpe bekannt gemacht haben. Herr Spielmann und sein Team haben es drauf.
Herzliche Grüße,
Ulla Buthe