Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.
Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?
Dass wir Torsten Meinicke vom Hamburger Buchladen Osterstraße etwas näher kennenlernen sollten, das hatte Jörg Braunsdorf von der Berliner Tucholsky-Buchhandlung vorgeschlagen.
Eine Skizze vom Laden …
Der „Buchladen in der Osterstraße“ wurde eben dort, im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel, 1978 als politische Stadtteilbuchhandlung in Selbstverwaltung gegründet. Das ist der Laden – nach diversen Veränderungen wie Umzug auf die andere Straßenseite und Vergrößerung auf ca. 80 qm – immer noch. Zurzeit wird der Laden von drei Menschen betrieben.
Warum sind Sie Buchhändler geworden?
Weil mir nach einem (abgebrochenen) Geschichtsstudium und einer Umschulung zum Buchhändler, die Möglichkeit vor die Füße fiel, in der Osterstrasse weitgehend selbst bestimmt und politisch voreingenommen meine Brötchen zu verdienen. Und ja, lesen tue ich auch gerne…
Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?
Angestellt, womöglich noch bei einer der großen Ketten, sicherlich nicht. Wenn der Freiraum zum selbst bestimmten Arbeiten vorhanden ist wie bei uns, jederzeit wieder, denn der tägliche Kampf gegen Verblödung und Konzentration im Buchhandel kann auch sehr unterhaltsam sein.
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Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?
1. Längere Ladenöffnungszeiten. 2. Serviceleistungen (Einpacken, liefern, zur Ansicht bestellen etc.) nimmt seit Jahren zu.
Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?
Unser Online-Shop hat seit wenigen Tagen geöffnet. Was die Großen können und die Fiesen mit dem a am Anfang, können wir auch. Ob es genügend Menschen merken, werden wir sehen.
Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?
Dass die Menschen, die lesen (Bücher meine ich), bald aussterben. Unsere Stammkundschaft ist im Schnitt deutlich jenseits der 50, dafür aber treu, klug und politisch interessiert. Wenn der Rest nur noch den Kaffeesatz ihres Galao liest und Nichtigkeiten auf dem Smartphone entziffert, dann wird für uns irgendwann Schluss sein.
Wie halten Sie es mit dem E-Book?
E-Books können bei uns bestellt werden, die Anzahl der Verkäufe ist jedoch absolut marginal. Und ich denke, das bleibt auch so, denn meiner Meinung nach werden E-Books und stationärer Buchhandel nie wirklich zusammen finden.
Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?
Nein, das liegt jedoch auch daran, dass ich diesen Markt nicht wirklich überblicke.
Wie verkauft man heutzutage Bücher?
Viele Abende verbringen wir mit Büchertischen auf mehr oder weniger spannenden literarischen und politischen Abendveranstaltungen. Persönliche Empfehlungen von wirklich gelesenen und für gut befundenen Büchern sind der wesentliche Verkaufsmotor. Abseitig-Spannendes macht neugieriger als die Präsentation der ewig austauschbaren Stapelware.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?
1. Faire Rabatte. 2. Übernahme eines Teils der Kosten bei Lesungen, denn schließlich machen wir mit unseren Lesungen Werbung für das jeweilige Buch. 3. Produziert endlich weniger Bücher!!!
Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?
Weiter eine feste Haltung im beständigen Kampf für die Ladenpreisbindung.
Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Die intellektuell und politisch hoch anregende Debatte, die um den Stand der Kriminalliteratur geführt wird von kompetenten Menschen wie Thomas Wörtche, Tobias Gohlis und nicht zuletzt Else Laudan von ariadne, mit der wir gerade unsere Reihe „Der Krimi wird politisch“ über die Bühne gebracht haben
Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?
Zum Beispiel, um solch spannende Lesungen nicht zu verpassen. Und weil ständiges Galaotrinken auf die Dauer nur dick macht.
Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Bin ich in Berlin, bin ich immer wieder beim Kollegen Koch in der Kreuzberger Hammett-Krimibuchhandlung. Mehr krimineller Sachverstand ist in diesem Land auf so wenigen Quadratmetern nicht zu finden. Zu Wort kommen sollten aber auch die Gartmann-Sisters, die mit ihrer Schatulle seit vielen Jahren in Osterholz-Scharmbek die Provinz rocken.
Danke sehr! Und nun weiß ich auch, dass Galao in Hamburg offenbar sehr angesagt ist…
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Eine Übersicht über die Empfehlungen, die im Rahmen der Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen seit Juli 2013 zusammengekommen sind, findet sich hier
Weiter geht’s mit der Gesprächsreihe wieder Mitte Januar…