„Der tägliche Kampf gegen Verblödung und Konzentration im Buchhandel kann auch sehr unterhaltsam sein.“ – SteglitzMind stellt Torsten Meinicke vom Buchladen Osterstraße vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Dass wir Torsten Meinicke vom Hamburger Buchladen Osterstraße etwas näher kennenlernen sollten, das hatte Jörg Braunsdorf von der Berliner Tucholsky-Buchhandlung vorgeschlagen.

Eine Skizze vom Laden …

Der „Buchladen in der Osterstraße“ wurde eben dort, im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel, 1978 als politische Stadtteilbuchhandlung in Selbstverwaltung gegründet. Das ist der Laden – nach diversen Veränderungen wie Umzug auf die andere Straßenseite und Vergrößerung auf ca. 80 qm – immer noch. Zurzeit wird der Laden von drei Menschen betrieben.

Warum sind Sie Buchhändler geworden?

Torsten Meinicke © Buchladen Osterstraße

Torsten Meinicke © Buchladen Osterstraße

Weil mir nach einem (abgebrochenen) Geschichtsstudium und einer Umschulung zum Buchhändler, die Möglichkeit vor die Füße fiel, in der Osterstrasse weitgehend selbst bestimmt und politisch voreingenommen meine Brötchen zu verdienen. Und ja, lesen tue ich auch gerne…

Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Angestellt, womöglich noch bei einer der großen Ketten, sicherlich nicht. Wenn der Freiraum zum selbst bestimmten Arbeiten vorhanden ist wie bei uns, jederzeit wieder, denn der tägliche Kampf gegen Verblödung und Konzentration im Buchhandel kann auch sehr unterhaltsam sein.

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Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?

1. Längere Ladenöffnungszeiten. 2. Serviceleistungen (Einpacken, liefern, zur Ansicht bestellen etc.) nimmt seit Jahren zu.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

Unser Online-Shop hat seit wenigen Tagen geöffnet. Was die Großen können und die Fiesen mit dem a am Anfang, können wir auch. Ob es genügend Menschen merken, werden wir sehen.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?

Dass die Menschen, die lesen (Bücher meine ich), bald aussterben. Unsere Stammkundschaft ist im Schnitt deutlich jenseits der 50, dafür aber treu, klug und politisch interessiert. Wenn der Rest nur noch den Kaffeesatz ihres Galao liest und Nichtigkeiten auf dem Smartphone entziffert, dann wird für uns irgendwann Schluss sein.

Wie halten Sie es mit dem E-Book?

E-Books können bei uns bestellt werden, die Anzahl der Verkäufe ist jedoch absolut marginal. Und ich denke, das bleibt auch so, denn meiner Meinung nach werden E-Books und stationärer Buchhandel nie wirklich zusammen finden.

Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Nein, das liegt jedoch auch daran, dass ich diesen Markt nicht wirklich überblicke.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Viele Abende verbringen wir mit Büchertischen auf mehr oder weniger spannenden literarischen und politischen Abendveranstaltungen. Persönliche Empfehlungen von wirklich gelesenen und für gut befundenen Büchern sind der wesentliche Verkaufsmotor. Abseitig-Spannendes macht neugieriger als die Präsentation der ewig austauschbaren Stapelware.

so schaut's Innen aus © Buchladen Osterstraße

so schaut’s Innen aus © Buchladen Osterstraße

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?

1. Faire Rabatte. 2. Übernahme eines Teils der Kosten bei Lesungen, denn schließlich machen wir mit unseren Lesungen Werbung für das jeweilige Buch. 3. Produziert endlich weniger Bücher!!!

Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Weiter eine feste Haltung im beständigen Kampf für die Ladenpreisbindung.

Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Die intellektuell und politisch hoch anregende Debatte, die um den Stand der Kriminalliteratur geführt wird von kompetenten Menschen wie Thomas Wörtche, Tobias Gohlis und nicht zuletzt Else Laudan von ariadne, mit der wir gerade unsere Reihe „Der Krimi wird politisch“ über die Bühne gebracht haben

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Zum Beispiel, um solch spannende Lesungen nicht zu verpassen. Und weil ständiges Galaotrinken auf die Dauer nur dick macht.

Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Bin ich in Berlin, bin ich immer wieder beim Kollegen Koch in der Kreuzberger Hammett-Krimibuchhandlung. Mehr krimineller Sachverstand ist in diesem Land auf so wenigen Quadratmetern nicht zu finden. Zu Wort kommen sollten aber auch die Gartmann-Sisters, die mit ihrer Schatulle seit vielen Jahren in Osterholz-Scharmbek die Provinz rocken.

Danke sehr! Und nun weiß ich auch, dass Galao in Hamburg offenbar sehr angesagt ist…

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Eine Übersicht über die Empfehlungen, die im Rahmen der Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen seit Juli 2013 zusammengekommen sind, findet sich hier

Weiter geht’s mit der Gesprächsreihe wieder Mitte Januar…

„Das Internet nimmt uns schon gehörig Umsatz weg.“ SteglitzMind stellt Rosemarie Reif-Ruppert von der Gostenhofer Buchhandlung vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Dass wir die Gostenhofer Buchhandlung, die in Nürnberg ansässig ist, kennenlernen sollten, das hatte sich MacG gewünscht.

Eine Skizze vom Laden…

Rosi Reif-Ruppert © Rainer Kradisch

Rosi Reif-Ruppert © Rainer Kradisch

Die Gostenhofer Buchhandlung gibt es seit 1985 in einem Nürnberger Stadtteil unweit des Altstadtrings. Als wir sie gründeten war der Stadtteil verrufen als ehemaliges „Glasscherben-Viertel“. Inzwischen hat sich viel geändert, aus dem Arbeiter und Handwerker-Viertel wurde ein Stadtteil, in dem viele Künstler ihre Ateliers haben – in den aufgelassenen Handwerks- und Industriebetrieben gibt es viel Raum für wenig Geld. Seit den ersten „Gastarbeitern“ in den 60iger Jahren leben hier auch viele Migranten, die den Stadtteil bunt und vielseitig machen, für die Buchhandlung allerdings nur bedingt Kunden bringen.

Auf ca. 60 qm bieten wir vor allem Belletristik (Krimis!) und Kinderbücher. Seit zwei Jahren sind wir auch Partnerbuchhandlung der Büchergilde Gutenberg. Wir legen großen Wert darauf, Bücher abseits des Mainstreams anzubieten.

Außer mir arbeiten noch eine Vollzeit-Buchhändlerin und drei Minijob-Buchhändlerinnen.

Warum sind Sie Buchhändlerin geworden?

Ich bin der typische Quereinsteiger: Nach zwei anderen Berufen habe ich meinen Traum verwirklichen können und – damals zusammen mit einem Freund – die Buchhandlung eröffnet, was angesichts unserer eher versteckten Lage und dem geringen finanziellen Spielraum ziemlich abenteuerlich war.

Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Ja, sofort und unbedingt würde ich wieder eine Buchhandlung aufmachen! Gibt es denn etwas Abwechslungsreicheres als Bücher? Als Buchhändlerin in einem abhängigen Arbeitsverhältnis würde ich wohl nicht so gerne arbeiten.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?

Einiges: Es gibt immer mehr Verwaltungsarbeiten, Verordnungen und Gesetze, die zu beachten sind. Man denke nur an all die gesetzlichen Regelungen in Zusammenhang mit der Website. Dafür ist es viel einfacher geworden, Titel zu bibliografieren, selbst solche, die nicht im Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) und in Barsortimentskatalogen auftauchen.

Wir besorgen sehr viel mehr antiquarische Titel als früher, insgesamt bieten wir viel mehr Service, um die Kunden bei Laune zu halten (das geht so weit, dass wir für Stammkunden deren Lieblings-Karamellen bereithalten)

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

Wir haben seit Jahren eine individuelle Website mit Buchtipps, Veranstaltungsinformationen u.a., in die wir den Shop von KNV eingebunden haben. Der wird vor allem von unseren Stammkunden benutzt, die abends noch schnell etwas bestellen wollen. – Facebook ist momentan kein Thema.

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?

hereinspaziert... © Rainer Kradisch

hereinspaziert… © Rainer Kradisch

Leider muss auch ich sagen, das Internet nimmt uns schon gehörig Umsatz weg. Wir steuern mit all unseren stationären Aktivitäten dagegen. Nischen zwischen Buchkaufhaus und Internetanbieter gibt es auch heute noch genug.

Wie halten Sie es mit dem E-Book?

Reader verkaufen wir nicht. Der E-Book-Verkauf im Laden ist im letzten Jahr ziemlich gewachsen, vor allem bei Viellesern, die gerne zusätzlich noch „richtige“ Bücher kaufen, aber z.B. für lange Zugreisen lieber das leichte Lesegerät mitnehmen.

Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Unbeliebtes Thema Self-Publisher. Grundsätzlich habe ich keine Einwände – vorausgesetzt die (Text-)Qualität stimmt. Ja, liebe Self-Publisher, auch Druck, Schriftbild, Papierqualität, Covergestaltung… beeinflussen die Kaufentscheidung! In der Praxis gibt’s jedoch jede Menge Ärger: fehlende Einträge im VLB und oft auch via Internet schlecht oder gar nicht zu bibliografieren. Fehlerhafte Rechnungsstellung, unorthodoxe Liefermethoden, fehlendes Wissen der Usancen im Buchhandel, nicht zu reden von Rechtschreibfehlern im oft genug miserablen Text.

Und ja, es ist ja schön, wenn der Autor von seinem Werk begeistert ist, aber wir wollen auch unsere Kunden im Laden bedienen und nicht so gerne umständlichen Inhaltsangaben am Telefon lauschen.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Unserer eher ungünstigen Geschäftslage geschuldet, bieten wir unseren Kunden eine ganze Palette von Leistungen und Veranstaltungen an: In unserem Literarischen Wohnzimmer stellt eine Kollegin Bücher im Wohnzimmer einer Kundin vor, die dann bestellt werden können. Kunden können sich nach Geschäftsschluss bei uns einschließen lassen und ganz in Ruhe stöbern. In der „Perlen“-Reihe gibt es jeweils in Frühjahr und Herbst Buchvorstellungen für Kinderbücher bzw. Belletristik. Die Bücher-Lounge ist als Gesprächskreis mit Kunden gedacht. Bei einem Glas Wein dürfen auch unsere Kunden Bücher vorstellen und sich darüber austauschen. Unsere Themen-Abende bieten neben Lesungen ausgewählter Literatur passend dazu auch ein vier-gängiges Menue.

Unser Jugendclub für 8- bis 15-Jährige trifft sich einmal im Monat. Im Moment dümpelt er etwas vor sich hin – da brauchen wir eine neue Idee. Zum Welttag des Buches haben wir Schulklassen zu Gast, denen wir ein einstündiges Programm bieten. Kürzlich haben wir für den Stadtteil in Vernetzung mit Kindergärten und Horten eine ganze Woche mit Veranstaltungen rund ums Buch organisiert. Und Büchertische zu den unterschiedlichsten Veranstaltungen sind ja eh’ klar.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?

Sind leider mehr als drei.

Na, denn los…

Türchen auf... © Rainer Kradisch

Türchen auf… © Rainer Kradisch

Liebe Verlage, bitte macht Bücher nicht so billig! Wenn die Qualität stimmt, darf ein Taschenbuch auch 14,99 kosten und nicht nur 8.99. Achtet doch bitte wieder mehr auf das Preis-Leistungsverhältnis: für 800 Seiten mit schmucken Cover sind 10 € zu wenig, für 80 Seiten, auf schlechtes Papier gedruckt, sind € 12,90 zu viel.

Übernehmt die Versandkosten, denn dann bekomme ich keine Rechnungen mehr, auf denen statt der billigeren Büchersendung exorbitante Versandkosten im zweistelligen Bereich ausgewiesen werden.

Reduziert die vielen austauschbaren Titel und blast Bücher nicht künstlich auf: in unsere Regale passt halt nur eine begrenzte Zahl von Titeln. Ein Buch mit den Ausmaßen eines Backsteins nimmt uns einfach zu viel Platz weg wenn man den Text auch – ohne Einbußen an guter Lesbarkeit – auf ein Drittel der Seiten unterbringen könnte.

Das gleiche gilt für die Vorschauen: Es bringt mir nichts, einen umworbenen Bestseller einmal von hinten, von vorne, auf einem Stapel, in einen kunstvollen Aufbau oder sonstwie auf jeweils einer ganzen Seite abgebildet bestaunen zu können. Dagegen hätte ich gerne Vorschauen oder Leseproben, die Informationen über Text und Autor bieten. Ja, auch wie die Geschichte ausgeht und wer der Täter ist, darf gerne verraten werden…

Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Weiterhin für den Erhalt des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes und natürlich die Preisbindung zu kämpfen (Gefahrenquelle Freihandelsabkommen mit den USA)

Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

Aktuell gerade nichts. Nach der Buchmesse hat sich bei uns hier eine gewisse Frustration breit gemacht, was den Messebesuch betraf. Irgendwie hatten wir uns in den letzten Jahren an den Ständen der Verlage zunehmend als Störfaktor gefühlt, nicht als interessierten und möglicherweise sogar interessanten Partner der Verlage. Klar gilt das nicht für alle, wir hatten auch sehr nette Messegespräche, aber wenn mir gesagt wird, ich solle doch von zu Hause aus bestellen, man habe gerade keine Zeit zum Aufnehmen einer Bestellung, dann komme ich schon ins Grübeln…

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

Nun, den Kontakt zu richtigen Menschen, die zuhören und Empfehlungen punktgenau auf den Kunden abgestimmt geben können, kann keine noch so gute Maschine ersetzen. Eine Buchhandlung ist immer auch ein Treffpunkt, ein Ort, an dem ich (nicht nur literarische) Anregungen bekomme und der einfach alle Sinne anspricht.

Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Doris Müller-Höreth von der Buchhandlung Pelzner in Nürnberg-Eibach ist eine enorm engagierte und ideenreiche Buchhändlerin. Und die sehr schöne Regensburger Buchhandlung Dombrowsky, die viele tolle Veranstaltungen organisiert.

Danke sehr, ich freue mich, dass Sie dabei sind.

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Eine Übersicht über die Empfehlungen, die im Rahmen der Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen seit Juli 2013 zusammengekommen sind, findet sich hier

„Gebt tollen Titeln mehr Zeit sich zu entwickeln.“ – SteglitzMind stellt Heike Röminger und Ingo Herrmann von der Buchhandlung „Moby Dick“ vor

Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.

Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?

Dass wir ein wenig mehr über Ingo Herrmann und Heike Röminger von der Buchhandlung Moby Dick erfahren sollten, die im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg ansässig ist, hatten sich Beate und Mischa Klemm von der Berliner Buchhandlung lesen und lesen lassen gewünscht.

Eine Skizze vom Laden …

Wir haben Moby Dick vor gut 2 Jahren in der sehr lebendigen Stargarder Straße im Prenzlauer Berg gegründet. Wir wollen eine Adresse für die Bewohner dieses Viertels sein und bieten daher ein allgemeines Sortiment an; d.h. neben unseren Schwerpunkten (Belletristik, Kinder- und Jugendbuch und Kriminalromane) findet man bei uns auch Sachbücher zu verschiedenen Themen sowie Berlin-Literatur. Außerdem bekennen wir uns sichtbar zu unserem Faible für Klassiker und für schöne Bücher.

Warum sind Sie Buchhändler geworden?

Ingo Herrmann & Heike Röminger  © Ingo Herrmann

Ingo Herrmann & Heike Röminger © Ingo Herrmann

Ingo Herrmann: Vor mehr als 30 Jahren wollte ich Buchhändler werden und ich hatte bislang auch das Glück nichts anderes sein zu müssen.

Heike Röminger: Ich bin Buchhändlerin geworden, weil ich viel gelesen habe und mich schon sehr früh für eine Ausbildung entscheiden musste. Dass dieser Beruf für mich eine glückliche Wahl sein würde, hat sich erst später herausgestellt.

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Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?

Ingo Herrmann: Ja – und solange Buchhändler noch gebraucht werden auch immer wieder. Ich wäre aber auch ein guter Gärtner…

Heike Röminger: Nein, bei einem zweiten Versuch würde ich lieber ein Handwerk lernen. Dann kann ich auch jederzeit lesen, was ich will.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?

Im Grunde nicht so viel. Gut, es gibt mehr Technik, vieles geht einfacher und schneller, die Kunden sind, dank Internet, im Bereich Recherche informierter und kompetenter; letztlich möchte der Kunde im Buchhandel aber nach wie vor sehr guten Service von ausgebildeten Fachkräften, gute und individuelle Beratung und auch mal über ein Buch reden, das er gelesen hat oder noch lesen möchte. – Persönliche Tipps jenseits der Bestsellerlisten sind zunehmend gefragt.

Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?

Wir werden im kommenden Jahr über einen Online-Shop verfügen – so können unsere Kunden (und alle, die es noch werden möchten) vom PC aus bequem über das Internet einkaufen und zugleich den stationären Buchhandel vor Ort, die Buchhandlung ihres Vertrauens  unterstützen. Via Internet einkaufen heißt ja nicht automatisch: via Amazonien. Außerdem wollen wir unsere Homepage intensiver nutzen und auch auf unserer Facebook-Seite etwas aktiver werden. Das Herz von Moby Dick schlägt aber in der Stargarder Straße…

Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?

Das größte Problem für den Handel vor Ort sind die steigenden Kosten insbesondere der Mieten und die Bedrohung der gesetzlich festgeschriebenen Preisbindung für das Medium Buch.

Wie halten Sie es mit dem E-Book?

Wir werden sie im Shop anbieten (ca. 800.000 Titel), ich habe gerade einen Reader geschenkt bekommen und bin dabei mich schlau zu spielen…

Natürlich ist es praktisch, die Schrift den eigenen Seh- und Lesegewohnheiten anpassen zu können und weniger Platz für seine Bibliothek zu benötigen. Mein Herz hängt nicht daran – vielleicht weil es eben „nur“ eine Datei ist und kein Buch? Ich persönlich habe es lieber haptisch – ich wohne gerne mit meinen Büchern und besitze sie auch gerne. Aber das ist eine persönliche  Entscheidung.

Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?

Wir haben die Möglichkeit so genannte Books on Demand über unseren Händler zu bestellen, darüber hinaus spielt das Thema bei uns keine Rolle.

Meist ist es ja so, dass jemand kommt und einen eigenen Titel anbietet; in der Regel stellt sich dann heraus, dass er/sie sich noch keine Gedanken über Konditionen, Preisgestaltung, Mehrwertsteuer, Vertrieb u. ä. gemacht hat. Von der Gestaltung ganz zu schweigen.

Es gibt natürlich Ausnahmen, eigentlich sind wir aber ganz zufrieden mit dem Filter „Verlag“.

Wie verkauft man heutzutage Bücher?

Das Besondere an jeder (inhabergeführten!) Buchhandlung ist die Auswahl des im Geschäft präsentierten Sortiments. Wir haben zweimal im Jahr mehrere Regalmeter Verlagsvorschauen gesichtet und ausgewählt, was wir haben müssen und was wir haben wollen. Da ist viel Persönliches dabei und wir führen auch Bücher und Titel, die nicht im Scheinwerferlicht des Literaturbetriebes stehen.

Wir teilen eben gern, was wir mögen, und unsere Kunden wissen das inzwischen zu schätzen und freuen sich über ihre Trouvaillen.

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?

stöbern und schmökern  © Ingo Herrmann

stöbern und schmökern © Ingo Herrmann

Mit vielen Verlagen arbeiten wir sehr gut zusammen aber manchmal hakt es eben doch und ich glaube, das hat oft mit falschen Vorstellungen von der Arbeit des jeweils anderen zu tun – also bitte mehr Kommunikation wie z. B. Händlerbeiräte.

Wenn ich mich dann auf drei Wünsche beschränken soll (Kommunikation zählt nicht als Wunsch weil das in dieser Branche eigentlich selbstverständlich sein sollte…):

  • Es wäre schön, wenn man nicht als Bittsteller sondern als Handelspartner mit gemeinsamem Interesse (Handel mit Kultur UND Ware, nämlich Buch) gesehen würde.
  • Wenn, wie die Verlage gerne betonen, der Buchhandel als Vertriebsweg so wichtig ist: Wieso gibt es dann Bücher in Supermärkten und wieso verkaufen sie, die laut über nicht rentable Einzellieferungen an die Buchhändler wettern, ihre Bücher direkt an Endkunden?
  • Und bitte reduziert die Produktion und gebt damit tollen Titeln mehr Zeit sich zu entwickeln; die Regale der Buchhändler sind nicht unendlich groß und Rezensenten sind auch nur Menschen – immer öfter erscheinen Rezensionen ja erst wenn der Titel „durch“ ist und es ja schon wieder ganz viele neue Bücher gibt…

Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?

Ich wünsche mir weniger Event und mehr Information; mich erschreckt immer wieder, wie wenig Kunden um z. B. die gesetzliche Buchpreisbindung in Deutschland wissen und darum, dass die (auch kostenlose!) Lieferung auf den nächsten Tag zwar etwas Besonderes  st (im Vergleich zum europäischen Ausland), aber keine Erfindung der Eingeborenen von Amazonien. – Mit diesem Wissen relativiert sich der „Vorteil“  der Bestellung bei Amazon doch erheblich.

Und wenn ich schon mal beim Wünschen bin, wünsche ich mir von den Kollegen Buchhändlern weniger gehobene Brauen, wenn ein Kunde sich beispielsweise eine schöne, saftige, triviale Schmonzette o. ä.  kauft…schließlich hat uns niemand zum Richter über den Geschmack anderer gemacht. –  Man hört und liest da so manches – gerade auch im Netz (!!!) …und dann ist unsere Aufregung jedes Jahr  groß, wenn der Beruf Buchhändler auf der Beliebtheitsskala mal wieder gleich hinter Gerichtsvollzieher ganz hinten steht und die Leser lieber im Internet einkaufen, weil sie da nicht angemault werden und niemandem Rechenschaft über ihren Geschmack schulden.

Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?

  • Das Jammern über den Untergang der Buchhandlungen (auch in der Branchenpresse)
  • Lieblose und uninspirierte Klappentexte und Rezensionen
  • Menschen in Verlagen, die den Unterschied zwischen Kultur und Handel wertend betonen – ich finde als begleitender Verlagsmensch darf man bei einer Buchpräsentation oder einer Autorenlesung durchaus darauf hinweisen, dass das Buch dort käuflich zu erwerben ist.  iemand findet das anrüchig und Autoren, Buchhändler und ja, auch Verleger leben davon.

Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?

  • Weil das dazu beiträgt, dass es Buchhandlungen weiterhin gibt
  • Weil Gespräche, Meinungs- und Gedankenaustausch zu Buch und Lesen Kunden und Buchhändler freundlich verbindet, interessant sind und einfach dazu gehören
  • Weil es Spaß macht (bzw. machen kann)?

Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Wir schlagen den Kollegen Kurt von Hammerstein von der Buchhandlung Hundt Hammer Stein in Berlin vor.

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Eine Übersicht über die Empfehlungen, die im Rahmen der Gesprächsreihe mit Buchhändler/innen seit Juli 2013 zusammengekommen sind, findet sich hier