Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.
Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?
Heute lernen wir Sabine und Ute Gartmann ein wenig näher kennen, die in Osterholz-Scharmbek die schatulle betreiben. Vorgeschlagen hatte das Torsten Meinicke vom Hamburger Buchladen Osterstraße und ich freue mich sehr, dass die Geschwister die Einladung angenommen haben.
Eine Skizze vom Laden…
Ursprüngliche Gründung war September 1979, wir beide sind seit 1987/1990 dabei. Wir sind immer in dergleichen Straße geblieben (hoch und runtergezogen) – jetzt haben wir seit zehn Jahren 100qm, Schwerpunkt ist Kinder- und Jugendbuch und Belletristik.
Warum sind Sie Buchhändlerinnen geworden?
Eine von uns ist in den Stellenstopp für LehrerInnen gerasselt, die andere hat gleich eine brotlose Kunst studiert (Sozialwissenschaften) – und da gab’s die Chance, in den Buchladen unserer dritten Schwester einzusteigen: ein horizontaler Familienbetrieb und das mit Lesen verbunden klang perfekt!
Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?
Jein – den Beruf selber finden wir immer noch klasse, zumindest in einem kleinen Laden mit selbstständiger Form der Arbeit (alle können alles machen), die Rahmenbedingungen gerade auch in Kleinstädten werden allerdings immer schwieriger – Stichwort verkaufsoffene Sonntage, Moonlightshopping – neue Ideen, die sich schnell erschöpfen.
Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?
Zum Glück mehr Urlaub, veränderte Erwartungen von Kunden, die „schon mal im Internet geguckt“ haben – nur leider auf den unmöglichsten Seiten … Um zu bestehen sind immer mehr und neue Ideen notwendig – das ist zum Teil anstrengend, macht den Job aber auch interessanter.
Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?
Wir haben seit geraumer Zeit eine Homepage mit Online Shop, die wir im Laden auf’s unterschiedlichste bewerben … speziell bei miesem Wetter und in Stresszeiten (Weihnachten) gibt’s viele Bestellungen. Unsere Kunden finden’s gut, online zu bestellen und dann die Möglichkeit der Abholung zu haben. – Präsent sind wir zudem bei Facebook.
Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?
Eine Katastrophe wäre ein Aufheben der Ladenpreisbindung! Zur Zeit profitieren wir – sind seit drei Monaten Monopolisten, nachdem sich ursprünglich zu Höchstzeiten fünf Buchhandlungen in der Stadt tummelten.
Wie halten Sie es mit dem E-Book?
Bei Fahrrad- und Wanderurlauben finden wir’s auch selbst praktisch – unseren Kunden gefällt, dass man bei uns bar bezahlt, der Link nach Hause geschickt wird und ökonomische Daten nicht im Internet herumgeistern. Die Rabattierung ist allerdings zum Wimmern!
Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?
Aus der Region tun wir das bereits – alles andere wäre für uns zu unübersichtlich – außerdem halten wir die Arbeit von Verlagen für sinnvoll!
Wie verkauft man heutzutage Bücher?
Neben Lesungen, Büchertischen, Buchvorstellungen.. machen wir eine Veranstaltungsreihe schatulle 31 – am jeweils 31. des Monats machen wir etwas, was uns Spaß macht, das kann mal ein Waldspaziergang sein, mal eine Exkursion zu den Kranichen, aber auch mit Kollegen aus anderen Branchen ein Rosenfest, eine Schnapslesung zum 33.Geburtstag. Die Resonanz bei unseren Kunden ist gut.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?
- Einkaufswege mit uns als Kunden abzusprechen: wir arbeiten gern mit fitten Vertretern, haben keine Lust auf „Telefonbetreuung“
- „Zwangspraktika“ – Lektoren arbeiten einen Tag in einer Kleinstadt/Vorstadtbuchhandlung; Buchhändler in einer Verlagsabteilung
- eine längere Frist zwischen Hardcover- und Taschenbuch-Ausgaben – minimum eineinhalb Jahre, um gutgehende Titel auch besser und länger verkaufen zu können vs. Schnelllebigkeit
Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?
- Kampf um den gebundenen Ladenpreis
- Umbau der MVB (Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels)
Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Der Spagat zwischen Anspruch und Verkäuflichkeit…
Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?
Es riecht gut, es sind nette Menschen vor und hinter dem Tresen, mit Chance entstehen interessante Gespräche und last but not least – jede Menge schöner Bücher zum Anschauen/Lesen/Grabbeln
Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Claudia und/oder Erich Kleene aus der Bücherinsel Dieburg
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Eine Übersicht, wer bislang Rede und Antwort stand, findet sich hier und zu allen empfohlenen Buchhandlungen geht es hier. Zum “Best of: Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen” gelangt Ihr hier. Und falls sich wer die Frage stellen sollte, einmal Buchhändler, immer Buchhändler?, wird hier fündig
Claudia und/oder Erich Kleene aus der Bücherinsel Dieburg
– Mal etwas aus meiner Ecke 🙂 .
ob das was wird? Ich habe die Buchhandlung bereits zum zweiten Mal gebeten, mitzutun…
Die drei Wünsche an Verlage sprechen mir aus der Seele, insbesondere der betr. telefonischer „Betreuung“. Hab das just man eben einer Vetriebsmitarbeiterin eines Verlages klargemacht. Aber auch das „Zwangspraktikum“ hat seinen Reiz, einfach damit einigen Leuten mal klar wird, was für eine Arbeit es ist, manche Titel zu verkaufen, Titel, die uns teilweise viel stärker am Herzen liegen als die leichtverkäufliche Ware. Vor Allem dann, hier greift Wunsch Nr. 3, wenn dann nach der Empfehlung vom Kunden die Frage kommt wann der empfohlene Titel denn als TB erscheint.