Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.
Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?
Heute erfahren wir etwas mehr über die Offenburger Buchhandlung Roth, die Barbara Roth in vierter Generation führt. Vorgeschlagen hatte das Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen. Ich freue mich sehr, dass Barbara Roth der Einladung gefolgt ist.
Eine Skizze vom Laden…
Unsere Buchhandlung ist fast 400 qm groß auf zwei Etagen und liegt mitten im Herzen von Offenburg, einer Stadt mit knapp 60.000 Einwohnern in der idyllischen Ortenau zwischen Freiburg und Karlsruhe gelegen. Das Rothe Team umfasst 23 Köpfe, betriebswirtschaftlich sind wir 12,5 Personen. – „Roth ist die Liebe zum Buch.“ – Die Liebe zum Buch wird bereits in der vierten Generation der Familie gelebt: 1897 gründete mein Urgroßvater Gustav Roth die damalige „Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung Gustav Roth“ in Offenburg. 1996 habe ich die Buchhandlung von meiner Mutter übernommen.
Als unabhängige Sortimentsbuchhandlung und als traditionelles mittelständisches Familienunternehmen ist das Ziel der Buchhandlung Roth: Wir begeistern die Menschen für das Buch und für das Lesen! Dies gelingt uns mit unserem Buch-Angebot, unserer „Buchhandlung zum Wohlfühlen“, fachkundiger Beratung und unseren Veranstaltungen. Hierbei gehen wir gerne auch ungewöhnliche und überraschende Wege (wie zum Beispiel mit unserer Jubiläums-Aktion 2008)! – Voraussetzung für unser Wirken ist dabei erfolgreiches und gewinnbringendes Wirtschaften.
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Warum sind Sie Buchhändlerin geworden?
Das ist ein wunderbarer Beruf für mich, der mir unglaublich großen Spaß macht! Ich habe mit Menschen zu tun, bin im kaufmännischen Bereich tätig und liebe Bücher – eine geniale Kombination, die mich bis heute absolut begeistert und glücklich macht. Mit den Inhalten der Bücher sind wir stets „am Puls der Zeit“ und so bleibt das Buchhandeln für mich unendlich abwechslungsreich und interessant.
Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?
Ja, das würde ich, denn ich liebe diesen Beruf nach wie vor.
Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?
Die EDV-technische Seite hat sehr zugenommen: vieles habe ich nur noch als Datei, nicht mehr auf Papier (z.B. die elektronische Archivierung!); ebenso muss ich viel mehr technisches Wissen haben zu den elektronischen Geräten (Readern) und dem Umgang sowie dem Verkauf von E-Books.
Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?
Wir haben seit 13 Jahren eine eigene Homepage, die wir immer wieder aktiv bewerben und den Kunden vorstellen. Dazu gibt es etliche Werbe-Maßnahmen (Lesezeichen, Plakate, Service-Karten, Flyer, Schilder am Schaufenster, Banner, etc.), die auf unsere Homepage als auch auf den Verkauf und die Beratung von Readern und E-Books hinweisen. Mit Aktionstagen rund um das elektronische Lesen wollen wir die Kunden informieren, begeistern und natürlich darauf aufmerksam machen, dass wir ihr Partner für das Buch sind – egal ob auf Papier oder anderen Medien! Auf Facebook sind wir seit drei Jahren und bieten dort nette Unterhaltung. Unser Veranstaltungskalender gibt es selbstverständlich auch per Newsletter.
Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?
Das veränderte Kaufverhalten der Kunden: Wie wird die Mehrzahl der Kunden zukünftig einkaufen? Nur noch elektronisch oder auch noch vor Ort? Das Bewusstsein der Kunden: Schaffen wir es, den regionalen Bezug zu erhalten, so dass der Kunde auf unserer Homepage einkaufen will? Oder glaubt der Kunde nur an Amazon? Aktuell für Offenburg ist Mitte Dezember die Entscheidung für ein innenstadtnahes Einkaufs-Center gefallen, welches in vier Jahren fertig gestellt werden soll. Wie wird sich dann unsere Innenstadt entwickeln? Was wird mit unserer Stadt passieren?
Wie halten Sie es mit dem E-Book?
Wir verkaufen E-Books sowohl über unsere Homepage als auch in der Buchhandlung. Im Geschäft bezahlt der Kunde bar und bekommt den Download-Link per email nach Hause geschickt. Eine sichere Sache!
Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?
Grundsätzlich kann ich mir diese Entwicklung gut vorstellen. Wichtig wäre dabei, dass wir uns über diese Titel auch vorab informieren und die Kunden dazu beraten könnten.
Wie verkauft man heutzutage Bücher?
Mit viel Begeisterung! Mit kompetenter Beratung und außergewöhnlichem Service. Mit einem durchgängigen, markanten (in unserem Falle ROTHEN) Marketing. Mit einer ausgezeichneten Vernetzung in der Stadt. Mit einem über viele Jahrzehnte gewachsenem Veranstaltungsprogramm, mit dem wir die Kunden immer wieder überraschen. Mit dem Halten und Steigern der eigenen Qualitätsmerkmale. Mit einem großartigem Team. Mit dem Leben der Firmenphilosophie. Mit Aufmerksamkeit für Veränderungen und Bedürfnissen. Mit schnellem Umsetzen von beobachteten Trends. Mit einer „Wohlfühlbuchhandlung“.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?
- Dass die Verlage zu uns Buchhandlungen als Partner 100% stehen und somit alle Geschäfte über den Buchhandel abgewickelt werden (und nicht die arbeitsintensiven abgeben, die leicht zu händelnden und lukrativen jedoch direkt über Verlag-Kunde laufen…)
- Dass die Verlage uns auf Ihre Homepages verlinken und listen und nicht als erstes (und meist auch noch ausschließlich) Amazon als Bezugsquelle anführen.
- Dass die Verlage auf das Einschweißen der Bücher verzichten und bei besonderen Büchern, z.B. Bildbände, diese in ein durchscheinendes Schutzpapier geben.
Und was würden Sie sich vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?
Macht noch viel mehr Werbung für das Buch & das Lesen – in allen Formen!!! Bespielt dabei verschiedene Kanäle! Bietet mehr lokale Aktionen an, die dann individuell von den Buchhandlungen genutzt und ergänzt werden können…
Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Durch die Veränderungen auch auf Seiten der Verlage wird es für unbekannte Autoren und kleinere Verlage sehr schwierig, bekannt und erfolgreich zu werden. Daher wünsche ich mir, dass die Literatur nicht untergeht und wir Buchhändler weiterhin den Lesern besondere Bücher anbieten und verkaufen können!
Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?
Weil sie dort eine sehr gute Beratung (und Auswahlhilfen) sowie einen außergewöhnlichen Service erhalten. Um persönliche Kontakte zu haben, sich mit anderen zu treffen, ins Gespräch kommen. Um sich inspirieren zu lassen und Neues zu entdecken. Um Bücher anschauen und be-greifen zu können. Um Aktionen, Veranstaltungen, Autoren etc. zu erleben.
Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächsreihe möglichst auch zu Wort kommen?
Irmgard Clausen, Buchhandlung Riemann in Coburg; Christoph Greuter, Buch Greuter in Singen; Peter Peterknecht, Buchhandlung Peterknecht in Erfurt.
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Eine Übersicht, wer bislang Rede und Antwort stand, findet sich hier und zu allen empfohlenen Buchhandlungen geht es hier.
Im Entstehen ist ein Resümee der Gesprächsreihe. Teil 1 „Avantgarde oder Traditionalisten. Wie sich Buchhändler aufstellen“ kann man hier nachlesen. Zum “Best of: Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen” gelangt man hier. Und falls sich wer die Frage stellen sollte, einmal Buchhändler, immer Buchhändler?, wird hier fündig
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Dass die Verlage uns auf Ihre Homepages verlinken und listen und nicht als erstes (und meist auch noch ausschließlich) Amazon als Bezugsquelle anführen.
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Wie soll dies bei tausenden von Buchhändlern funktionieren?