„Unsere Risiken unterscheiden sich gar nicht von denen der großen Verlage.“ – SteglitzMind stellt Karsten Strack vom Lektora Verlag vor

Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?

Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Ich freue mich, dass heute Karsten Strack vom Poetry-Slam-Verlag Lektora Rede und Antwort steht. Vorgeschlagen hat das Franziska Röchter vom chili verlag.

Eine Skizze vom Verlag…

Lektora Verlag, Standort Paderborn, seit 2003, aktuell 4 Mitarbeiter in Vollzeit plus mehrere freie Programmschwerpunkt Poetry Slam, aktuell ca. 70 lieferbare Titel, teilweise auch als E-Books.

Ihre persönlichen Highlights?

Karsten Strack in Aktion  © Hans Tichi

Karsten Strack in Aktion © Hans Tichi

Meine absoluten Highlight im Bücherjahr: Jan Philipp Zymny: Henry Frottey. Sein erster Fall, Teil 2: Ende der Trilogie; Sulaiman Masomi: Ein Kanake sieht rot; Sascha Thamm: Dynamitfischen in Venedig – diese Bücher aus unserem Verlag waren allesamt Wochentipp auf WDR 2.

Warum musste es unbedingt ein Verlag sein?

Ich liebe Bücher und Poetry Slam – da lag die Verbindung in Verlagsform nahe.

Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?

Ich werde immer Fan bleiben. Das treibt mich an und lässt mich Hindernisse ziemlich gelassen überwinden. Zudem ist die gesamte Poetry-Slam-Szene für mich so etwas wie ein emotionales Lebensglück. Ein guter Freund aus der Szene sagte einmal: Wenn du Poetry Slam machst, dann bekommst du keine Midlife Crisis.

Was hat sich infolge der Digitalisierung in Ihrer Arbeits-/Vorgehensweise verändert?

Lektora_Henry Frottey Sein erster FallWir sind schneller geworden – in allen Belangen. Unser Marketing ist direkter und effektiver – bei gleichem Zeitaufwand. Ich begrüße die Digitalisierung in all ihren Facetten und bin mir jedoch sicher, dass das gedruckte Buch aufgrund seines kulturellen Stellenwertes und der Haptik noch lange parallel geführt wird.

Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?

Wir setzen auf Herz und Verstand, sind in der Szene auch als Bühneakteure, Dozenten und Veranstalter unterwegs und haben vielleicht noch eine andere Leidenschaft als die Großindustrie. Zudem können wir unseren Autorinnen und Autoren schnelle Produktionszeiten anbieten. Wenn es sein muss, dann dauert es von der Anlieferung des Rohmanuskripts bis zur Veröffentlichung nicht länger als 3 Monate (und darin enthalten sind neben Druck und Layouttätigkeit mindestens zwei Lektoratsdurchläufe mit den dazugehörigen Autorengesprächen).

So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?

Ich würde mich früher um professionelle Strukturen kümmern – sowohl im Hinblick auf Vertrieb als auch Marketing.

Wie gewinnen Sie Autoren?

Zumeist durch vorherige Bekanntschaft, durch Szenezugehörigkeit, teilweise akquirieren wir selbst die Autoren, teilweise bieten uns die Autoren ihre Manuskripte ungefragt an. Das ist ganz unterschiedlich.

Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?

Wir vertreiben selbst mit Hilfe des Großhandels und verschiedener Aggregatoren.

Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?

Wir arbeiten seit geraumer Zeit mit dem Barsortiment zusammen, haben dort überwiegend gute Erfahrungen gemacht. Mit Vertretern arbeiten wir (noch) nicht zusammen, da unsere Verkaufszahlen sich erst in den letzten beiden Jahren so entwickelt haben, dass wir bei einigen Büchern nennenswerte Auflagen erreichen.

Wie halten Sie es mit Amazon?

Lektora_Ein Kanacke sieht rotDa sind wir über den Großhandel vertreten.

Was tun Sie für Ihr Marketing?

Wir sind agil im Bereich Social Media Marketing, über den wir unsere zumeist junge Zielgruppe sehr direkt erreichen. Zudem veröffentlichen wir regelmäßig ein kleines Programmheft, schalten ab und an eine kleine Anzeige und freuen uns darüber, dass unsere Autoren häufig sehr gut durch Selbstmarketing mithelfen.

Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?

Wir sind nicht Mitglied im Börsenverein, aber im Buchhandel im Rahmen der Möglichkeiten präsent.

Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?

Unsere Zielgruppe sind hauptsächlich Menschen, die zu Poetry Slams gehen. Das ist unsere Marktnische. Wir treffen hier auf ein zumeist gut gebildetes, kritisches, aber begeisterungsfähiges junges Publikum. Es macht Spaß, für diese Zielgruppe Bücher zu machen.

Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?

Uns kommt sicherlich zugute, dass Poetry Slam an sich immer noch boomt. Zudem haben wir es mit einer digital-affinen Zielgruppe zu tun. Aktuell entwickeln wir Konzepte für eine Multimedialisierung der E-Books. Wichtig ist aber vor allem, dass wir mehr und mehr Autoren verlegen, die tatsächlich sehr gut schreiben können. Außerdem ist unsere Stärke sicherlich die Spezialisierung.

Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?

Unsere Risiken unterscheiden sich, glaube ich, gar nicht von denen der großen Verlage. Wir alle können nur in die Glaskugel schauen, wenn es darum geht, wie sich die gesamte Verlagslandschaft in den nächsten Jahren entwickeln wird. Die Autorinnen und Autoren werden in Zeiten der zunehmenden Self-Publishing-Möglichkeiten immer mehr fragen, welchen Mehrwert ihnen der Verlag eigentlich bietet. Und solche Fragen lassen sich sicherlich nicht nur durch die Höhe des Vorschusses beantworten. Denn: Machen wir uns nichts vor – in Sachen Sichtbarkeit von Autor und Werk ist ein Autor sicherlich besser beraten, die Nummer 1 – 5 in einem hoch engagierten kleinen Verlag mit direktem Zugang zum Szenepublikum zu sein als die Nummer 180 – 250 in einem Großverlag, der dann nach Bekanntgabe der Vorbestellungszahlen einfach aufhört, das Werk zu pushen. Bei uns ist das alles nachhaltiger.

Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?

Mir ist es grundsätzlich egal, ob ein Buch in einem Independent Verlag oder bei Random House und Co. erscheint. Wichtig ist vielmehr, dass es gut geschrieben und mit Hingabe produziert und vermarktet wird.

Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?

Lektora_Dynamitfischen in VenedigFreunde, macht das nicht, wenn ihr den schnellen EURO möchtet. Das wird wohl nichts. Habt ihr jedoch Leidenschaft für den Beruf und Geduld – und könnt ihr ein mögliches Scheitern ertragen, dann nur zu. Legt los!

Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Den Berliner Satyr Verlag mit seinem Geschäftsführer Volker Surmann.

Herzlichen Dank für diesen Einblick.

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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier

 

Lektora im Netz:

Die Homepage: www.lektora.de

Bei Facebook: https://www.facebook.com/lektora

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