„Wir machen – gemessen an unserem Umsatz – großen Lärm, das hilft.“ – SteglitzMind stellt Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag vor

Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?

Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Ich freue mich, dass heute Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag Rede und Antwort steht. Vorgeschlagen hatte das Jasper Nicolaisen vom Berliner Verlag das Beben.

Eine Skizze vom Verlag…

Der Verbrecher Verlag existiert seit August 1995, er verlegt Sachbücher und Kunstbände, vor allem aber Belletristik in allen Ausformungen, also Theatertexte, Gedichte, Erzählungen, Romane. Lieferbar sind rund 200 Printtitel und rund 50 E-Books.

Ihre persönlichen Highlights?

Highlights als solche gibt es für mich nicht, da ich alle Titel in unserem Programm sehr aufregend finde. Aber sicherlich ist die größte Unternehmung in diesem Jahr der Start der „Das Büro“-Romanreihe bei uns, die Romane von J.J. Voskuil sind teilweise über 1000 Seiten stark. Das ist das größte Unterfangen bei uns seit der Herausgabe der Mühsam-Tagebücher.

Warum musste es unbedingt ein Verlag sein?

Jörg Sundermeier © Nane Dieh

Jörg Sundermeier © Nane Dieh

Weil ich das gut kann.

Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?

Wir sind ja per Zufall zu unserem Verlag gekommen, wie, das kann man hier nachlesen. Seitdem aber habe ich das ungeplante Kind sehr lieb gewonnen. Und es macht einfach Spaß, Bücher, von denen andere behaupten, dass sie toll sind, aber unverkäuflich, dann doch gut zu verkaufen. Das verschafft eine ungeheure Befriedigung.

Was hat sich infolge der Digitalisierung in Ihrer Arbeits-/Vorgehensweise verändert?

Wir planen jetzt immer auch eine E-Bookversion eines Textes mit. Aber das ist sicher nicht der letzte Schritt in Richtung Digitalisierung!

Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?

Wir machen hochwertige Bücher, sowohl was den Inhalt als auch die Form angeht. Aber das machen einige andere Verlage auch. Wir denken aber nicht in Kategorien wie Konkurrenz, obschon wir selbstverständlich um Marktanteile ringen müssen. Wir kleineren Verlage halten allerdings in vielfacher Hinsicht zusammen, engagieren uns in der Kurt-Wolff-Stiftung und im Börsenverein. Das gemeinsame Auftreten ermöglicht es uns, genauso wahrgenommen zu werden wie Konzernverlage, das ist heute leider wichtig.

So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?

Ich würde es heute mit mehr Professionalität beginnen wollen. Obwohl – manchmal denke ich mit Sehnsucht an die Blauäugigkeit zurück, mit der wir damals gestartet sind.

Wie gewinnen Sie Autoren?

Die Autorinnen und Autoren sprechen uns an (oder ihre Agenturen). Und auch wir gehen Autorinnen und Autoren an, wenn sie uns auffallen. Viele Bücher sind aber auch auf unseren Vorschlag hin zustande gekommen.

Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?

Klassisch. Wir machen – gemessen an unserem Umsatz – großen Lärm, das hilft.

Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?

das Logo © Verbrecher Verlag

das Logo © Verbrecher Verlag

Nun ja, wir sind seit fast 20 Jahren da. Unsere Vertreterinnen und unser Vertreter treten vehement für ihre Verlage ein, sagen aber auch, wenn ihnen ein Buch nicht gefällt. Unsere Bücher gefallen ihnen offenkundig, das freut uns. Es hat allerdings rund zehn Jahre gedauert, bevor wir ernstgenommen wurden. Der Kurt-Wolff-Preis, der uns in diesem Jahr verliehen worden ist, hat nun aber zusätzlich nochmal Aufmerksamkeit für unser Programm gewonnen.

Wie halten Sie es mit Amazon?

Man macht nicht gern mit, aber man kann – solange man über die Barsortimente vertreibt, eh nichts dagegen tun, dass man auch via Amazon verkauft wird. Wir sind aber generell eher Freunde des lokalen unabhängigen Buchhandels.

Was tun Sie für Ihr Marketing?

Wir trommeln so laut wir können, haben dabei aber stets die Kosten im Blick. Klassische Anzeigen schalten wir nur selten.

Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?

Nicht alles, was der Börsenverein beschließt, gefällt mir, doch das Engagement im Verein ist wichtig. Wir sind Mitglied, ich bin im Landesverband Berlin-Brandenburg ehrenamtlich tätig, zur Zeit im Vorstand. Es macht großen Spaß.

Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?

Wir machen gute Bücher für gute Leserinnen und Leser. Auf unserem ersten Buch stand: „Ein Buch über Leute, die solche Bücher lesen.“ Ein gewisser Intellekt schadet nicht, finden wir, Neugierde ist wichtig, es darf auch mal kompliziert werden. Und wer Bücher von einem Verbrecher Verlag bestellt, hat sicher auch eine Prise Humor.

Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?

Die Programme vieler Verlage verflachen, weil der Renditedruck so hoch ist. Das kommt uns entgegen, da wir uns auch anspruchsvolle Texte und gute Ausstattung leisten können. Die Zukunft sieht also gut aus für uns.

Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?

Es ist bei uns immer so – wenn ein Programm nicht funktioniert und die Verkäufe einbrechen, dann wird es sofort schlimm, denn wir haben keine großen Geldreserven. Danach aber sieht es zur Zeit nicht aus.

Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?

Die Kollegialität.

Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?

Macht es. Erwartet alles. Lasst Euch enttäuschen. Macht weiter. Es kostet Nerven. Es lohnt sich.

Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Ich empfehle den AvivA Verlag, Berlin, den Milena Verlag, Wien, den Luftschacht Verlag, Wien, den Ventil Verlag, Mainz, den Weidle Verlag, Bonn, Voland & Quist, Leipzig und Dresden, und den Lilienfeld Verlag, Düsseldorf. Und viele andere empfehle ich auch noch, nämlich rundweg alle, die sich in dem Katalog der Kurt-Wolff- Stiftung „Es geht um das Buch“ präsentieren.

Herzlichen Dank für diesen Einblick, Jörg Sundermeier.

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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier

Der Verbrecher Verlag im Netz:

Unter www.verbrecherei.de

Bei Facebook unter https://www.facebook.com/verbrecherei

Bei Twitter unter https://twitter.com/verbrecherei

2 Kommentare zu “„Wir machen – gemessen an unserem Umsatz – großen Lärm, das hilft.“ – SteglitzMind stellt Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag vor

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