Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?
Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Heute stellt sich ihnen Stefan Weidle, der den Weidle Verlag in Bonn verantwortet. Vorgeschlagen hatten das Claudia Gehrke vom Tübinger konkursbuch Verlag, Vanessa Wiesner vom Milena Verlag in Wien und Jörg Sundermeier vom Berliner Verbrecher Verlag.
Seit wann existiert Ihr Verlag?
Der Weidle Verlag wurde nach ein paar Gastspielen bei dann vom Pleitegeier gefressenen Verlagen schließlich 1995 mit dem ersten eigenen Programm flügge. Anfänglich publizierte er hauptsächlich Exilliteratur, heute alles, was ihm gefällt, also keine Bücher, die wir nicht selbst kaufen würden.
Machen Sie alles alleine?
Wir sind zu viert und haben in Friedrich Forssman den Gestalter aller unserer Titel, die folglich das analoge Licht der Welt erblicken.
Ihre Highlights im Bücherjahr?
Unsere derzeitigen Highlights sind: Mooses Mentula, »Nordlicht – Südlicht« und die ruhmreich abgeschlossene Roman-Tetralogie von Pétur Gunnarsson, »Das vierte Buch über Andri« heißt der letzte Band.
Warum musste es unbedingt ein Verlag sein?
Weil niemand die Manuskripte publizieren wollte, die mir gefielen.
Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?
»Ich erleuchte mich durch Unermessliches.« (Ungaretti)
Was hat sich infolge der Digitalisierung in Ihrer Arbeits-/Vorgehensweise verändert?
Das gleiche wie bei allen anderen.
Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?
Es gibt unter uns Independent-Verlagen keine Konkurrenz, wir pflegen einen kollegialen Umgang. Zumal wir alle im selben Boot sitzen, das manchem Tsunami trotzen muss. Wie alle anderen versuche ich, alles anders zu machen als alle anderen.
So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?
Ich würde weniger Titel publizieren.
Wie gewinnen Sie Autoren?
Gar nicht. Die Bücher kommen zu mir.
Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?
Auslieferung: GVA (Gemeinsame Verlagsauslieferung Göttingen), Vertreter: indiebook und Vertreter in Österreich und der Schweiz. Kein Vertrag mit Amazon.
Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?
Die Vertreter tun das meiste. Ich besuche Buchhandlungen und stelle mich vor, präsentiere auch gerne den Verlag, am liebsten mit einem Kollegen, zuletzt mit Dietrich zu Klampen zu Klampen! Verlag), nächstes Jahr mit Jörg Sundermeier (Verbrecher Verlag). Ich bin froh, dass es viele Buchhändler gibt, die unseren Verlag mögen. Zu einigen halte ich Kontakt via Facebook. Ich habe eigentlich recht gute Erfahrungen, außer mit den Buchhandelsketten, bei denen wir nicht vorkommen. Zur Strafe geht’s denen jetzt schlecht.
Wie halten Sie es mit Amazon?
Gar nicht. Ein Buchhändler wie jeder andere, der unsere Titel übers Barsortiment bezieht.
Was tun Sie für Ihr Marketing?
E-mails schreiben, Website pflegen, über Facebook kommunizieren, Kontakt zu Rezensenten halten, auf Buchmessen rumsitzen, gelegentlich Anzeigen schalten und alles, was alle anderen auch machen. Wenn ich eine geniale neue Idee gehabt hätte, würde ich sie nicht verraten. Ich glaube, ich verrate nicht mal, dass ich eine hatte.
Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?
Bin Mitglied. Und würde das VLB (Verzeichnis lieferbarer Bücher) umsonst abgeben, wenn ich könnte.
Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?
Wir machen Bücher für erfahrene, neugierige Leser. Für Leute wie uns selbst. Wenn man etwas für eine Zielgruppe macht, der man nicht selbst angehört, passiert es leicht, dass man sie unterschätzt. Unsere Leser sind Menschen, die einen Sinn für die Schönheit von Büchern haben; nicht umsonst haben wir inzwischen acht Auszeichnungen der Stiftung Buchkunst versammelt.
Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?
In der Literatur der Ränder. Deutschsprachige Gegenwartsautoren können im Grunde nur die großen Verlage durchsetzen.
Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?
Wenn die Preisbindung fällt, schließe ich drei Monate später den Verlag.
Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?
Die Solidarität. Und die Originalität der Kollegen. Und ihre Trinkfestigkeit.
Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?
Ich würde zur Anschaffung einer Zwangsjacke raten.
Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Arco, Elfenbein, Maro, Argument, Pendragon.
Herzlichen Dank für diesen Einblick, Stefan Weidle.
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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier
Der Weidle Verlag im Netz:
Die Homepage: www.weidleverlag.de
Bei Facebook unter Weidle Verlag
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