Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?
Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Ich freue mich, dass heute Sebastian Guggolz Rede und Antwort steht, der seinen Guggolz Verlag im vergangenen Jahr an den Start brachte. Ihn gebeten, hier mitzutun, habe ich.
Eine Skizze vom Verlag …
Den Guggolz Verlag gibt es seit 2014, im Herbst 2014 sind die ersten beiden Bücher erschienen. Der Verlag widmet sich Neu- und Wiederentdeckungen vergessener Klassiker aus Ost- und Nordeuropa in neuer Übersetzung. Das Verlagsbüro befindet sich auf der Roten Insel in Berlin-Schöneberg. Der Verlag ist ein Ein-Mann-Betrieb des Gründers Sebastian Guggolz. Unterstützt wird er in der Pressearbeit von Maren Baier. Die Auslieferung übernimmt die GVA Göttingen. Bisher sind zwei Bücher erschienen, ein Roman des bisher einzigen finnischen Nobelpreisträgers Frans Eemil Sillanpää, »Frommes Elend«, sowie ein Roman des Weißrussen Maxim Harezki, »Zwei Seelen«. Im Frühjahr 2015 erscheinen »Vater und Sohn unterwegs« von Heðin Brú, einem Färöischen Autor, und »Der Irdische Kelch« von Michail Prischwin. Die Bücher gibt es nur in ihrer gebundenen Form, fadengeheftet und mit Lesebändchen, nicht digital.
Ihre Highlights im vergangenen Jahr?
Mein persönliches Highlight im Bücherjahr ist natürlich mein Verlagsstart gewesen, darüber hinaus war für mich das Erscheinen des wirklich phänomenalen Buches »Am Fluß« von Esther Kinsky (bei Matthes & Seitz Berlin) ein großes Ereignis. Ein Buch, das trotz der positiven Resonanz und seiner Nominierung für den Buchpreis noch nicht ausreichend gewürdigt wurde, wie ich finde.
Warum musste es in diesen Zeiten unbedingt ein Verlag sein?
Ich habe einige Jahre als Lektor gearbeitet (bei Matthes & Seitz Berlin) und war an einem Punkt, entweder zu versuchen, zu einem großen Verlag zu gehen, oder eben etwas Eigenes zu machen. Als sich dann abzeichnete, dass ich das Geld für die Gründung zusammenbekomme, gab es kein Zögern mehr. Ich bin noch jung und unbedarft genug, dass ich auch mit einem Scheitern leben könnte. Und je länger ich damit gewartet hätte, mich selbstständig zu machen, desto mehr Zweifel wären mir wahrscheinlich gekommen.
Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?
Aus der Überzeugung, dass es notwendig ist, den vergessenen Schätzen der Literatur zu einer neuen Öffentlichkeit zu verhelfen. Und dass es genügend Menschen gibt, die ähnlich denken und lesen, wie ich. Bei sagen wir mal 50 Millionen potenziellen deutschsprachigen Lesern müssen sich doch 2.000 pro Buch finden, die ich ungefähr brauche, damit sich die Kosten decken.
Hätten Sie sich auch ohne die Innovationen infolge der Digitalisierung eine Verlagsgründung zugetraut?
Klar, in meinem Fall spielt das eigentlich gar keine Rolle. Wenn dann nur indirekt, weil sich durch die Ausdifferenzierung des Marktes im Zuge der Digitalisierung neue Freiräume ergeben und eine neue Sehnsucht nach schönen, gut gemachten Büchern zu beobachten ist.
Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?
Ich habe von Anfang an versucht, dem Verlag ein klares inhaltliches Profil zu geben. Neu- und Wiederentdeckungen vergessener Klassiker aus Ost- und Nordeuropa in neuer Übersetzung. Das machen natürlich auch andere Verlage – Dörlemann, Lilienfeld oder die Friedenauer Presse –, aber es gibt genügend Autoren, die zu entdecken sind, sodass da keine Konkurrenzsituation entsteht. Ich sehe andere Verlage vielmehr als Kollegen, nicht als Konkurrenten.
So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?
Eigentlich nichts. Hätte ich mehr Geld zur Verfügung gehabt, wäre das toll gewesen, aber sonst bin ich mit allem zufrieden, wie es gelaufen ist. Im Frühjahr 2015 erscheint mein zweites Programm, ich bin also sowieso immer noch in der Startphase.
Wie gewinnen Sie Autoren?
Das meiste durch eigene Lektüre, ansonsten durch Empfehlungen von Autoren oder Experten.
Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?
Ich werde durch die GVA Göttingen ausgeliefert und in Deutschland durch Nicole Grabert, Christiane Krause und Regina Vogel vom Büro indiebook vertreten. Seit diesem Jahr auch in Österreich durch Seth Meyer-Bruhns. Das klappt hervorragend, meine Vertreterinnen sind ein großes Glück für mich, die haben im ersten Programm fantastisch gearbeitet und dafür gesorgt, dass ich schon gleich sehr präsent war im Buchhandel.
Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?
Ich habe die eben erwähnten tollen Vertreterinnen und Vertreter, die da den Großteil der Arbeit für mich machen, außerdem versuche ich auch persönlich Kontakt zu Buchhandlungen zu halten. Meine Erfahrungen sind sehr positiv, ich stoße im Sortiment auf sehr große Offenheit und Bereitschaft, sich, zwar nicht in gigantischem Ausmaß, aber doch ernsthaft mit viel Interesse auf mein Programm einzulassen.
Wie halten Sie es mit Amazon?
Amazon ist für mich als Verlag ein Kunde, wie jeder andere auch. Die beziehen meine Titel über das Barsortiment, bekommen sie also auch zu den gleichen Konditionen wie jede Buchhandlung. Privat kaufe ich aber im stationären Buchhandel, wenn ich mal ein Buch besorge. Preislich macht das wegen der Buchpreisbindung für mich ja keinen Unterschied, aber wenigstens landet der Buchhandelsrabatt dann nicht auf einem Luxemburger Konto
Was tun Sie für Ihr Marketing?
Ich schalte gezielt Anzeigen in Literaturzeitschriften (Schreibheft, horen), mehr lässt mein Budget nicht zu. Eine Facebookseite habe ich noch als Verlag, wenn man das unter Marketing verbuchen möchte.
Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?
Da bin ich selbstverständlich Mitglied. Ich halte das für wichtig, dass man als Branche auch ein politisches Sprachrohr und einen Ansprechpartner hat.
Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?
Ich mache meine Bücher für diejenigen, die sich für genau diese Art von Büchern interessieren. Es sind Bücher, die aus vergangenen Zeiten stammen und einem diese Zeiten vor Augen führen. Es sind also echte Leser, Leser, die an Literatur interessiert sind und gerne etwas beim Lesen lernen oder zumindest erfahren wollen.
Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?
Darin, dass er sich etabliert. Ich hege keine Illusionen, dass ich gigantischen Erfolg haben werde oder viel Geld verdiene. Das Ziel ist, wirtschaftliche Stabilität und damit Sicherheit zu erreichen, dass sich alles selbst trägt. Darum geht es erst einmal und das ist schwierig genug. Den spürbaren Trend, dass die Leute sich wieder mehr für schöne, gut gemachte Bücher interessieren, versuche ich zu nutzen.
Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?
Alles ist finanziell sehr knapp bemessen, wenn einzelne Titel mal gar nicht laufen, dann wird das gerade jetzt am Anfang gleich existenziell bedrohlich. Aber ich will den schlimmsten Fall gar nicht an die Wand malen, noch ist alles sehr gut und vielversprechend!
Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?
Dass sie sehr viel lebendiger und freier ist, als das bei großen Verlagen der Fall ist. Außerdem erlebe ich eine große Solidarität zwischen den Verlagen, auch so eine Einrichtung wie die Kurt Wolff Stiftung zum Beispiel ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie wir alle an einem Strang ziehen. Hinter den meisten Verlagen stehen Entscheidungen, die von Menschen getroffen werden, die auch lesen. Das scheint mir bei den großen und Konzernverlagen definitiv in den meisten Fällen nicht so zu sein.
Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?
Sich sehr gut vorzubereiten und zu informieren. Es ist unglaublich viel Arbeit, auch der zeitliche Umfang, Privatleben existiert für mich zum Beispiel kaum noch. Außerdem muss man bei einem kleinen Verlag eben alle Bereiche selbst betreuen, Vertrieb, Presse, Herstellung, Lektorat. Wenn man da nicht sehr genau weiß, was man wo zu tun hat, kann das schnell im Chaos enden.
Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Ich empfehle natürlich ausnahmslos alle unabhängigen Verlage. Und als Empfehlung für ein Verlagsinterview schlage ich Harald Krewer von Speak Low vor. Speak Low ist ein wirklich außergewöhnlich toller Hörbuchverlag aus Berlin.
Herzlichen Dank für diesen Einblick!
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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier
Der Guggolz Verlag im Netz:
Verlagshomepage:www.guggolz-verlag.de
Bei Facebook: https://www.facebook.com/pages/Guggolz-Verlag/333204603504770?fref=ts
http://www.gambitbooks.com/schach.html Gambit Books
http://www.bohem.ch/ Bohem Verlag
Hat dies auf Nekos Geschichtenkörbchen rebloggt und kommentierte:
Und wieder ein kleiner, süßer Verlag. Hach!
Hat dies auf Wunderwaldverlag rebloggt.
Pingback: SteglitzMind stellt Sebastian Guggolz vom Guggo...
Es sind also echte Leser
– Was ist ein echter Leser? Und was ein falscher? Wer liest, auch auch ein Leser.