„Alleine, dass wir machen können, was wir wollen, hilft schon viel.“ – SteglitzMind stellt Sarah Legler und Jorghi Poll von der Edition Atelier vor

Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?

Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Heute erfahren wir mehr von stellt Sarah Legler und Jorghi Poll, die die Wiener Edition Atelier verantworten. Vorgeschlagen hatte das Verena Minoggio-Weixlbaumer vom Goldegg Verlag.

Eine Skizze vom Verlag …

Die Edition Atelier wurde in den Achtzigerjahren von Jörg Mauthe gegründet und ist jetzt ganz zufällig in der Nähe des Jörg-Mauthe-Platzes im 9. Wiener Gemeindebezirk beheimatet. Seit 2012 ist der Verlag wieder selbstständig und wird von Sarah Legler und Jorghi Poll geleitet.

Machen Sie alles alleine?

das Team: Legler, Poll, Volkmann, Reiner © Edition Atelier

das Team: Legler, Poll, Volkmann, Reiner © Edition Atelier

Wir machen alles selbst, Lektorat, Grafik und Presse, ganz selten mal, dass wir etwas außer Haus geben. Wie vermutlich die meisten unserer KollegInnen schauen wir nicht unbedingt auf die Uhr und sind auch öfter am Wochenende im Büro. Zurzeit sind wir mit zwei geringfügigen MitarbeiterInnen, Sebastian Reiner und Jana Volkmann, zu viert im Team.

Die Programmschwerpunkte?

In dreißig Jahren des Bestehens hat sich die Programmlinie natürlich immer wieder mal verändert, mit unserer Übernahme haben wir den Schwerpunkt auf zeitgenössische Belletristik gelegt. Wir arbeiten sehr intensiv mit den Autorinnen und Autoren zusammen und legen Wert auf literarische Qualität. Neben den Romanen ist unsere Paperback-Reihe „Textlicht“ mit kürzeren Erzählungen und Prosatexten etwas, das sonst nur wenige andere Verlage machen. Die Reihe „Wiener Literaturen“ legt vergessene Bücher von Wiener Autorinnen und Autoren aus den 1920er- und 30er-Jahren neu auf. Darüber hinaus versuchen wir aber auch, die Backlist am Leben zu erhalten. Neben den Romanen von Jörg Mauthe haben wir zum Beispiel „Die Strategie des Tarockspiels“ vor kurzem nachgedruckt. Nicht zu fassen, wie viele TarockspielerInnen es gibt!

Wohin geht die Reise: analog oder digital?

Seit dem Sommer 2014 bieten wir die meisten Romane auch als E-Books an. Lange haben wir uns gewehrt, sehen E-Books aber mittlerweile als spannende Alternative. Außerdem ist es schön, dass manche Backlist-Titel hier noch mal mehr Aufmerksamkeit bekommen. Durch die E-Books tut sich noch mal was auf!

Ihre persönlichen Highlights im Bücherjahr?

Das ist ein bisschen so, wie wenn man eine Mutter nach ihrem Lieblingskind fragt. Aber im Ernst: 2015 sind bisher drei Bücher erschienen – die finden wir alle und ohne Einschränkungen großartig: In unserer Taschenbuchreihe „Textlicht“: Hanno Millesis Novelle „Venusatmosphäre“, der Roman „Die Verschwundenen“ von Wolfgang Popp und „Magda“, Meike Ziervogels Roman über Magda Goebbels, den Martin Thomas Pesl aus dem Englischen übersetzt hat.

Warum musste es unbedingt ein Verlag sein?

Wir haben arbeiten beide schon länger in der Branche, dann bekam Jorghi das Angebot, den Verlag zu übernehmen, ein Jahr später ist Sarah dazu gestoßen. Vermutlich hätten wir aber früher oder später ohnehin gemeinsam etwas in die Richtung gemacht.

Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?

Alleine, dass wir machen können, was wir wollen, hilft schon viel. Die (kreative) Zusammenarbeit mit engagierten Menschen tut ebenfalls enorm viel dazu!

Was hat sich infolge der Digitalisierung in Ihrer Arbeits-/Vorgehensweise verändert?

???????????????????????Es geht alles schneller.

Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?

Vermutlich machen wir nicht wirklich was anders. Wir versuchen, das, was wir tun, möglichst gut zu tun – also nicht mal darin unterscheiden wir uns von anderen VerlegerInnen. Im Ernst: Wir probieren viel aus – darin liegt vielleicht einer der Vorteile eines Indie-Verlages: die Möglichkeit, auszuprobieren. Über Gespräche mit Autorinnen und Autoren ergeben sich auch immer viele Ideen.

So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?

Die Startphase war schon auch wichtig für uns – weil wir viel gelernt haben.

Wie gewinnen Sie Autoren?

Wir kannten schon vor unserer Arbeit mit der Edition Atelier einige junge Autorinnen und Autoren, insofern hatten wir beide schon „Listen“ mit Leuten, mit denen wir gerne zusammenarbeiten wollten. Die allermeisten unserer Bücher ergeben sich durch persönliche Kontakte.

Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?

Wir überlegen immer wieder mal, ob wir einen Webshop einrichten sollen, aber im Prinzip haben wir ganz klassische Verkaufsabläufe: im Buchhandel, bei Veranstaltungen, online. Die E-Books werden über Bookwire vertrieben.

Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?

Wir versuchen, Lesungen in Buchhandlungen zu veranstalten und persönliche Kontakte aufzubauen; und dann reisen natürlich auch die VertreterInnen durch die Buchhandlungen. Wir haben schon das Gefühl, dass uns die BuchhändlerInnen immer mehr wahrnehmen – gleichzeitig ist die Situation im Buchhandel aber sehr schwierig, und das wirkt sich natürlich auch auf die kleinen Verlage aus.

Wie halten Sie es mit Amazon?

???????????????????????????????????????????Unsere Bücher sind über Amazon erhältlich, und wir wollen auch niemandem vorschreiben, wo er einkaufen soll. Natürlich verweisen wir aber gezielt auf die Buchhandlungen.

Was tun Sie für Ihr Marketing?

Budget für Marketing ist bei uns keines vorhanden, das geht sich beim besten Willen nicht aus. Wir haben Accounts bei Facebook und Twitter, einen eigenen Verlagsblog, machen, so gut es geht, Pressearbeit, verschicken Newsletter. Wir versuchen, viel rauszugehen – was natürlich auch eine Zeitfrage ist. Dieses Jahr sind wir auch stärker beim Indiebookday präsent.

Wie halten Sie es mit dem Hauptverband des österreichischen Buchhandels?

Geschäftlich – wir sind Mitglied.

Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?

Eigentlich für Leute wie uns: die gerne lesen und gerne Neues entdecken, das auch schon mal unkonventionell sein darf. Eine konkrete Zielgruppe gibt’s nicht wirklich – wir machen keine glatten Bücher, sprachlich und inhaltlich gibt’s sehr viele Unterschiede.

Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?

In unserer Zusammenarbeit und in den AutorInnen.

Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?

Es ist eine Grundvoraussetzung selbstständiger Arbeit, dass man sich von den zahlreichen Risiken, die es dabei und in und um die Buch- und Verlagsbranche gibt, nicht verrückt machen darf.

Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?

edition atelier Ziervogel_Magda_Cover2DDass sehr oft nicht dieses klassische Konkurrenzdenken da ist. Den Austausch und Zusammenhalt, was auch der Indiebookday zeigt, der zwar in Österreich leider noch nicht so bekannt ist, aber in Deutschland innerhalb weniger Jahre zu einem gemeinsamen Projekt geworden ist. Und dass viele gute Sachen entstehen.

Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?

Sich von Beginn an gut zu strukturieren und sich was gutes Neues zu überlegen, das sich von den irrsinnigen Büchermassen, die jedes Jahr neu erscheinen, abhebt.

Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Es gibt viele tolle Indie-Verlage, die wir gut finden und deren Treiben wir mitverfolgen. Empfehlen wollen wir hier das Verlagshaus J. Frank, die machen vor allem Lyrik. Das passt schon deshalb gut zu uns, weil wir regelmäßig darüber streiten, ob wir Lyrik machen sollen oder nicht – und die tun das einfach, und das großartig!

Herzlichen Dank für diesen Einblick! Und zudem dafür, dass ich mir aus Ihrem Programm habe „Magda“ wünschen dürfen.

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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier

Edition Atelier im Netz:

Website, hier gibt’s neben Infos zu AutorInnen und Büchern auch Leseproben, Trailer, Hörproben: www.editionatelier.at

Verlagsblog: https://textlicht.wordpress.com/

Facebook: www.facebook.com/edition.atelier

Twitter: https://twitter.com/editionatelier

Vorschau & Verlagsmagazin

 

 

2 Kommentare zu “„Alleine, dass wir machen können, was wir wollen, hilft schon viel.“ – SteglitzMind stellt Sarah Legler und Jorghi Poll von der Edition Atelier vor

  1. Ein äußerst lesenswerter Artikel! Zumal hierbei jene kleineren Verlage präsentiert werden, ohne welche die Literaturlandschaft um ein Vielfaches ärmer wäre an Qualität und Innovation.

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