Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?
Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Heute stehen Daniel Ketteler und Christoph Wenzel vom [SIC]-Literaturverlag Rede und Antwort. Vorgeschlagen hatte das Adrian Kassnitz von der parasitenpresse.
Eine Skizze vom Verlag …
Den [SIC] – Literaturverlag gibt es seit 2010; er ist hervorgegangen aus der Literaturzeitschrift [SIC], die 2005 das erste Mal erschien und die bislang in fünf Ausgaben vorliegt. Gegründet haben Zeitschrift und Verlag die beiden Autoren Daniel Ketteler und Christoph Wenzel. Der Verlagssitz ist in Aachen, eine kleine Zweigstelle gibt es in Berlin.
Die Programmschwerpunkte?
Unser Motto: Wir legen Risikokapital langfristig in gute Literatur an. Der [SIC] – Literaturverlag präsentiert sich in zwei Reihen mit jeweils einheitlichem, anspruchsvollem Buchdesign: Die Reihe „Fettecke“ bietet Raum für einen erweiterten Literaturbegriff, für auch experimentell-provokative Arbeiten. Die „Edition [SIC]“ als zweiter Reihenarm ist der Ort leiserer Literaturen: Schnell Übersehenes erhält hier eine verdiente Bühne – sozusagen die Singer-Songwriter-Ecke von [SIC]. Ergänzt wird das Programm durch das Magazin [SIC] – Zeitschrift für Literatur, ein Medium mit Mut zu qualitativer Vielfalt, ein Forum und Spielraum für insbesondere auch jüngere Autorinnen und Autoren.
Machen Sie beide alles alleine?
Unser Team besteht aus den beiden Verlegern Ketteler und Wenzel, unserem Buchgestalter Felix Beckheuer, der Zeitschriftengestalterin Viola Binacchi sowie einem Netzwerk aus z.T. auch wechselnden Redakteur_innen, Gastmitherausgeber_innen und aus Begeisterung im Hintergrund mithelfenden Überzeugungstäter_innen.
Wohin geht die Reise?
Wir arbeiten im Vergleich wohl recht langsam, d.h. ein Buch ist fertig, wenn alle Beteiligten soweit sind und auch die Finanzierung abgesichert ist. Zuletzt erschien bei uns in Kooperation mit der parasitenpresse die Lyrikanthologie Westfalen, sonst nichts? Derzeit arbeiten wir u.a. an einer zweisprachigen Anthologie, die die junge niederländischsprachige (d.h. flämische und niederländische) Lyrik vorstellt.
Warum musste es unbedingt ein Verlag sein?
Wie sonst kann man Literatur, die man selbst veröffentlicht sehen will, die aber woanders keine oder kaum eine Chance hat, ans Licht der Welt hieven?
Was hat sich infolge der Digitalisierung in Ihrer Arbeits-/Vorgehensweise verändert?
Wir sind ja mit Zeitschrift und Verlag nicht im analogen Zeitalter gestartet, so dass wir schon von Beginn an von den Vorzügen der Digitalisierung profitieren – das sind vor allem die neuen, schnellen Möglichkeiten zur Vernetzung und Sichtbarmachung, sowie auch die digitalen Druckverfahren. Manches drucken wir zum Teil und bewusst aber auch ganz klassisch Offset.
Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?
Wir sehen insbesondere bei den Independents keine Konkurrenz, sondern vielmehr Gleichgesinnte. Mit den großen und mittleren Verlagshäusern konkurrieren wir ohnehin nicht, darum geht es uns nicht.
So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?
Wie gewinnen Sie Autoren?
Es gibt ohnehin derzeit mehr gute Autorinnen und Autoren als es ihnen angemessene Möglichkeiten zur Publikation gibt.
Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?
Unser Vertrieb ist in der Hauptsache Selbstvertrieb. Wir kooperieren mit den Barsortimentern libri und KNV; so sind unsere Titel über jede Buchhandlung kurzfristig lieferbar. Den größten Teil wickeln wir aber über Bestellungen via unsere Homepage ab und versenden selbst.
Wie halten Sie es mit Amazon?
Wir haben aus guten Gründen keinen direkten Vertrag mit Amazon geschlossen, aber über die genannten Barsortimenter sind unsere Bücher auch dort bestellbar. Kostengünstiger, da portfrei, ist für den Leser aber die Direktbestellung über unsere Verlagshomepage.
Was tun Sie für Ihr Marketing?
Wir machen alles selbst, verschicken Rezensionsexemplare und machen bei Veröffentlichungen und Veranstaltungen vor allem durch das Internet, Facebook und Blogs auf uns aufmerksam. Wir setzen hier eher auf Konstanz als auf kostspielige Knalleffekte.
Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?
Eine gute Sache. Aber wir fühlen uns noch zu klein für die Börse 😉
Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?
Wir verfolgen keinen Masterplan. Ziel ist, das zu machen, was uns interessiert. Der Verlag ist eine Spielwiese und soll uns selbst Spaß machen. Ergibt sich ein Bestseller, sagen wir sicher nicht nein.
Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?
Eine Chance besteht darin, dass wir finanziell kein wesentliches Risiko eingehen, allein das macht unabhängig.
Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?
Keine Risiken. Solange die Demokratie hält.
Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?
Eine möglichst breite und vielfältige Szene von Literaturzeitschriften und anspruchsvollen Independents ist die Voraussetzung dafür, dass auch vordergründig nicht marktgängige Titel, insbesondere zeitgenössische Lyrik, weiterhin publiziert und in der gegenwärtigen Literaturlandschaft sichtbar werden und bleiben. Genau dafür sind längst die Independents ein Garant.
Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?
Ob wir die richtigen sind, Ratschläge zu geben? Was man bei einer Verlagsgründung raten kann, hängt ja vor allem auch davon ab, mit welcher Motivation und welchen Zielen jemand einen Verlag gründen will. Der Ratschlag könnte also lauten, sich bei einer Verlagsgründung genau darüber sehr bewusst zu sein. Man sollte aber auch nicht alles zergrübeln. Zudem sollte man wohl acht geben, dass man sich nicht vollkommen ruiniert – finanziell sowie kräftemäßig.
Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Verlagshaus J. Frank, Lilienfeld Verlag, Edition Korrespondenzen, Kleinheinrich und Lyrikedition 2000.
Herzlichen Dank für diesen Einblick.
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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier
Der [SIC]-Literaturverlag im Netz:Die Homepage: http://www.siconline.de
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