„Es war gut klein und naiv anzufangen.“ – SteglitzMind stellt Sonia Lauinger von Der Kleine Buch Verlag vor

Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?

Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Heute erfahren wir mehr von Sonia Lauinger, die Der Kleine Buch Verlag gegründet hat. Vorgeschlagen hatte das Sandra Thoms vom Dryas Verlag.

Eine Skizze vom Verlag …

Der Kleine Buch Verlag wurde im Januar 2010 in Karlsruhe gegründet: mit nur einer Homepage, noch keinen Autoren, aber mit dem Gedanken: „außer man tut es“ sowohl für den (noch unbekannten) Autor als auch für mich als Verlegerin. Weniger drüber sprechen, mehr tun! – Das war das Motto zu den Verlagsanfängen. Ich wollte die Bücherwelt aus Sicht eines Verlegers kennenlernen. Und bevor ich mich recht versah, trudelten bereits die ersten Manuskripte ein. Woher kannten sie mich? Lag es vielleicht am Verlagsnamen, dass man auf mich kam, wenn man nach „kleiner Verlag“ googelt?

Sonia Lauinger © Der Kleine Buch Verlag

Sonia Lauinger © Der Kleine Buch Verlag

Der-ein-Frau-Verlag nahm Fahrt auf, organisierte Schreibwerkstätten, gab Autoren-Coachings, suchte den Kontakt zu anderen Verlagen, war auf Buchmessen und sonstigen Märkten, tat sonst noch alles Mögliche und Unmögliche um den Wissensdurst zu stillen. Frei nach dem Motto: probieren statt studieren. Und statt eine beschauliche Premieren-Lesung mit meinen ersten vier Titeln im Herbst 2010 zu veranstalten, lud ich in die Karlsruher Fleischmarkt Halle (400 m²) ein, zum ersten „Aufschnitt mit Beilage“: Lesung umrahmt von einem 3-Gänge-Fingerfood-Menü und Livemusik. Mein Ziel: entweder es nach 5 Jahren geschafft zu haben, oder fest zustellen, die Verlagswelt ist doch nicht die meine.

2014 war ich fast soweit: ich hatte mein Profil in der Belletristik gefunden und inzwischen 32 lieferbare Titel herausgebracht; tolle Autoren und ein Pool von kleinen Helferlein um mich geschart; verstand wie der Buchhandel funktioniert; hatte eine kleine Auslieferung; hatte bereits die spannendsten Buchmessen für mich entdeckt, ganz besonders die Leipziger Buchmesse. Und war zudem über den Arbeitskreis kleiner unabhängiger Verlage vom Börsenverein sehr gut mit meinen neuen Kollegen vernetzt und organisierte ab 2011 das Bücherbüffet, „Aufschnitt mit Beilage“, die erste kleine Buchmesse in Karlsruhe – Netzwerken für Büchermacher & Bücherfans.

Und ich schrieb eine schwarze Null 😉

Dann geschah das Unfassbare: ich, der kleinste Verlag in Karlsruhe, bekam den G. Braun Buchverlag, den ältesten, renommiertesten und größten Verlag der Stadt, zum Kauf angeboten!

Heute, kein Jahr später, habe ich nun über 180 lieferbare Titel, mit drei Schwerpunkten: Belletristik (diese Titel sind fast komplett auch als E-Book erschienen), Freizeit sowie Kultur und Geschichte. Eine (inzwischen die bereits die zweite) richtige, große Vorschau, ein 16-köpfiges Team aus freien und festen Mitarbeitern (davon drei Verlagsvertreter und zwei Pressemitarbeiterinnen), Prolit als Auslieferung und meine Bücher finden heute wie selbstverständlich ihren Weg in den Buchhandel, … *freu*

Ihre persönlichen Highlights im Bücherjahr?

Das tolle am Verlegen ist: ein Highlight jagt das nächste. Jedes Buch, jedes Projekt ist ein Highlight. Die fertig zusammengestellte Vorschau ist ein Highlight. Eine erfolgreiche Buchmesse ist ein Highlight. Und die junge Entscheidung, mit der Belletristik auch als Hörbuch durch zu starten, ist gerade das aktuellste Highlight für mich.

Warum musste es in diesen Zeiten unbedingt ein Verlag sein?

Gute Frage! Wenn ich vorher geahnt hätte, wie viel Arbeit und Risiko ein Verlag mit sich bringt, hätte ich womöglich die Finger davon gelassen. Noch ahnungslos, reizten mich die Vielschichtigkeit, das Kreative, das Projektorganisatorische, das Netzwerken, und die fast grenzenlose Möglichkeit sich zu definieren. Eben aus mir anvertrauten Texten und Ideen eine Wirklichkeit werden zu lassen. Auf alle Fälle habe ich in der Verlegerei nun endlich ein Ventil gefunden, meiner überschüssigen Energie freien Lauf lassen zu können.

Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?

Bei mir ist es bisher immer Vorwärts gegangen. In stillen Moment bekomme ich manchmal schon Angst vor meiner eigenen Courage. Vielleicht es ist es aber einfach eine Naivität, bei der ich immer wieder nur auf die Knie und bisher noch nicht auf die Nase gefallen bin. Und ich habe eine wunderbare Familie die mir den Rücken stärkt, sowie ein unverwechselbares, geniales, super hoch motiviertes Team.

Hätten Sie sich auch ohne die Innovationen infolge der Digitalisierung eine Verlagsgründung zugetraut?

Nun, die Digitalisierung habe ich bisher noch nie als Bedrohung oder Konkurrenz wahr genommen, warum auch? Alles entwickelt sich, auch die Medien. Es ist doch spannend zu erfassen, auf welchen Zug man mit aufspringen könnte, welche Art der Digitalisierung auch zu einem selbst passt. E-Books habe ich bereits seit 2012 im Programm und auch 2011 mein erstes Hörbuch produziert. Ich sehe die Digitalisierung eher als Erweiterung des Portfolios.

Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?

Ob ich etwas wesentlich anderes mache weiß ich nicht, aber ich stecke sehr viel Herzblut in meine Arbeit. Soweit ich meine Kollegen kenne, machen die das auch. Das Tollste am Verlegen ist, man hat keine echten Konkurrenten, man hat Kollegen. Das kenne ich aus andern Branchen nicht so. Jeder weiß wie viel Energie in einem Projekt steckt. Man hat daher eher Respekt und kennt die Arbeit der anderen Verlage an. Das gefällt mir.

So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?

Nichts. Es war gut klein und naiv anzufangen. Viel lernen, viel probieren. Mutig, einfach aus sich heraus. Sich selbst ständig hinterfragen: Was passt und was sollte ich anders machen? Immer wieder neu. Heute noch.

Wie gewinnen Sie Autoren?

Nun, das ist ganz unterschiedlich – in der Belletristik müssen die Autoren eher uns gewinnen, denn im Schnitt bekommen wir in der Woche zwischen zwei bis fünf Manuskripteinreichungen. Zu bestimmten Themen im Bereich der Ausflugsführer und/oder Geschichte/Kultur akquirieren wir aber auch und sprechen gezielt potentielle Autoren an. Interessanter ist wohl die Frage, wie man seine Autoren fest an sich bindet:

Ich denke, die aufgeschlossene, umtriebige Art und Weise wie der Verlag arbeitet, Hand in Hand mit den Autoren, sorgt bei uns für die Bindung. Eben gemeinsam das Beste versuchen heraus zu holen. Auch die Autoren vom ehemaligen G. Braun Buchverlag (142) sind, bis auf zwei, bei Der Kleine Buch Verlag geblieben. Das spricht für mich und die Arbeitsweise meines Teams.

Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?

Wir haben eine Auslieferung in Deutschland (Prolit) und eine in Österreich (Ennsthaler). Schweiz soll bald folgen. Außerdem beschäftige ich eine Mitarbeiterin im Vertriebsinnendienst und aktuell haben wir drei Vertreter in Deutschland (für die Gebiete: Baden-Württemberg; Hessen, Rheinlandpfalz und Saarland sowie Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen), die unser Programm verkaufen. Aber auch hier möchte ich bald aufstocken und alle Vertriebsgebiete in Deutschland abdecken. In Österreich haben wir über unsere Auslieferung einen Vertreter laufen und für die Schweiz möchte ich natürlich auch bald einen Vertreter gewinnen. Auch im Direktmarketing sind wir erfolgreich – die Beteiligung an vielen Messen (auch neben den üblichen Messen und Ausstellungen für Bücher), Veranstaltungen, eine kontinuierliche Social Media-Arbeit und das Verteilen von Flyern, Programmheften, Postkarten, etc. macht sich bezahlt. Unser Onlineshop wird stark frequentiert und wir bekommen auch telefonische direkt Bestellungen im Verlag. Manchmal kommen die Kunden sogar persönlich vorbei. Unser Handlager muss also ständig neu bestückt werden.

Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?

Die Anfangsphase war schwierig – als ganz kleiner Verlag muss man sich das „Ernstgenommen werden“ hart erkämpfen. Aber mit viel Engagement, tollen Büchern und motivierten Autoren bekommt man im Laufe der Zeit immer mehr Kontakte und sichert sich so seinen kleinen, aber feinen Platz im Sortiment. Auch Präsenz auf Messen kann da helfen. Und nach der Verlagsübernahme im letzten Jahr läuft der Eintritt ins Sortiment der Baden-Württemberger und Pfälzer Buchhändler (natürlich insbesondere bei den regionalen Titeln sehr reibungslos.)

Wie halten Sie es mit Amazon?

Noch ohne G. Braun vermied ich den direkten Kontakt zu Amazon, war nur indirekt über den Zwischenbuchhandel gelistet. Heute ist Amazon für den Verlag „leider“ ein wichtiger Vertriebsweg geworden, auf deren Umsätze ich nicht verzichten kann. Um das ethisch ein wenig auszugleichen, versuche ich gute Kontakte mit besonderen Angeboten für den Buchhandel zu pflegen. Bei unseren vielen Messeauftritten versuchen ich und mein Team zudem, so viele Endkunden wir möglich vom Stationären Handel zu überzeugen und vermitteln, dass es mittlerweile viele Buchhändler gibt, die den gleichen Service bei der Buchbestellung bieten. Aufklärungsarbeit im Kleinen eben.

Was tun Sie für Ihr Marketing?

Alles Klassische: Printanzeigen, Sozial Media, Lesungen organisieren, Werbematerial für den Händler und den Endkunden. Und durch die vielen Messen sind wir immer im direkten Kontakt mit den Endkunden. Man kommt ins Gespräch. Hier sehe ich dann: Welche Bücher werden wahrgenommen? Wie gefällt die Gestaltung? Spricht die Titelformulierung an? Diese Informationen nutzen ich und mein Team dann zum einen zur weiteren Programmentwicklung, zum anderen können wir so auch absehen, welche Marketingaktionen sich für einen Titel lohnen würden. So gesehen sind die Messebeteiligungen die wichtigsten Marketingaktionen für Der Kleine Buch Verlag. Oft genug verirren sich Buchhändler auf Messen außerhalb des Fachbetriebs. Tolle Gelegenheit für neue Kontakte und oftmals Anstoß für neue Ideen beim Handelsmarketing.

Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?

Ich bin Mitglied seit 2011 und bin dann auch gleich in den Arbeitskreis kleiner und unabhängiger Verlage getreten. Ich würde behaupten, alle wesentliche Infos und Kontakte sind von hier aus gekommen. Und auch heute nutze ich den Service des Börsenvereins bei den unterschiedlichsten Fragen.

Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?

das Logo © Der Kleine Buch Verlag

das Logo © Der Kleine Buch Verlag

Durch die unterschiedlichen Kernbereiche des Programms haben wir auch ganz unterschiedliche Zielgruppen. Das ist das schöne, denn Menschen sind unterschiedlich, haben unterschiedliche Interessen und wir haben uns einfach nicht selbst den Zwang auferlegt, nur in einer Zielgruppe zu denken. In der Belletristik ebnen wir vor allem Debütanten den Weg ins Autoren-Dasein – das finden unsere Leser sehr spannend. Das Portfolio reicht von leicht bis anspruchsvoll, jedoch immer den Gedanke in sich tragend, den Leser zu unterhalten. Eine kleine Auszeit vom Alltag.

Bei den regionalen Themen suchen wir gezielt nach Nischenthemen – vom Schneeschuhwandern über die Entdeckungsreisen (vorausgesetzt, es gibt dafür auch eine nennenswerte Zielgruppe – ansonsten macht für uns ein Projekt keinen Sinn). Und für unsere Reihe „Kleine Geschichte. Regionalgeschichte – fundiert und kompakt“ sind wir bekannt und haben uns einen Namen gemacht.

Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?

Ausgewogen unsere drei Sparten Kultur und Geschichte, Freizeit und Belletristik zu pflegen und weiter auszubauen und dabei jede für sich klar in sich definiert zu belassen.

Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?

In Deutschland haben wir gute Strukturen und Möglichkeiten, Bücher in die Welt zu bringen. Auf dem klassischen Weg gibt es allerdings dabei viele „Mäuler zu stopfen“. Das geht allerding nur durch Masse (sei es durch die Auflagenhöhe oder durch die Anzahl der Titel). Ein kleiner Verlag schafft aber diese Masse nicht. Will auch diese Masse gar nicht unbedingt schaffen. Setzt auf Projekte neben dem Mainstream und will nur das machen, hinter dem er auch steht.

Und auch wenn mein Verlag im vergangenen Jahr recht schnell gewachsen ist, ist Der Kleine Buch Verlag, ein kleiner unabhängiger Verlag, der keinen Konzern zur Sicherheit im Rücken hat. Deshalb würde ich mich freuen, wenn bei unserer Gesellschaft die Akzeptanz zu fairen Preisen für Bücher wieder Einzug erhält. Denn immerhin ist das „Bücher-machen“ die Schöpfung eines Kulturguts – das Kostet seinen Preis und dieser sollte für das Endprodukt auch bezahlt werden.

Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?

Hier haben Titel eine Chance, die nicht sofort und ganz brav, nur einer Sparte zu zuordnen sind. Wir können uns dazwischen ausbreiten, austoben, neues kreieren. Der festen Sparte sozusagen auch mal ein Schnippchen schlagen.

Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?

  • Habe einen Plan. Und sei bereit dazu, deinen Plan immer wieder neu zu planen.
  • Habe einen langen Atem.
  • Und sei sparsam, das Verlegen ist teuer genug.
  • Suche Kontakte, tausche dich mit Gleichgesinnten aus. Es gibt viele von uns 😉

Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Da fällt mir spontan der Zauberberg Verlag ein, der sich gerade erst gegründet hat und dessen Verleger auch einer meiner Autoren ist. Außerdem fände ich interessant: den michason & may Verlag aus Frankfurt a.M., den Kindermund Verlag aus Karlsruhe, den Achter Verlag und Klöpfer & Meyer, ein Verlag mit Sitz in Tübingen.

Danke sehr für diesen Einblick.

____________________________________________________________________________________________

Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier

Der Kleine Buch Verlag im Netz:

Die Homepage

Bei Facebook

Bei twitter

Die Verlagspräsentation bei der Auslieferung Prolit

Ein Kommentar zu “„Es war gut klein und naiv anzufangen.“ – SteglitzMind stellt Sonia Lauinger von Der Kleine Buch Verlag vor

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Google Foto

Du kommentierst mit Deinem Google-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.