Kehlmann vs. Rest der Welt

Von der Vermessung der Welt sind mittlerweile die ersten Übersetzungen im Ausland erschienen (TDF berichtete). Eine kleine Übersicht dazu war heute im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen.

Auf englisch, chinesisch, spanisch, französisch, ungarisch, italienisch und niederländisch ist der Millionenseller nunmehr erhältlich. Die FAZ hat eine Synopse des ersten Absatzes in der jeweiligen Übersetzung angefertigt. Drei Seiten weiter berichten Korrespondenten über die Reaktionen in der entsprechenden Landespresse – und die fallen größtenteils doch eher verhalten aus: da wird über die fehlende „deutsche Tiefe“ geklagt (hier zählt der Prophet im eigenen Lande ausnahmsweise mal doch) und Kehlmanns „magischer Realismus“ mit den Worten „als hätte sich Borges in den Schwarzwald verschlagen“ geschmäht.

Den chinesischen Lesern hat vor allem Kehlmann selbst den Kopf verdreht, der nämlich „unverschämt hübsch“ sei, denn (!)

wenn man sein Gesicht über der schwarzen Jacke nur drei Sekunden lang betrachtet, dann fällt einem der Kommentar zu der Schauspielerin in ‚Vom Winde verweht’ ein: Wer so schön ist, braucht eigentlich gar keine Schauspielkunst.

Aha.

Weitere interessante Einschätzungen in der FAZ von heute (die Bahnhofsbuchhandlungen haben ja noch geöffnet) oder auch hier im Internet.

Neues zu Detering – Dylan

Wie ja schon am 2. Februar notiert, gibt es bei Reclam nun auch ein Bändchen über Bob Dylan, und dies aus der Feder von Heinrich Detering, Germanist und Thomas-Mann- sowie Heinz-Erhardt-Experte.

Während ich heute noch vergeblich nach dem Buch Ausschau hielt, gibt es aus dem Hause Reclam Neues zu den Hintergründen. Im Interview steht der Autor Rede und Antwort, unter anderem über die gern und oft gestellte Frage: „Ist der Dylan denn jetzt überhaupt ein Dichter, hä?“

Man muss da unterscheiden. Dylan hat ja immer wieder auch ‚rein‘ literarische Arbeiten veröffentlicht, von den frühen Gedichtzyklen über den Band „Tarantula“ bis zu seinem autobiographischen Bericht „Chronicles“, und er hat gelegentlich auch Musik ganz ohne Text gemacht. Seine eigentliche Leistung aber ist wohl seine in ihrer Art einzigartige Verbindung von Musik, Poesie und Performance (diese wiederum auf Platten, in Konzerten, in Filmen) – einzigartig deshalb, weil er Traditionen mündlicher Kulturen mit einer hochentwickelten Schrift- und überhaupt Medienkultur zusammenbringt.

Eine sibyllinische Antwort, die aber von einem bodenständigen Zugang zum „Phänomen Bob“ zeugt. Hoffen wir, dass Detering sich diesen auch in seinem Buch bewahrt hat und uns mit wissenschaftlichem Kauderwelsch verschont – denn dies wird dem „Gesamtkunstwerk“ (Detering) Dylan eh nicht gerecht.

Für alle, die es trotzdem interessiert, bringt Suhrkamp im Juli die Sammlung „Bringing It All Back Home“ heraus, in der Ergebnisse des letztjährigen Bob-Dylan-Kongresses zu Frankfurt dokumentiert werden.

Die Lyrics-Suche nach dem Stichwort „book“ bringt es übrigens auf 29 Matches. Einer davon ist dieser.

In the dime stores and bus stations,
People talk of situations,
Read books, repeat quotations,
Draw conclusions on the wall.

Ein Klassiker aus dem Rotbuch Verlag

Aus der lose geführten Reihe „Fundstücke“: hier ein Exemplar der berühmten Kursbuch-Reihe mit dem Thema „Jugend“ von 1978.

Was auch mir erst nachträglich auffiel: neben mancherlei Denkwürdigkeiten enthält dieser Band nicht zuletzt den Beitrag „Der macht seinen Weg“, in dem ein gewisser Rainald Maria (!) Goetz von seiner Studienzeit berichtet. Sofern man Wikipedia vertrauen kann war das seine erste Buchveröffentlichung überhaupt.

Hier auch das Inhaltsverzeichnis.

Independent-Verlage auf dem Schirm

Wer Independent-Verlage kennt und schätzt, weiß: das Gute ist rar gesät. Die Kleinst-Verlagswelt haust in Büros und Hinterhöfen, die nur schwer aufzuspüren sind.

Eine praktische Übersicht über alle Independent-Verlage im deutschsprachigen Raum hat jetzt ein Google-User als Map angelegt. Die Karte zeigt auch die Verteilung und lokale Dichte von Verlagen von (natürlich) Berlin bis Mainz.

Independent-Verlage in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Google Map)

Straight from the Shtetl


Funky Jewish Sounds From Around The World (© Trikont 2007)

„Jewish Hip-Hop“ ist ein Phänomen, von dem man hierzulande so gut wie nichts mitbekommt. Doch allem Anschein nach passiert in der Szene momentan so einiges.

In der TIME war kürzlich folgendes zu lesen:

(…) rap is thriving. The U.S. import has taken root in the Palestinian territories and Israel, evolving into a gritty hybrid expression of the Arab-Israeli conflict that steers clear of the original’s current preoccupations with flashy wealth, gangster attitudes and fast women.
(Taking The Rap, Tim McGirk, 22/02/07)

Da gibt es auf der einen Seite die Palestinian Rapperz, die sehr old-school-mäßig über den blutigen Alltag im Gaza-Streifen rhymen, andererseits den „godfather of Israeli hip-hop“, Sagnol 59 und Jew Da Maccabi, einen ausgewanderten Orthodoxen, der sich streng an die Halacha hält, aber statt dem traditionellen schwarzen Hut stets eine New York-Yankees-Kappe trägt und Bob Marleys „Iron Lion Zion“ auf eine etwas andere Art interpretiert. Sein Label nennt sich nicht umsonst „Kosher Productions“.

„Funky Jewish Sounds From Around The World“ zu präsentieren hat sich nun das wunderbare Trikont-Label (hier um die Ecke) mit der Compilation Shtetl Superstars auf die Fahnen geschrieben, und es geht ganz schön rund auf der CD. Relativ klassischer Klezmer, unterlegt mit Scratches und mehrsprachigen Samples, kommt eigentlich nur beim ersten Stück noch zur Geltung, dann taucht der Hörer tief in kanadischen, latino-jüdischen, spanischen und amerikanischen Hip-Hop ein (und der nähert sich schon gefährlich an Eminem an), findet sich im jiddischen Liedgut wieder, das in einen Ska-Anzug gesteckt wurde und landet auf einmal bei den „Adventures of Rabbi Jacob“ der Tel Aviver Surfrockband Astroglides. Auf französisch kommt der „Lamentation Walloo“ daher, und gleich danach beklagen sich Ha Biluim über „No Baguettes In The Gettho“. Im Rückblick erweist sich Shtetl Superstars als ein nicht ganz leicht zu verdauender, sehr emotionaler Mix aus überdrehtem Big-Band-Spaß und weinenden Klarinetten, der aber auf beeindruckende Weise zeigt, was sich in der genuinen, aber keinesfalls homogenen, da über die ganze Welt verteilten jüdischen Musikszene (dem „global shtetl“ eben) so abspielt.

Shtetl Superstars – Funky Jewish Sounds From Around The World, Trikont 2007, im gut sortierten Tonträgerhandel oder direkt beim Verlag für 15 € zu erwerben