Der himmelblaue Himmel


„Sky Blue Sky“ kann man sich auf wilcoworld.net in voller Länge als Stream anhören.

Mit Spannung erwartet, kommt es unerwartet entspannt daher: „Sky Blue Sky“, das neue Album von Wilco.

Brüchig ist Jeff Tweedys Stimme immer noch, wenn er die ersten Zeilen von Either Way anstimmt, aber was auf „A Ghost Is Born“ noch die Feedback-Orgie At Least That’s What You Said war, ist hier einem harmonischeren Ton gewichen: „I will try to understand – either way“. Man hört das Album tatsächlich gerne, stellt man irgendwann fest. Hier und da dudelt eine Orgel im Hintergrund mit, und aus unverfänglich beginnenden Stücken wie You Are My Face bricht plötzlich ein instrumental rockender Refrain heraus, den man spontan auf der Tischplatte mitklopft.

Die laut-leise-Wechsel, die man ja in ähnlicher Form von Wilco schon kennt, bleiben aber nicht das einzige Stilmittel auf dem neuen Album. Mindestens dreimal behauptet der Rezensent, deutliche Steely-Dan-Anklänge herausgehört zu haben, nämlich beim verspielten Impossible Germany (dessen Text mir im übrigen wohl immer ein Rätsel bleiben wird), und den genialen Side With The Seeds und Shake It Off. Reinster Seventies-Rock, extrem cool und konzentriert gespielt. Was ebenfalls eine der Stärken von „Sky Blue Sky“ ist: die Experimente wurden aufgegeben, was der klassischen Song-Struktur zugute kommt. Bestes Beispiel: Hate It Here, das mit einem wunderbar schwarzen Humor die Story des verlassenen Liebhabers erzählt, der sich mit Hausarbeit die Einsamkeit erträglich macht: er hält das Haus in Ordnung, faltet seine Hemden, lernt mit der Waschmaschine umzugehen und fürchtet sich vor dem Nichtstun:

What am I gonna do when I run out of shirts to fold?
What am I gonna do when I run out of lawn to mow?
What am I gonna do if you never come home?
Tell me, what am I gonna do?

Mit einem Blues-Riff, das sich ohne Scheu aus der Spät-Phase der Beatles bedient, ist das einer der besten, weil rundesten Songs des Albums geworden.

Die Melancholie ist natürlich geblieben, auch wenn „Sky Blue Sky“ musikalisch eines der rundesten und entspanntesten Werke Wilcos geworden ist. Gut, dass der Himmel nicht immer himmelblau ist – denn worüber sollte Jeff Tweedy sonst schreiben?

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