„Ihr könnts mein Hirn haben“ – Rainald Goetz’ blutige Performance beim Bachmannpreis 1983

Ich brauche keinen Frieden, weil ich habe den Krieg in mir. Am wenigsten brauche ich die Natur. Ich wohne doch in der Stadt, die wo eh viel schöner ist. Schaut euch lieber das Fernsehen an. Wir brauchen noch mehr Reize, noch viel mehr Werbung Tempo Autos Modehedonismen Pop und nochmal Pop.

Einer der Höhepunkte der jüngeren deutschen Literaturgeschichte: Im Juni 1983, also vor fast genau 25 Jahren, trägt Rainald Goetz beim Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt seinen Text „Subito“ vor. An einer Stelle ritzt er sich ganz nebenbei mit einer Rasierklinge die Stirn auf und liest, während das Blut über sein Gesicht und auf den Text tropft, einfach weiter, bis am Schluss ein blutverschmiertes Blatt vor ihm liegt.
Der vorgetragene Text erschien ursprünglich in der Essaysammlung Hirn (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1986) und wurde vor kurzem auch im Rahmen der Anthologie Pop seit 1964 (Hg. Kerstin Gleba und Eckhard Schumacher, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2007, S. 128-139) noch einmal veröffentlicht. Seine ganze Wirkung entfaltet er aber erst durch die beschriebene Performance, wie oben (dank YouTube) zu sehen ist.

P.S.: Rainald Goetz schreibt momentan als Blogger für die deutsche Vanity Fair. Einen Rückblick über 25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis gibt es hier beim ORF. Einen Überblick über die diesjährige Austragung (Preisträger: Lutz Seiler mit dem Text „Turksib“, Publikumspreis: PeterLicht für „Die Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des dritten Jahrtausends“) kann man sich außerdem hier verschaffen (die Texte der Wettbewerbsteilnehmer sind großzügigerweise komplett online verfügbar!)