Der letzte Wiener

Thomas Glavinics Roman „Die Arbeit der Nacht“, ein Horrortrip durch den Alltag, der leider nicht alle Erwartungen erfüllt.

Thomas Glavinic: Die Arbeit der Nacht

Jonas ist der letzte seiner Art. Als er eines Morgens in seiner Wiener Wohnung aufwacht, sind urplötzlich alle Menschen um ihn herum verschwunden. Und nicht nur das: seine Freundin, die nach Nordengland in den Urlaub gefahren ist, ist auch nicht zu erreichen.

Die zugrundeliegende Science-Fiction-Idee, die man von Autoren wie Stephen King kennt, wird hier im klassisch phantastischen Sinne angewandt: ein Element der Welt wird verändert, während alles andere bleibt, wie es ist. Während Jonas durchs leere Wien irrt, erst verzweifelt auf der Suche nach Mitmenschen, dann immer wahnhafter auf der Flucht vor sich selbst, findet er auch vor allem eins nicht: eine Erklärung für seine absolute Einsamkeit.

So radikal auf sich selbst gestellt, wird Jonas einfallsreich: Er richtet seine Wohnung mit Gegenständen neu ein, die er aus der Wohnung seines Vaters sowie der alten Familienwohnung herbeischafft. So gelingt es ihm, zumindest in seinen eigenen vier Wänden eine gewisse Vertrautheit wiederherzustellen. Ein Ausflug an einen Urlaubsort aus der Kindheit wird dagegen zum paranoiden Horrortrip, der in einer fluchtartigen Rückkehr mündet.

Auch wenn Glavinic sich in „Die Arbeit der Nacht“ nicht auf Plünderungsphantasien oder Kaufhausorgien einläßt (vielleicht aus Furcht vor Niveauabfall?), hat er doch ein paar interessante Szenen aufs Papier gebracht: Was passiert an den Orten, wo ich mich gerade nicht aufhalte? Existieren sie überhaupt noch? Abhilfe schaffen die zahlreich organisierten Kameras, die Jonas überall in Wien postiert. Auch sich selbst beginnt er, im Schlaf, zu filmen, und beobachtet dabei unheimliche Vorgänge.

Diese Szenen sind (dem thrillererprobten) Glavinic in ihrer Bizzarerie zweifelsohne am besten gelungen: Einmal sitzt das alter ego von Jonas – genannt „der Schläfer“ – stundenlang bewegungslos mit einer schwarzen Kapuze im Bett, mal starrt es unverhohlen in die Kamera, mal tastet es ohne erkenntlichen Grund eine bestimmte Stelle an der Schlafzimmerwand ab. Am nächsten Tag steckt unbegreiflicherweise ein Küchenmesser in der Wand, das sich nicht mehr entfernen lässt; an anderer Stelle fehlen Jonas nach dem Aufwachen mehrere Zähne.

Leider kann sich der Roman etwa ab der Mitte nicht recht entscheiden, ob er vollends zum Thriller mutieren soll oder lieber die philosophische Seite der Extremlage seines Protagonisten verhandelt. Oft schwenkt, wenn es gerade wieder besonders verstörend wird, im nächsten Absatz die Stimmung ins Resignative um. Der letzte Akt, Jonas auf der Fahrt nach England, auf der Suche nach Marie, ist von einer tiefen Melancholie bestimmt. Eiskalt stellt Glavinic seinen Helden schließlich vor vollendete Tatsachen. Als klar wird, dass keine Hoffnung mehr besteht, endet der Roman in einer erschütternden Szene – doch wie sollte man die anfangs angelegte Konstellation auch anders ausgehen lassen? So ist ein zutiefst deprimierendes Buch entstanden, dass die großen Spannungsbögen leider nicht ganz aufrecht erhalten kann und stattdessen das beliebte Literaturthema Einsamkeit beim Wort nimmt und konsequent durchspielt.

Herzlichen Glückwunsch, G.G.!

Während das deutsche Großfeuilleton den Lieblingsdichter von Benjamin Lebert (ok, das war fies) sich heute eher weigert, abzufeiern, brillierte die wunderbare taz mal wieder.

Und zwar mit einem Titelbild, das irgendwo zwischen Baron Münchhausen und Sgt. Pepper Yellow Submarine liegt:

Zugegeben, das Wortspiel hat schon ’nen ziemlichen Bart. Aber die Idee, alle in der heutigen Ausgabe abgebildeten Personen mit einem ebensolchen Marke Grass zu verzieren, war dann schon wieder ganz lustig. Besonders bei Ursula van der Leyen und dem gesamten Präsidium der chinesischen KP.

Ach so: einen Kommentar („Der Schnurrbart des Herrn“) und eine Würdigung gab’s natürlich auch.

In Cloud Cuckoo Land

Heute war ein großer Tag für Radiohead-Fans. Während manche bereits früh am morgen Ihren Download-Link für In Rainbows aktivierten (siehe Illustration), wurde das Warten auf die erlösende Mail für andere zur Qual.

So geschehen beim deutschen Rolling Stone, der sich damit rächte (?), gleich drei Radiohead-Meldungen hintereinander auf seine Homepage zu setzen:

Eine vierte mit noch verzerrterem Thom-Yorke-Bild ist inzwischen auch schon dazugekommen.

Nun müsste aber jeder seine Mail erhalten haben und mit oder auch ohne Freuden den 10 neuen Tracks lauschen. The Daily Frown meint: ein sehr ruhiges Werk, bis auf zwei Ausnahmen zu Beginn. Sehr angenehm zu hören (vergleicht man’s mit „Myxomatosis“ oder ähnlichen Gehörgangrasplern von Hail To The Thief), hier und da klingt mal ein bereits bekannter Ton an, ein paar White Album-Streicher meint die Redaktion auch ausgemacht zu haben. Trotzdem krankt es nicht an der Schwere, die späten Alben oft anhängt. Insgesamt: beeindruckend & natürlich wie immer genial!

In Rainbows

Hello everyone.

Well, the new album is finished, and it’s coming out in 10 days;

We’ve called it In Rainbows.

Love from us all.
Jonny

(http://radiohead.com/deadairspace)

et:

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Wer sich jetzt (zu Recht) fragt: wie bitte?!, hier noch einmal zusammengefasst der aktuelle Stand der Informationen: Radiohead haben ein neues Album aufgenommen. Das Album wird ab nächster Woche Montag auf einer eigens eingerichteten Seite zum Download bereit stehen. Vorbestellen kann man es ab heute. Wie viel man dafür zahlen will, bleibt jedem selbst überlassen. Die Box-Version (2 LPs, 2 CDs, aufwendiges Artwork, Preis £ 40) kann man ebenfalls bestellen, sie wird ab 3. Dezember verschickt. Da Radiohead momentan keinen Plattenvertrag haben, läuft alles über die Seite inrainbows.com. Ob das Album in dieser Form auch in die Plattenläden gelangen wird, ist noch völlig offen. News gibt’s hier und im Forum.