Das „Lexikon des Unwissens“ hat auch eine Homepage. Dort findet man bis auf die Errata wenig.
Warum erkälten wir uns? Warum gähnen, schlafen oder wachsen wir? Und was zum Himmel ist Einemsen?
Getreu dem Untertitel „Worauf es bisher keine Antwort gibt“ haben sich Kathrin Passig (eine Hälfte der trendigen „Zentralen Intelligenz Agentur“ aus Berlin) und Aleks Scholz einem interessanten Thema der Wissenschaftsgeschichte verschrieben: der Leerstelle.
Im einleitenden Kapitel („Wissenswertes über Unwissens“) diskutieren sie dieses Phänomen zunächst grundlegend. Eine wichtige Eigenschaft des Unwissens, so stellen sie fest, ist seine Flüchtigkeit:
„Unwissen ist ein flüchtiges Ding. Es verschwindet, taucht an anderer Stelle wieder auf, kurz: man kann ihm noch weniger über den Weg trauen als dem Wissen.“
Die Vorstellung, erfahren wir weiter, dass sich in den letzten hundert Jahren die Löcher des Unwissens im Schweizer Käse des Wissens mehrheitlich geschlossen haben, erweist sich als zu banal: durch Quantenmechanik und Relativitätstheorie beispielsweise haben sich viele neue Fragen ergeben; scheinbar geklärte halten einer kritische Überprüfung nicht stand (wie z.B. die Besiedelung Amerikas).
Die 42 im „Lexikon des Unwissens“ versammelten Wissenslücken – alphabetisch geordnet von Aal bis Wasser – bieten einen, im scherzhaft-gelehrten Ton um Verständlichkeit bemühten, Überblick über das oft vergebliche Streben der Wissenschaftler nach Erkenntnis oder aber ganz banalen Alltagsrätsel, denen einfach nicht beizukommen ist.
Geheimnisumwitterte Klassiker wie das Tunguska-Ereignis, das Voynich-Manuskript und die Dunkle Materie dürfen da natürlich nicht fehlen. Während über diese und ähnliche harte Nüsse in der erwartbaren Ausführlichkeit referiert wird, präsentieren Scholz und Passig aber auch kleinere Episoden, vornehmlich aus der Tierwelt, die auf geradezu pittoreske Weise dem sogenannten Phänomen des „Einemsens“ nachgehen (eine ungeklärte Eigenart von Igeln, sich mit dem eigenen Speichel einzureiben) oder die erstaunlichsten Wissenslücken über das Wesen der Aale und Tausendfüßler zutage fördern.
Doch sind dies zugleich die Sternstunden des Werks: wenn das Kuriosum sich mit der Kurzweil verbindet, wird die Lektüre zum intellektuellen Spaß (oder besser: Intellektuellen-Spaß), wozu, am Rande erwähnt, die jedem Kapitel vorangestellen Zitate von Daniel Düsentrieb bis Futurama ihr Übriges leisten. Eher zäh wird es, wenn das Autorenteam im gar zu sehr dozierenden Ton über eher wenig spannende Fragen wie dem Sinn von Körpergrößen, Trinkgeld, Herbstlaub oder – sic – Schlaf elaboriert. Hier lassen sich über lang oder kurz Ermüdungserscheinungen beim Lesen nicht leugnen.
Zum Schluss des Buches lädt eine Literaturliste zum weiteren Nachforschen auf eigene Faust ein. Und das ist nicht zuletzt eine der Leistungen des „Lexikons des Unwissens“: mehrheitlich die Neugier auf die Welt der Naturwissenschaften zu lenken, die im geisteswissenschaftlichen Diskurs oft etwas belächelt werden. Insbesondere Kathrin Passig hat so, als Germanistin und Bachmann-Preisträgerin von 2006, für eine Überraschung gesorgt, die nicht jeder von ihr erwartet hätte.
Kathrin Passig/Aleks Scholz: Lexikon des Unwissens. Worauf es bisher keine Antwort gibt. Rowohlt Berlin 2007, 256 Seiten, 16,90 €
Und im Internet unter lexikondesunwissens.de.
Dieser Beitrag erschien erstmals am 2. Dezember 2008 auf kritische-ausgabe.de
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