
Kafkas langer Schatten: Zum 125. Geburtstag ist er wieder allenthalben
Doch Franz Kafka hat die sogenannten „Puppenbriefe“ wirklich geschrieben – laut Dora Diamant, Kafkas Freundin in des Dichters letztem Jahr 1923 in Berlin: „Eines Tages trafen wir ein kleines Mädchen, das weinte und ganz verzweifelt zu sein schien. Wir sprachen mit dem Mädchen. Franz fragte es nach seinem Kummer, und wir erfuhren, daß es seine Puppe verloren hatte.“ Kafka erfand prompt eine Geschichte, um das Mädchen zu trösten: „Deine Puppe macht nur eine Reise, ich weiß es, sie hat mir einen Brief geschickt. Ich habe ihn zuhause liegen lassen, aber ich werde ihn dir morgen mitbringen.“
In den darauffolgenden Wochen schrieb Kafka mit höchstem Ehrgeiz zahlreiche Briefe der Puppe, deren Geschichte mit einer feierlichen Hochzeit endete. Verschollen sind sie bis heute. Aber die Entstehungsgeschichte hat sich über Dora Diamant bis zu Paul Auster erhalten. Der amerikanische Germanist Mark Harman ist gar 2002 nach Berlin aufgebrochen, um persönlich nach Spuren des kleinen Mädchens zu suchen. Dieses dürfte mittlerweile aller Wahrscheinlichkeit nach verstorben sein.
Der unwahrscheinliche Fall eines Fundes der verschollenen, mittlerweile 85 Jahre alten Texte wäre eine literaturwissenschaftliche Sensation. Doch voerst bleiben sie Schatten in einem nur scheinbar bis ins letzte ausgeleuchteten Werk.
Zum Weiterlesen:
„Wo ist Kafkas Kind?“ – Artikel in der F.A.Z. vom 17.2.2002 (€)
„Kafka als Ghostwriter“ (Fundstück auf franzkafka.de)
Mark Harman: „Dr. Kaesbohrer und die Puppenbriefe. Zwei kleine Rätsel um Kafkas Aufenthalt in Berlin“, in: Sinn und Form 6/2002, S. 845-852.
Paul Auster: „The Brooklyn Follies“, New York: Henry Holt, 2005
Aktuell zum Thema:
Kafkas Welt: Sein Leben in Bildern (Ausstellung im Literaturhaus München, noch bis 3.8.2008)
Adam und Ev…elyn? Ingo Schulze wird zum Vielschreiber
Jetzt hat der Berlin Verlag ganz frisch angekündigt: Schon im August, am 9.8. genauergesagt, soll der neue Roman mit dem keine Kalauer scheuenden Titel „Adam und Evelyn“ in den Buchhandlungen stehen.
Tatsächlich geht es um eine modernisierte Adam-und-Eva-Geschichte im Ungarn des Wendejahrs 1989:
In der Ausnahmesituation jenes Spätsommers 1989, dem Schwebe-
zustand plötzlicher Wahlfreiheit, entdeckt Ingo Schulze die mensch-
liche Urgeschichte von Verbot und Verlockung, Liebe und Erkenntnis und nicht zuletzt der Sehnsucht nach dem Paradies. Doch wo ist das zu finden? In der Verheißung des Wes-
tens, der Ungebundenheit eines endlosen Feriensommers am Plat-
tensee oder doch im vertrauten Amtsstubenduft einer frisch geöffneten Brotkapsel und dem eigenen Garten?
Ansichten eines Handys
Froschperspektive (München, 1. Juni 2008)