Franz Kafka und Graf Orlok – eine liason dangereuse?


Die zur Debatte stehende Burg bzw. „das“ Schloss Oravský (Bild: Wojsyl)

Peter-André Alt stellt in der Süddeutschen Zeitung Vermutungen über Zusammenhänge zwischen Kafkas „Schloß“ und Friedrich Murnaus „Nosferatu“ an. Richtig schlau wird man daraus nicht.

Der ausgewiesene Biograph Kafkas als Sohn arbeitet momentan an der Studie „Kafka und der Film“ und hat dabei herausgefunden, dass der Drehort von „Nosferatu“ unweit eines Sanatoriums lag, indem sich Kafka 1921 erholte.

In der ersten Augusthälfte 1921 fährt Murnaus Stab über Prag in die Westliche Tatra, um die transsylvanischen Sequenzen des „Nosferatu“ aufzunehmen. Ziel ist das Städtchen Dolný Kubín, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft die Burg Oravský liegt. Dort möchte Murnau die Szenen drehen, die im Schloss des Grafen Orlok, des von Max Schreck verkörperten Vampirs, spielen. Nur 90 Kilometer von Oravský hrad entfernt befindet sich das Lungensanatorium von Matliary; hier hält sich zu eben der Zeit, da Murnaus Team in der Burg arbeitet, Kafka auf. Im Spätwinter 1922, kurz bevor Murnaus Film in die Kinos kommt, beginnt er seinen letzten Roman zu schreiben, der wie „Nosferatu“ von einem befremdlichen, ja unheimlichen Schloss handelt.

Alt räumt ein: „Die Übereinstimmung der Schauplätze ist vermutlich alles andere als zufällig“ (Hervorh.: die Red.); fest steht auch: „Kafka, der zumal vor dem Krieg ein leidenschaftlicher Kinogänger war, berichtet in seinem Tagebuch nirgends von einem Besuch des Films.“

Fest steht weiterhin, dass in Kafkas „Schloß“ nicht viele Vampire vorkommen (genauergesagt: gar keine), ja nicht einmal das modrige Gemäuer der Burg, in der Max Schreck als Graf Orlok so schön-schaurig herumgeistert, eine Rolle spielt. Das beklemmende Element wird bei Kafka vielmehr durch das Schloss als Repräsentant eines undurchdringlichen, labyrinthartigen früh-bürokratischen Verwaltungsapparates bewirkt — Zusammenhänge zur Gruselburg Oravský können da nur Vermutung eines eifrigen Kafka-Philologen bleiben.

Links:
„Aufgeschnappt (1)“, The Daily Frown vom 15.11.2005
– „Nosferatu“ kann man sich mittlerweile in verschiedenen Varianten komplett und umsonst im Internet anschauen, z.B. hier

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