Herzlichen Glückwunsch, Charlotte Gainsbourg


Im Studio mit Beck: Charlotte Gainsbourg 2009 (www.charlottegainsbourg.fr)

Charlotte Gainsbourg, Schauspielerin, Sängerin, und schon länger Anwärterin als Hauptperson für einen hiesigen Blog-Eintrag, hat in Cannes die Goldene Palme als beste Darstellerin gewonnen.

Endlich also eine Gelegenheit, die Frauenquote bei The Daily Frown zu heben und mit einem hübschen Schwarz-Weiß-Foto aufzumachen.

Gainsbourg spielt im Film „Antichrist“ eine traumatisierte Mutter, die den Verlust ihres Kindes mit einer fragwürdigen Therapie zu verarbeiten versucht. Regisseur Lars von Trier inszeniert die Geschichte auf besonders blutrünstige Art und Weise, wie Medienberichten bereits zu entnehmen ist:

Die therapeutischen Sitzungen bringen Böses und Wahnsinn in der Frau zum Vorschein, und was zur Heilung dienen sollte, wird zum alptraumhaften Exorzismus, der übel endet. Während Eicheln wie tote Samenkapseln auf das Dach des Hauses prasseln, setzt sich drinnen eine zerstörerische Spirale aus Sex und Gewalt in Gang, an deren Ende es einen Blut ejakulierenden Penis, eigenhändig beschnittene Schamlippen sowie eine ganz und gar wörtlich zu nehmende Interpretation der Redewendung „Klotz am Bein“ gibt.

So weit das Leitmedium. Im Presseheft zu „Antichrist“ findet sich auch eine düstere Sex-Szene mit Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe, die auf einem Geflecht von Baumwurzeln und ausgestreckten Armen liegen.

Nach dem Auftritt im (Nicht-)Dylan-Film „I’m Not There“ nebst Soundtrack-Beitrag im dahingeauchten Stil vom 2006 veröffentlichten, sehr hörenswerten Solo-Album „5:55“ nun also another side of Gainsbourg. Das nächste Album entsteht übrigens momentan in Zusammenarbeit mit niemand Geringerem als Beck (s.o.!). Ob traumatische Erfahrungen mit von Trier (der ja wiederum seinerseits bereits Erfahrungen im Sängerinnen-Quälen hat: Dancer in The Dark!) in die Musik einfließen werden, ist noch nicht bekannt.

Walls Come Tumbling

Ausflug in die Geschichte der Apokalypsendarstellung von 1493 bis heute: eines der bedeutendsten Zeugnisse spätmittelalterlicher Buchkunst ist die „Schedelsche Weltchronik“, eine Geschichte der Welt von den Anfängen bis ins (damalige) Heute. Ihr künstlerischer Einfluss hält bis heute an.

Direkt in die digitalisierte Version eines Original-Exemplars kann man über die Bayerische Staatsbibliothek zu München einsteigen. Zu den prächtigen Illustrationen zählt auch die der Zerstörung Babylons (vgl. folio LXV):

Wie schnell man von Hartmann Schedel zu Radioheads Frontmann Thom Yorke kommt, zeigt dieser Kurzschluss: Gelesen hat das Werk Schedels nämlich auch der Künstler und Radiohead-Illustrator Stanley Donwood, der sich eben von obigem Bild zu seiner Werkserie „London Views“ inspirieren ließ (Ausschnitt):

Diese besteht aus mehreren Holzschnitten, die den Untergang Londons durch eine fiktive Themse-Flut künstlerisch darstellen. Thom Yorke gefiel die Idee wohl so gut, dass er die Bilder für sein zur selben Zeit entstandenes Soloalbum „The Eraser“ verwendete.

So hat spätmittelalterliche Apokalypsendarstellung bis heute ungeahnten Einfluss – und taucht an den unwahrscheinlichsten Stellen wieder auf. Q.E.D.

Partystimmung. Wilco: The Album


Party like an animal; mit Papierhütchen und Fraktur. Nicht zwingend illustrativ zur Musik.

Nach Kindergeburtstag klingt es zwar nicht, aber es ist auch nicht gerade ein Trauerkloß geworden. Erste Eindrücke zum neuen „Wilco (The Album)“ anhand von „Wilco (The Stream)“, 2009.

Man könnte meinen, die Welt von Jeff Tweedy wird leichter und leichter. War schon auf „Sky Blue Sky“ die Siebziger-Jahre-Referenz-Maschine auf Hochtouren, was wohliges Gitarren-Gequirle zur Folge hatte, lautet nun die Parole: „I don’t care anymore!“ (aus dem passenderweise im Mittelteil platzierten Stück „You Never Know“). Der stilistische Freibrief sorgt dafür, dass sich verschwitzte Orgeln mal zu singenden Sägen, mal zu Byrds-Akkorden gesellen; zwischendurch rumpelt es kräftig und dann schaut auf einmal als samtweiche Gastsängerin Feist um die Ecke („You And I“). Es darf auch im eigenen Werk zitiert werden: das experimentierfreudige „A Ghost Is Born“ (2004) klingt mehrmals an, nie aber im sterilen Pro Tools Sound, der dem Vorgänger ein allzu glattes Klangbild aufgedrückt hatte. Im besten Sinne Americana, Folk und Alternative Country, die eigentlichen Wurzeln dieser schon durch viele Wechselbäder gegangenen Band, scheinen wieder die Maxime zu werden. Hinterher ist man halt immer schlauer.

Wilco (The Album) wird am 30. Juni 2009 bei Nonesuch (Warner) erscheinen. Nachdem bereits vorab Kopien im Netz aufgetaucht waren, stellte die Band kurzerhand „Wilco (The Stream)“ auf ihrer Webseite bereit (nach aktuellem Stand wieder entfernt), um, nach eigenen Angaben, Fans das zeitraubende Suchen nach dem Leak zu ersparen. Außerdem solle doch jeder, der das Album illegal heruntergeladen habe, dafür bitteschön etwas Gutes tun:

The band also suggested that those who illegally downloaded the album make a donation to Inspiration Corporation, one of the band’s favourite charities that helps low-income and homeless individuals in Chicago, the band’s hometown. (via NME)

So wird mit „Wilco (The Album)“ 2009 die Welt wieder ein Stückchen schöner und vielleicht sogar, wie diese Pointe zeigt, ein bißchen besser.

Suhrkamp 2.0


Weiß mit einem Tüpfelchen Blau: das neue Suhrkamp-Feeling

Wenn der ehrwürdige Suhrkamp-Verlag seine Website umgestaltet, ist das schon mal eine Meldung wert.

Die Webredaktion teilt zum Relaunch mit:

(..) Noch mehr als bisher sollen unsere Bücher und Autoren im Mittelpunkt stehen. Sie werden feststellen, dass es nun mithilfe neuer Suchfunktionen und Überblicksseiten ganz einfach geworden ist, sich im Web durch die ganze Breite unseres Programms zu navigieren und aktuelle Bücher genauso schnell zu finden wie diejenigen der letzten 60 Jahre.

Während vor allem der nun komplett vertikale (trendige) Seitenaufbau ohne die altbekannte linke Navigationsleiste für zeitweise Orientierungslosigkeit sorgt, ist die neue großformatige Bewerbung von jeweils fünf Top-Titeln auf der Einstiegsseite eine schöne Neuerung. Und damit auch das 2.0 seine Rechtfertigung hat, wird mit dem Labels „Audio“, „Video“ und der obligatorischen Tag Cloud am rechten Rand nicht hinterm Berg gehalten. Fazit: die neue Suhrkamp-Seite wirkt luftiger, dynamischer, webzweinulliger und geht damit – für einen ehrwürdigen Verlag in der traditionsbewussten deutschen Verlagslandschaft – einen mutigen Schritt nach vorne.

Zum Suhrkamp 2.0 Look & Feel: www.suhrkamp.de