
Nachtszene im Limingantulli-Bezirk, Oulu, Finnland (Foto: Estormiz)
Literatur bei The Daily Frown: Diese Woche mit einem Auszug aus dem Roman Satus Katze von Constantin Göttfert.
An jenem Abend im Februar hatte ich die Katzen im Müllbeutel gesehen. Im Schein der Laternen glänzten die mit Streusplitt überzogenen Straßen, und wieder zog der süßliche Geruch der Maische von den Papierfabriken in die Stadt. Ich hörte das Heulen der Schneepflüge, deren rote Blinklichter in regelmäßigen Abständen auf dem Schnee zuckten, in der Ferne rauschten unsichtbare Züge. Als es in der Küche meiner Nachbarin wieder hell wurde, verließ ich die Wohnung.
Im Gemeinschaftsraum am Ende des Ganges saßen die Studenten auf Kunstledermöbeln vor dem Fernseher. Sie waren betrunken, dabei eigenartig ruhig, manche blickten wie konzentriert vor sich hin, einer stützte sich an der Wand ab und starrte auf das Poster. Im Vorbeigehen bemerkte ich, dass es jener war, der mir von Dr. Karjalainens Abtreibung erzählt hatte, aber er schien mich nicht zu erkennen.
Der Fernsehbildschirm zeigte den Sänger einer Metalband, der Ton war abgeschaltet. Jemand lachte, aber es war leise wie das heimliche Kichern eines Kindes in einer Kirche.
Schon im Hof glaubte ich das Schreien aus dem Container zu hören. Der Schnee hatte die Scheiben der Laternen verklebt. Von irgendwo hörte ich Rufe, ein Mann stand mit seinem Hund an der Kinderschaukel im Hof und wartete, bis das Tier sein Wasser gegen den vereisten Standfuß abgeschlagen hatte.
Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne waren die Deckel der Müllcontainer wieder festgefroren, ich streckte beide Arme hinein; mit nackten Fingern und ohne nachzudenken zog ich Müllsäcke heraus, Pappkartonschachteln, Eierschalen, zerbrochenes Geschirr. Ich fand ein gefrorenes Stück Brot, ein Stoffschuh war in der Mitte zerrissen, in anderen Säcken waren Bierdosen.
Bald war der Schnee von Müllflüssigkeit braun verfärbt, auf dem Gehweg türmten sich Essensreste und Plastiksäcke. Irgendwo hatte ich mich geschnitten, aber meine Finger waren gefroren und steif, von der klebrigen Flüssigkeit verfärbt. Aus einem der Container hörte ich nun deutlich das leise Schreien einer jungen Katze.
Constantin Göttfert wurde 1979 geboren und lebt als freier Schriftsteller in Wien. Er studierte Germanistik in Wien und besuchte das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig. Zuletzt erschien von ihm der Erzählband In dieser Wildnis. Satus Katze, sein erster Roman, erscheint in diesem Monat.
Ein Kommentar zu „Satus Katze“