
„I’ll tell you what“, ruft Momus nach seinem letzten Song dem applaudierenden Publikum in der Bornemann Bar auf dem Oberfoyer der Berliner Festspiele zu, „tomorrow let’s all be different people! You’ll be him, I’ll be her, and she’ll be you!“
Identitätswechsel als Rollentausch – das ist eine Option, dem Motto der dritten und letzten Netzkultur-Veranstaltung, „Identity sucks…“, Folge zu leisten. Geboten wurden daneben: Einblicke in das Selbstbild muslimischer Frauen auf Facebook; eine Selfie-Typologie von Justin Bieber bis zum NASA-Astronauten; praktische Hinweise zum rechtlichen Umgang mit Pseudonymen im Internet und Fragen nach der Veränderung von Nutzungsrechten in der digitalen Kulturproduktion.
Art und Aufbereitung der Einzelveranstaltungen reichten von nüchtern-wissenschaftlich bis zu spritzig-unterhaltsam: Während Christiane Frohmann mit Catchphrases aus dem Selfie-Universum einige Lacher für sich verbuchen konnte, stand bei den Vorträgen von Marcel Weiß und Granat On der sachliche Informationsaspekt klar im Vordergrund. Dr. Reyhan Şahin, besser bekannt als Lady Bitch Ray, betrat zwar von zwei Bodyguards flankiert die Räumlichkeiten der Berliner Festspiele – besonderen Sprengstoff boten ihre Ausführungen über eine geplante Dissertation zur Facebook-Nutzung mehr oder weniger gläubiger Musliminnen, die sich dann auch größtenteils in der Methodendarstellung erschöpften, nicht.
Internet = extraterrestial landing pack #taolin #nk1314
— Fabian Thomas (@thedailyfrown) 22. Februar 2014
Highlights wurden tatsächlich der mit Spannung erwartete Internet-Menschheits-Kultur-Rundumschlag des amerikanischen Schriftstellers Tao Lin, der zu einer leicht verspulten, aber dennoch hochgradig inspirierten Anti-Lecture inklusive Schopenhauer-Zitat geriet (hier online); das schottisch-japanisch-französische Universalgenie Momus durfte hingegen einmal im freien Vortrag, der eine glänzende literarische Selbstreflexion nebst Fabelwelt bot, und einmal im Live-Auftritt seiner irgendwo zwischen Vaudeville, Chanson und Easy-Listening angesiedelten Songs das Publikum, unter dem auch einige Hardcore-Fans eine geübte Walzersohle aufs Parkett legten, um sich scharen.
Und Momus soll auch hier das letzte Wort haben, das auch gut zur Uhrzeit des Veranstaltungsendes passt: „1:15 in the morning/whereever you are/Schopenhauer’s always there.“ Identity sucked; Netzkultur didn’t. And the curtain call most definitely rocked.
Fotos: Nokia 6610i, Galerie: Natalie Mayroth