Live aus Berlin: STILL im Frühling

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Wenn Donnerstagabend der neue Samstagabend ist, ist Freitagabend seit dieser Veranstaltung definitiv der neue Sonntagnachmittag: Die Reihe „lauthals“ lud das STILL Magazin zum Quasi-Best-Of nach zwei Ausgaben ein; es wurde ein entspannt verjazztes Frühlingsfest daraus.

Hätte nicht das nieselgraue Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht, der Abend hätte glatt in den Vorhof des Bethanien am Mariannenplatz verlegt werden können. So scharte man sich in Plastikstühlen um eine improvisierte Bühne mit Plüschsessel, wo nacheinander Meike Blatnik, Sonja vom Brocke, Andreas Bülhoff und Niklas Bardeli ihre Leseparts absolvierten; dazwischengestreut betont lockerer Wortspiel-Jazz von „Swing of the Stoneage“.

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Auswahl der Lesenden war, und da war sich auch am Ende das Abends das Publikum weitestgehend einig, angenehm disparat, über fehlende Abwechslung konnte sich nicht beschwert werden. Jedoch: Der hitzeflirrende spätpubertäre Jugendroman von Elvis Peeters, aus dem Meike Blatnik vortrug, fiel bei ganz genauer Betrachtung etwas aus der Reihe, konnte er doch an Komplexität und Originalität nicht so recht mit den folgenden Lesebeiträgen mithalten. Und die hatten es tatsächlich in sich: Sonja vom Brockes abstrakte Prosa, die von altägyptischen Hieroglyphen bis zu Wolfgang Priklopil beunruhigende bis verstörend bizarre Bildwelten entwarf; Andreas Bülhoff, der zwischendurch ganz auf das Vorlesen verzichtete und das Loop-Gerät voraufgezeichnete Text-Samples sprechen ließ; und schließlich Niklas Bardeli, dessen expressiver Vortrag inklusive nervösem Tic noch die banalsten Alltagsbeobachtungen mit dramatischer Wucht auflud – dafür hat sich das Kommen gelohnt.

Ein schön zusammengestelltes Fest also für den zwar einerseits noch nicht ganz eingetroffenenen Frühling, dafür aber andererseits für die Hybridität der Formen: Sowohl Blatnik als auch Brocke, Bülhoff und Bardeli entpuppten sich als Meister des Vortrags und ließen den Wunsch nach dem Nachlesen auf Papier oder in Buchform fast vergessen machen. Fair enough: Als einziges Buch war am Büchertisch ohnehin nur der klassischste Text, also Elvis Peeters‘ bei Blumenbar erschienener Roman Der Sommer, als wir unsere Röcke hoben und die Welt gegen die Wand fuhr erhältlich. Alles andere kann und sollte man sich bei anderer Gelegenheit nochmal live anhören, oder dann durchaus auch im kleineren Rahmen nachlesen, bis es mehr gibt, und zwar in den ersten beiden Ausgaben der STILL.

Zum Abschluss hier noch ein paar spontan notierte quirky Zitate der Lesenden:

  • „Einen richtigen Plan hatten wir nicht, wir improvisierten wie immer“ (Elvis Peeters)
  • „Fanta mit Pfiff“ (Sonja vom Brocke)
  • strafe und Strafe“ (Andreas Bülhoff)
  • „Ich will dich da treffen, wo die kleinen Füchse wohnen“ (Niklas Bardeli)