Auf der Suche nach dem Dorsch

kabeljau-dorschWas macht eine gute Lesereihe aus? Ist es der Ort, die Auswahl der Lesenden, das Publikum? Und was macht Kabeljau & Dorsch zu so einer guten Lesereihe?

Vermutlich die Kombination aller drei Punkte. Aber schauen wir einmal genauer hin. Am vergangenen Freitag öffnete das Gelegenheiten, ein alternativer Veranstaltungsraum in Berlin-Neukölln, nach einer kleinen Sommerpause wieder seine Türen für die neueste, inzwischen zwölfte (oder dreizehnte, zählt man eine Sonderausgabe im Prosanova-Festivalbus mit) Ausgabe von Kabeljau & Dorsch. Geladen waren fünf Autoren, die Texte aus allen Sparten zwischen Lyrik, Prosa und dem dramatischen Schreiben mitgebracht hatten.

Erstes Indiz für eine gute Lesereihe: Pünktlich und ohne große Umstände anfangen. Nach einer kurzen Anmoderation und während sich die letzten Gäste noch in den Eingangsbereich zwängen, eröffnet also Armin Steigenberger, Jahrgang 1965, aus München angereist, den Abend und entkräftet damit direkt einmal das Argument, nur junge Szeneliteratur aus Berlin gebe sich hier die Klinke in die Hand. Lyrik, gleichermaßen aus Chat-Fenstern abgelauscht und sich nachdenklichen Naturbildern hingebend: „Wir wachsen immer weiter zu/bis wir mit Grün überwuchert sind.“ Zweites Indiz: Fliegende Wechsel. Ehe man sich’s versieht, sitzt schon Anne-Kathrin Heier, u.a. diesjährige Klagenfurt-Kandidatin, am Leseplatz und liefert einen introvertierten Großstadttext ab, der laut eigenen Angaben noch am selben Tag geschrieben wurde – ein Hoch auf die Produktivität der jungen Literatur! Drittes Indiz: Immer auf die Mischung achten. Nach Lyrik und Prosa ist nämlich nun Österreicherin Gerhild Steinbuch an der Reihe, die einen atemlosen Theater-Monolog mitgebracht hat, der Bilder von Sterblichkeit und Liebe auftürmt, die, mal in Gebetston, mal wütend, schleichend eine immer packendere Wucht entfalten. Pause, Bier/Wein (die nicht zu gering zu gewichtenden Soft-Faktoren einer gelungenen Lesung), weiter mit Prosa, diesmal postmodern: Michael Wolf, Polizistensohn, lässt Medienwissenschaftler und Ornithologen hintereinander herjagen, dass es eine wahre Freude ist – darunter ein gewisser Polizistensohn namens Michael Wolf, der einen Laptop auf- und zuklappt. Viertes und letztes Indiz: Die Überraschung für das Ende aufheben, stehen doch mit der für den Schluss angekündigten Elsa Jach auf einmal vier weitere Personen am Mikrofon, die das Gelegenheiten für einen kurzen Moment in den wohl kleinsten Theatersaal Neuköllns verwandeln.

Gute Lesereihe: So geht es richtig! Wer die genannten Faktoren auf eigene Faust überprüfen möchte, ist eingeladen, sich selbst ein Bild zu machen. Jeden letzten Freitag im Monat, Weserstraße Ecke Elbestraße, Eintritt frei. Mitschnitte und Bilder unter www.kabeljau-und-dorsch.de.

Plakat: © Anky Brandt