Da rücken leiser auftretende Erzählprojekte im Schatten ihrer dickleibigen Kollegen schnell in den Hintergrund: In elliptischen Kapiteln verfasste Kurzromane wie Kai von Maruan Paschen (hier besprochen), Magisch-realistische Reisen wie Unterwegs nach Ochotsk von Eleonore Frey – oder aber auch ein Buch wie Geheimnisvolles Knistern aus dem Zauberreich von Xaver Bayer, der es wie kaum ein anderer versteht, seinen ganz eigenen erzählerischen Weg einzuschlagen, ohne dabei unter Verdacht der Kauzigkeit zu geraten. So bestand sein letztes bei Jung und Jung erschienenes Buch Wenn die Kinder Steine ins Wasser werfen aus nur einem Satz, den Bayer freilich mit einer olympischen Ausdauer über 119 Seiten ausstreckte. Kritiker seiner Werke bezeichneten Bayer als „Anti-Pop-Autor“ (Die Alaskastraße) und bescheinigten ihm eine „existienzielle Ernsthaftigkeit“ (Die durchsichtigen Hände).
Das trifft sicherlich auch auf seinen neuesten, ebenfalls sehr schön betitelten Band zu. Kein Roman, keine Erzählungen, eher autobiographische Skizzen, Miniaturen aus dem Alltagsleben kann man hier lesen, die auf intensive Weise Augenblicke festhalten, höchst detailliert, aber dabei nie den Leser überfordernd. „Ich bin stehen geblieben und habe – etwas länger als ein Zwinkern dauert – meine Augen geschlossen“, heißt es an einer Stelle, bevor sich die Sinnesorgane schärfen:
Ein Hauch des Geruchs nach frisch ausgeweißten Räumen, nach Räumen, die an den Tagen, da eine erste Ahnung von Frühling in der Luft liegt, offenstehen, und der Wind fährt inspizierend durch die Zimmer und nimmt die feinen Vorhänge sacht und etwas wollüstig mit sich, wenn er die Wohnung durch ein Fenster wieder verlässt. Und unten auf der Straße blickt einer in diesem Moment hoch zu dem Fensterviereck, aus dem ein weißer, dünner Vorhang weht, so wie ein in Seenot Geratener in einem Rettungsboot sein Hemd über dem Kopf schwenkt, als er ein Schiff am Horizont erblickt.
So geht dieser Abschnitt etwa zwanzig Zeilen weiter, dann ist Schluss. Die kurzen Kapitel des Bandes fangen Sinneseindrücke ein, Momente, denen man sonst so schnell keine Bedeutung schenken würde, und verwahren sie, ohne sie in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Aber gerade damit landet Xaver Bayer seinen Coup: Kunstvolle Prosa, in ihrer ganzen Bescheidenheit kühn, bedacht auf die verborgenen Winkel, und was es dort zu finden gibt.