
Im Stroemfeld Verlag entsteht in Zusammenarbeit mit dem Heidelberger Institut für Textkritik seit 1995 die historisch-kritische Franz Kafka Ausgabe. Als neuester Supplement-Band ist nun Das Schloss in einer hochwertigen Faksimile-Ausgabe erschienen. So soll ein unverstellter Blick auf die frühe Editionsgeschichte von Kafkas Werk ermöglicht werden.
Im Vergleich zum Prozess, der im edlen Leinen, mit gelbem Oberschnitt und Schutzumschlag einer Luxus-Variante des Romans am nächsten kommt (zumal wenn das Kleingeld für eine Erstausgabe fehlen sollte), erweckt das unscheinbare, graue Softcover der Schloss-Aufmachung auf den ersten Blick den Eindruck einer Studienausgabe. Tatsächlich handelt es sich aber um die genaue Reproduktion zwar nicht der ersten gebundenen, so doch der dritten, auch damals als einfache Broschur erschienenen Ausgabe noch aus dem Jahr nach der Ersterscheinung, also 1927. Ein Grund für die Entscheidung des Verlags für diesen Weg mag die besonder Bewandtnis sein, die es mit der Vorlage für die Herstellung des Faksimiles hat: Sie stammt aus dem Privatbesitz von Kafkas letzter Lebensgefährtin Dora Diamant, die sie wiederum dem Schauspieler Herman Greid zum Geschenk machte, wie man der handschriftlichen Widmung, datiert mit „Chanukka 5688“ (=1927), entnehmen kann, die auf der ersten Seite ebenfalls minutiös reproduziert ist.
Im Anhang informiert Roland Reuß über Entstehungsgeschichte und Editionsprozess; beigegeben sind auch Vorabdrucke aus der Frankfurter Zeitung und Anzeigen für das Börsenblatt, die die Bestrebungen des Kurt Wolff Verlags um eine starke Bewerbung des neuen Titels mithilfe von Hermann-Hesse- und Max-Brod-Blurbs („Franz Kafkas Faust-Dichtung“) dokumentieren. Frappierend, wie auch bereits beim Prozess, ist die schiere Dicke des Bandes: Die etwas mehr als 500, in einer groß gesetzten und sehr angenehm zu lesenden Garamond bedruckten Seiten wirken, auch aufgrund der Papierstärke, wie 700. Das Buch muss also in den Buchhandlungen ein echter Hingucker gewesen sein – und ist es jetzt wieder, dem Stroemfeld Verlag sei Dank.
Hat dies auf kafka on the road rebloggt und kommentierte:
Fünfhundert Seiten Kafka im Februar. Das sollte ich mir gut überlegen, ob ich das nervlich aushalten kann. Aber reizen tät michs schon…