Literaturblogs are broken

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Kindle Paperwhite Broken Screen Damage (Quelle: YouTube)

Drei schnelle Thesen darüber, was in Literaturblogs momentan falsch läuft.

Literaturblogs boomen. Aber was können sie wirklich? Diese – durchaus auch als selbstkritisch zu verstehenden – Thesen sollen die Aufmerksamkeit auf Problematiken, die gerade bei Blogs zu beobachten sind, lenken und zur Diskussion anregen: Über fehlende Distanz, Gefallsucht und Harmlosigkeit aus Prinzip.

1. Literaturblogs fehlt es an Distanz. Zum einen zum Gegenstand der Besprechung: Blogger werden als marketingrelevantes Instrument erkannt, bekommen – wie es bereits Praxis bei zahlreichen Verlagen ist – eigene, vorausgewählte Kontingente an Rezensionsexemplaren zugeteilt – und rezensieren so de facto für den Verlag. Zum anderen zum Auftraggeber: Blogger rezensieren (kostenlos!) im Auftrag, z.B. der Leipziger oder Frankfurter Buchmesse, die sich davon Reichweite versprechen und die Blogs ähnlich wie die Verlage als eine verlängerte Marketingabteilung betrachten.

2. Lesen wird durch Blogs in die comfort zone gedrängt. Bücher auf sepiatriefenden Instagram-Aufnahmen, mit einem duftenden Kaffee oder einem leckeren Stück Kuchen daneben, oder gleich dem Kuschelkissen mit Herzaufdruck – man muss nicht erst Kafkas Axt für das gefrorene Meer in uns bemühen, um festzustellen: Wenn Bücher lediglich als gemütliche Sonntagnachmittagsbeschäftigung verstanden werden, kann man sich die blumigen Besprechungen dazu auch gleich schenken.

Daraus folgt 3. Literaturblogger leiden unter Gefallsucht: Statt sich als Rezensenten ernst zu nehmen und souverän gegenüber ihrem Gegenstand zu verhalten, wird vertaggt und verlinkt, was das Zeug hält – damit der Verlag ja mitbekommt, was man Schönes über seine Neuerscheinung geschrieben hat. Schließlich muss ja auch Dankbarkeit für das kostenlose Rezensionsexemplar bezeugt werden! Darüberhinaus liegt hier ein grundlegendes Missverständnis vor: Den Beitrag an die Reichweite des Verlags zurückspielen statt eigene Reichweite zu nutzen oder überhaupt erst aufzubauen, stellt die klassische Funktion des Mediums auf den Kopf.

Einsprüche? Widerreden? Discuss!

Line By Line: Emily Dickinson In The Box

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Lyrik im E-Book – da trauen sich derzeit noch nicht so viele Verlage heran, zu orchideenhaft-winzig scheint der digitale Markt, um auch noch die Orchideenabteilung der Literatur dort heimisch zu machen.

Auch technisch steht der optimalen Präsentation des Genres, wie die New York Times weiß, noch einiges entgegen – auch wenn sich das langsam ändert: Line by Line, E-Books Turn Poet-Friendly, so hieß ein schöner Artikel im vergangenen Herbst.

Gerade der ehrwürdige Hanser Verlag, eine der letzten unabhängigen Bastionen der guten alten Verlagskultur, hat sich nun herangewagt an ein E-Book mit Gedichten: Die Hanser Box Emily Dickinson und der Wind präsentiert 33 Gedichte, eingeleitet und (schön!) einzeln kommentiert von Gunhild Kübler. Siehe da – geht doch! Und sieht sogar ganz gut aus (was man zu einem Teil aber auch Dickinsons elegantem Zeilenschwung zu verdanken hat).

Das 2,99 € billige Schmankerl fungiert gleichsam als Kostprobe und Appetitanreger für die prächtige Gesamtausgabe sämtlicher Dickinson-Gedichte, die der Verlag dieses Jahr voller stolz in Original und Übersetzung auftischt. Für den wirklichen Fan lohnen sich aber freilich beide Anschaffungen – der kenntnisreiche Küblersche Kommentar findet sich nämlich nur in the box!