Erzählen, bis es wehtut

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Sieht so der große Wurf aus? Vielleicht. Matthias Nawrat wagt sich in seinem dritten Roman an die eigene Familiengeschichte, die voller wundersamer Episoden steckt.

Auf der stilistischen Ebene sind dabei die Parallelen zum Vorgänger Unternehmer unverkennbar: Noch das größte historische Ereignis wird mit dem Verständnishorizont der Enkel wiedergegeben, die den Geschichten des Großvaters zuhören. Neu hinzu kommt dagegen die Spielart des Schelmenromans, die Nawrat gekonnt einsetzt, um die teilweise schier unglaublich erscheinenden Episoden zu auszuschmücken. Hart an die Schmerzgrenze geht es vor allem in den Passagen, die im KZ Auschwitz spielen (das im Roman konsequent nur als Oświęcim vorkommt):

Und so richtete sich unser Opa Jurek in den nächsten Tagen, nach einigen unabdingbaren Hygienemaßnahmen wie etwa einem Friseurbesuch, in den Räumlichkeiten ein, die ihm und seinen neuen Mitarbeitern zur Unterbringung gestellt worden waren, und dann begann ein Alltag, wie ihn wohl jeder kennt, der eine Weile für eine Firma im Ausland tätig gewesen ist.

Auf diese Weise entsteht an vielen Stellen des Romans ein ganz eigener Verfremdungseffekt, der auch bekannt geglaubte Szenen der europäischen Geschichte in einem neuen Licht erscheinen lässt. Matthias Nawrats feines Sprachgefühl macht das Lesen dabei zu einem unbändigen Vergnügen – man will diesen Roman nicht mehr aus der Hand legen!

Matthias Nawrat: Die vielen Tode unseres Opas Jurek. Rowohlt Verlag, 416 Seiten, 22,95 €

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