Erkundungen im ewigen Weiß

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Eines der ungewöhnlicheren Bücher in diesem Herbst kommt von Maren Kames: Ihr Debüt Halb Taube Halb Pfau mischt Prosa, Drama und Lyrik und ist Studie über die Überwindung der Einsamkeit.

Halb Taube Halb Pfau lässt sich auf viele Arten lesen: Gleich zu Beginn wird das Ich auf eine Art Expedition geschickt, in eine arktische Landschaft, die aber eher in der Vorstellung als der Realität verortet scheint. Es handelt sich um ein ewiges Weiß, in dem die Orientierung verlorengeht, das aber dennoch kartografiert und ausgekundschaftet werden muss: Mit Expeditionshut (beige) und Stirnlampe machen sich Erzähler und Leser an der Landschaft zu schaffen.

Hier geht es um eine Suche nach Nähe, Austausch, Überwindung einer grundlegenden Einsamkeit. Das quasi-wissenschaftliche Vokabular, mit dem Maren Kames operiert, erfüllt dabei zwei Funktionen: Es setzt einerseits die rationale Auseinandersetzung dem Gefühlsüberschwang als ein Gleichgewicht gegenüber; gleichzeitig entlarvt es sich aber auch selbst, indem es die eigene Unzulänglichkeit zur Schau stellt. Der weißen Eiswüste ist eben nicht so einfach beizukommen mit Tropenhelm oder Stirnlampe.

Mittels Rückblenden in Familien- und Kindheitsszenen fügt Kames zeitliche Ebenen hinzu, wobei sie mit den Gattungen frei hantiert: mal dialogisch, mal lose rhythmisch geordnet, teils in Kaskaden, teils Zeile pro Zeile, Seite für Seite, mit viel Raum dazwischen, wird das Material arrangiert.

Man kann mit diesem Buch auf eine sinnliche Reise gehen. Dazu tragen auch in den Text eingestreute Kurz-Hörstücke bei, die das Geschriebene mündlich aufgreifen, variieren und musikalisch untermalen. Ein im Wortsinne Grenzen überschreitendes Buch, das vom Verlag übrigens ein Sonderformat und einen prächtig schillernden Leineneinband spendiert bekommen hat – und ein bemerkenswertes Debüt!

Maren Kames: Halb Taube Halb Pfau. Secession Verlag für Literatur, 150 Seiten, 35 €

Dieser Artikel erscheint zur Frankfurter Buchmesse 2016. Maren Kames stellt Halb Taube Halb Pfau an folgenden Terminen vor:

Mittwoch, 19. Oktober, 20 Uhr, Hessisches Literaturforum im Mousonturm: Debütantenball Deluxe mit Maren Kames, Stephan Reich, Philipp Winkler, Julia Wolf

Freitag, 21. Oktober, 17 Uhr, Open Books im Frankfurter Kunstverein: Junges Doppel II mit Bastian Asdonk und Maren Kames

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