Wir gehen in den Tod, sagten wir ihm

Nach Unterwegs nach Ochotsk (2014) legt Eleonore Frey ihr zweites Buch im Engeler-Verlag vor: Waldleute ist ein kurzer Band von gerade einmal 80 Seiten. Das Thema könnte aber größer nicht gewählt sein.

Es geht um das Altern, Tod und deren Stellung in der Gesellschaft. Die Form ist dabei nicht die eines Essays oder Traktats – Eleonore Frey erzählt einfach. Die Wir-Perspektive, die sie dabei wählt, mag auf den ersten Blick etwas umständlich wirken. Tatsächlich passt sie genau.

Die Erzählerin, deren Alter nicht genauer bestimmt wird, nimmt einen schon etwas älteren Herrn zum Untermieter, der vom einen auf den anderen Tag beginnt, Reisevorbereitungen zu treffen, um sich schließlich frühmorgens auf den Weg in den nahe gelegenen Wald zu machen. Neugierig geworden, beschließt die Erzählerin ihm zu folgen und trifft am Waldrand auf eine ganze Gruppe älterer Männer und Frauen, die kurz darauf von einem „Waldhüter“ begrüßt und in den Wald geführt werden.

Was macht ihr hier? Wollte das Kind von uns wissen. Wir gehen in den Tod, sagten wir ihm.

Die Erzählung folgt in kurzen Kapiteln nun der Gruppe der „Waldleute“ und ihren Erlebnissen: Hier geht einer verloren, da stößt jemand dazu, es tauchen fantastische Figuren wie „der Wiedergänger“ und „der wilde Mann“ auf, bis die Wanderung der Waldleute schließlich an einem Forsthaus endet. Was als einfacher Bericht beginnt, entpuppt sich beim Lesen mehr und mehr als parabelartige Erzählung über den Platz der Alten in der Gesellschaft. Den Clou macht dabei Eleonore Freys kühne Idee aus, dass ihre „Waldleute“ sich in einer umgedrehten Hänsel-und-Gretel-Bewegung freiwillig aus der Gesellschaft entfernen, um im Wald kurzerhand zu verschwinden, bevor sie jemandem zur Last fallen können. Der 1939 geborenen Autorin gelingt damit ein in seiner Durchdachtheit, Konsequenz und aufs Wesentlichste beschränkten Konzentration ein so radikales wie nachdenklich machendes Stück Literatur.

Eleonore Frey: Waldleute. Engeler-Verlag 2018, 80 Seiten, 19 €