konkret erweitert

Es ist wohl die meistdiskutierte Hauswand der jüngeren Literaturgeschichte: Mittlerweile prangt an der Alice-Salomon-Hochschule Barbara Köhlers Gedicht „Sie bewundern“ und hat die vielgescholtenen „Avenidas“ von Eugen Gomringers ersetzt.

Mit ungleich weniger Lärm hat sich der Reclam Verlag nun zusammen mit Eugen Gomringer an eine Neuauflage der selbst schon Klassiker gewordenen Anthologie konkrete poesie gemacht, die erstmals 1972 erschienen ist. Und das ist ganz erfreulich: Die ursprünglich ausgewählten siebzehn Autoren von Friedrich Achleitner bis Wolf Wezel wurden nicht angetastet, was auch wirklich schade z.B. um die wunderschönen Textgebilde von Claus Bremer wäre, hinzu kommt aber ein ganzer Schwung neuer Gesichter: Michael Lentz und Cia Rinne dürften dabei für Lyrik-Leser die bekanntesten sein, Ute Bernhard, Friedrich W. Block, Ferdinand Kriwet und Axel Rohlfs hatten bisher eher Berührungspunkte im Kunstbetrieb oder der visuellen Kommunikation, Ingrid Isermannn und Volker Roman Seitz dürften am ehesten zu den dark horses zählen.

Auszug aus Hannes Bajohrs „Erotica“

Besonders aber die Aufnahme des für seine konzeptuelle, dem Digitalen verpflichtete Lyrik Hannes Bajohrs ist erfreulich: Hier zeigt sich ein Anknüpfungspunkt für die Konsequenz und Zukunftsfähigkeit der Form, Unkenrufen wie etwa dem von Michael Braun zum Trotz.

Eugen Gomringer (Hrsg.): konkrete poesie. Erweiterte und aktualisierte Ausgabe. Reclam Verlag 2018, 271 Seiten, 8,80 €