Aber Ivan Blatný gab es wirklich, und seine Lebensgeschichte ist tatsächlich so irrwitzig, wie Nenik sie beschreibt: Als bereits gefeierter junger Schriftsteller in der Tschechoslowakei setzt er sich in den späten vierziger Jahren, nach der Machtübernahme der Kommunisten, nach London ab und flüchtet sich aus wohl teils realer, teils eingebildeter Angst vor der Verfolgung durch den Geheimdienst in die Psychiatrie, wo er, im geschützten Raum des Exils, aber auch isoliert in einem fremden Land, bis zu seinem Tod weiterschreibt. Eine Krankenschwester rettet einige Texte, die regelmäßig im Müll landen, vor der Vernichtung, der kanadische Exilverlag Sixty-Eight Publishers veröffentlicht sie Ende der siebziger Jahre. In der Edition Korrespondenzen ist mit Hilfsschule Bixley nun auch der zweite Band auf Deutsch erschienen, übertragen von Jan Faktor und Annette Simon, die behutsam die Mehrsprachigkeit der Originale erhalten haben:
Der Weg ist mit Sternen übersät
La route est semée d’étoiles
und eine Symbolgestalt geht durch dunkle HaineWer hätte gedacht dass eine Hummel stechen könnte
die kleine FilzkugelDie Hummel ist ein Hochzeitssymbol im Gedicht in der fremden Wohnung
oberhalb der Stadt hummelt ein FlugzeugThe guest star is Bing Crosby
the guest star is Bob HopeThe bumble-bee may be also called humble-bee
they humbly suck the nectar
without being able to build a hive.
Wobei es mit dem Übertragen so eine Sache ist: So berichtet Marie Luise Knott eingehend auf Tagtigall über die Collagenhaftigkeit und die Besonderheiten der Übersetzung von Ivan Blatnýs Texten, die frei zwischen dem Tschechischen, Englischen, Deutschen und Französischen changieren.
Ivan Blatný, der 1990 in England gestorben ist, hat seine Heimat Tschechien nicht mehr wiedergesehen, auch wenn er die „Samtene Revolution“ noch miterleben durfte. Auf der Leipziger Buchmesse, die dieses Jahr Tschechien als Gastland begrüßt, wird sein Werk zweimal vorgestellt: Die Übersetzer präsentieren zusammen mit Verleger Reto Ziegler am Messesamstag Hilfsschule Bixley als zentrales Werk der tschechischen Literatur des 20. Jahrhunderts (13 Uhr, Forum DIE UNABHÄNGIGEN, Halle 5 Stand H309); am selben Tag spricht Jan Faktor mit Erika Preisel von literadio noch einmal über die Übersetzung (16.30 Uhr, IG Autorinnen Autoren, Halle 4, E209).
Ivan Blatný: Hilfsschule Bixley, Edition Korrespondenzen, 240 Seiten, 22 €