Körper, Stimme, Raum

Mit oder ohne Requisiten, in unterschiedlichsten Räumen, akustisch oder mit Technik: An drei Abenden loteten Autorinnen und Autoren beim Festival KOOK.MONO die Grenzen der Sprachperformance aus.

Michael Fehr braucht gar keine Hilfsmittel. Nur geleitet von einem Spot durchmisst er mit großen Schritten den Tanzboden des Dock 11 und versetzt nur durch das Erzählen mit heiserer Stimme die Zuhörerinnen und Zuhörer in eine dunkle Waldszene. Rike Scheffler hat ein ganzes Set mit Loopstation, Mischpult und zwei Mikrofonen aufgebaut und baut im ausland live eine Audiocollage zusammen, die auf den Klängen eines Wasserglases basiert.

Die Soundanlage von Rike Scheffler

Wie sich Geschriebenes zu Gesprochenem verhält, und was Stimme überhaupt ist, darum kreisen im Anschluss an jedem Abend ausführliche Nachgespräche. Festzuhalten ist: Jede der in der Lettréteage, im Dock11 oder im ausland zur Aufführung kommenden Performances hat ihre eigene, intensive Atmosphäre. Ob hypnotisch, wie in Enis Macis Essay über die Geschichten ihres Großvaters, oder exotisch-botanisch wie bei Sonja vom Brocke, die während ihrer Lesung Pflanzennamen aneinanderreiht und auf anregend-erregende Weise den biologischen Prozess der Photosynthese beschreibt. Von einer abgespaceten Lecture-Performance im Samenspeicher bei Daniel Falb auf Spitzbergen bis zum Sprechtext über Teufel im Leipziger Pflegeheim bei Martina Hefter: Die Bandbreite war groß, die Themen höchst unterschiedlich. Gemeinsamkeiten gab es aber auch: Die Nähe von Vortrag und Gesang rückten Enis Maci, Senthuran Varatharajah und Rike Scheffler gleichermaßen in den Vordergrund, bei Max Wallenhorst auch in der Form von Verzerrung und als bisweilen komischen Verfremdungseffekt. Christiane Heidrich war ausschließlich aus den Bluetooth-Boxen zu hören, die sie mit robotergleichen Bewegungen durch den Raum trug. Das vorab aufgenommene Gedichtmaterial war von einem mechanisch-montonen Tonfall, die Szenerien kühl und futuristisch. Die Abwesenheit des Sprechers und Loslösung der Stimme vom Körper wiederum demonstrierte der Vortrag von Senthuran Varatharajah und Trang Tran Thu, der zeitweise im komplett abgedunkelten Raum nur über Lautsprecher zu hören war.

Requisiten (Teufel) von Martina Hefter

Als vertrackt erwies sich der Beitrag von Mara Genschel: Mit einem eigens produziertem „Hilfsbuch“ legten sie dem Publikum den Text ihrer Performance vorab vor. Der Vortrag selbst wiederum war eine Reflexion über das öffentliche Sprechen, das Memorieren von Text, und das Misslingen des Ganzen. Dementsprechend vorgeführt wurde das Ganze dann unter Mithilfe des Publikums, das Stichworte in den Raum rief, wenn die Autorin im Text nicht weiterwusste.

Die Elemente Körper, Stimme und Raum wurden bei KOOK.MONO immer wieder neu verhandelt, miteinander verknüpft oder auseinanderdividiert. Das Festival erwies sich dabei als Labor für die Erprobung neuer Performance-Formate, die unter allen Beteiligten eine große Dynamik freisetzten.

Fixpoetry hat zum Nachlesen Textauszüge der Beteiligten online gestellt: Sonja vom Brocke, Daniel Falb, Michael Fehr, Mara Genschel, Martina Hefter, Christiane Heidrich, Tabea Xenia Magyar, Rike Scheffler, Anja Utler, Senthuran Varatharajah und Max Wallenhorst. Beim Merkur gibt es außerdem drei empfehlenswerte Essays von Veranstalterin Josepha Conrad sowie Martina Hefter und Senthuran Varatharajah. In Berichten und Interviews begleitet hat das Festival Sirka Elspaß im Veranstaltungsblog auf kookverein.de.

Poesie gegen rechts oder was?


Jörg Albrecht, Gerhild Steinbuch, Thomas Arzt, Sandra Gugić (Foto: Sabrina Richmann)

Vom 14. bis zum 17. Juni verwandelt sich das Ballhaus Ost in Berlin Prenzlauer Berg in einen gigantischen Think Tank: Unter dem Motto „Ängst is now a Weltanschauung“ hat das Künstler*innenkollektiv Nazis & Goldmund über 40 Autor*innen, Publizist*innen, Blogger*innen und Künstler*innen aus anderen Bereichen zum Diskurs geladen.

Drei Gesprächs- und Arbeitsgruppen werden die Konferenz grob strukturieren, Input liefern ihnen Keynote Lectures von Olga Flor, Kübra Gümüşay und Reinhard Olschanski. Für weitere Inspiration sorgen Keynote Lectures, etwa von Kathrin Röggla und Fiston Mwanza Mujila. Ansonsten soll über die drei Tage hinweg aber frei und dezentral zusammengekommen und nachgedacht werden: Morgens beim Yoga in der „Ängst-Detox-Session“, abends beim DJ-Set mit Thomas Meinecke oder dazwischen bei Livestream Lectures per Skype und Diskussionen zum Umgang mit den Identitären.

Programmheft zur Konferenz (Foto: Sabrina Richmann)

Teilnehmer Fiston Mwanza Mujila (Foto: Sabrina Richmann)

„Im Zentrum steht die Sprache“, so die Konferenzmacher*innen Jörg Albrecht, Thomas Arzt, Sandra Gugić, Thomas Köck und Gerhild Steinbuch. „Wie können sich Kunst und Literatur angesichts des Vormarschs der Neuen Alten Rechten und ihrer Vereinnahmung von Sprache verhalten? Die Konferenz ruft zur Auseinandersetzung mit diesem Übergriff auf, sucht nach Möglichkeiten einer gemeinsamen Sprache und bietet Raum, um aus dem künstlerischen Einzelkämpfer*innendasein herauszutreten und kollektive Prozesse in Gang zu setzen.“

Ängst is now a Weltanschauung. Eine Literaturkonferenz zur Erosion des Demokratischen. 14. bis 17. Juni 2018, Ballhaus Ost, Pappelalle 15, 10437 Berlin. Eintritt 10 € für alle Konferenztage.

Klarstellung: Der Autor ist als Social Media Koordinator in die Konferenz eingebunden.

Auf der Suche nach dem Dorsch

kabeljau-dorschWas macht eine gute Lesereihe aus? Ist es der Ort, die Auswahl der Lesenden, das Publikum? Und was macht Kabeljau & Dorsch zu so einer guten Lesereihe?

Vermutlich die Kombination aller drei Punkte. Aber schauen wir einmal genauer hin. Am vergangenen Freitag öffnete das Gelegenheiten, ein alternativer Veranstaltungsraum in Berlin-Neukölln, nach einer kleinen Sommerpause wieder seine Türen für die neueste, inzwischen zwölfte (oder dreizehnte, zählt man eine Sonderausgabe im Prosanova-Festivalbus mit) Ausgabe von Kabeljau & Dorsch. Geladen waren fünf Autoren, die Texte aus allen Sparten zwischen Lyrik, Prosa und dem dramatischen Schreiben mitgebracht hatten.

Erstes Indiz für eine gute Lesereihe: Pünktlich und ohne große Umstände anfangen. Nach einer kurzen Anmoderation und während sich die letzten Gäste noch in den Eingangsbereich zwängen, eröffnet also Armin Steigenberger, Jahrgang 1965, aus München angereist, den Abend und entkräftet damit direkt einmal das Argument, nur junge Szeneliteratur aus Berlin gebe sich hier die Klinke in die Hand. Lyrik, gleichermaßen aus Chat-Fenstern abgelauscht und sich nachdenklichen Naturbildern hingebend: „Wir wachsen immer weiter zu/bis wir mit Grün überwuchert sind.“ Zweites Indiz: Fliegende Wechsel. Ehe man sich’s versieht, sitzt schon Anne-Kathrin Heier, u.a. diesjährige Klagenfurt-Kandidatin, am Leseplatz und liefert einen introvertierten Großstadttext ab, der laut eigenen Angaben noch am selben Tag geschrieben wurde – ein Hoch auf die Produktivität der jungen Literatur! Drittes Indiz: Immer auf die Mischung achten. Nach Lyrik und Prosa ist nämlich nun Österreicherin Gerhild Steinbuch an der Reihe, die einen atemlosen Theater-Monolog mitgebracht hat, der Bilder von Sterblichkeit und Liebe auftürmt, die, mal in Gebetston, mal wütend, schleichend eine immer packendere Wucht entfalten. Pause, Bier/Wein (die nicht zu gering zu gewichtenden Soft-Faktoren einer gelungenen Lesung), weiter mit Prosa, diesmal postmodern: Michael Wolf, Polizistensohn, lässt Medienwissenschaftler und Ornithologen hintereinander herjagen, dass es eine wahre Freude ist – darunter ein gewisser Polizistensohn namens Michael Wolf, der einen Laptop auf- und zuklappt. Viertes und letztes Indiz: Die Überraschung für das Ende aufheben, stehen doch mit der für den Schluss angekündigten Elsa Jach auf einmal vier weitere Personen am Mikrofon, die das Gelegenheiten für einen kurzen Moment in den wohl kleinsten Theatersaal Neuköllns verwandeln.

Gute Lesereihe: So geht es richtig! Wer die genannten Faktoren auf eigene Faust überprüfen möchte, ist eingeladen, sich selbst ein Bild zu machen. Jeden letzten Freitag im Monat, Weserstraße Ecke Elbestraße, Eintritt frei. Mitschnitte und Bilder unter www.kabeljau-und-dorsch.de.

Plakat: © Anky Brandt

Schreiben, was man so fühlt

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Ein gewalttätiger Vater, eine passive Mutter, und auch die anfangs von gute Beziehung zum Bruder geht in die Brüche: Es gibt nur wenige tröstliche Stellen in Kerstin Preiwuß‘ Roman Restwärme.

Marianne kehrt zur Beerdigung ihres Vaters noch einmal in ihr Heimatdorf und zu ihrer Mutter zurück. Eigentlich hat sie mit ihrer Vergangenheit längst abgeschlossen, wenn da nicht die Geschichten wären, die sich wieder in den Vordergrund drängen.

Eine Art des Umgangs der Erzählerin mit der geradezu erstickenden Atmosphäre, die sie umgibt, ist das Streifen durch die Natur rings um ihr Elternhaus: Klar, kalt und ruhig bildet sie das Gegengewicht zu den aufwühlenden Erinnerungen. Eine andere ist das Aufschreiben selbst. Das wird klar in einer Episode, als es um ein Tagebuch geht, das Marianne, frisch verliebt, anlegt, und es ist vielleicht die schönste Stelle im ganzen Roman:

Sie will etwas schreiben, etwas von sich. Lange sitzt sie so da, bis ihr die Ellenbogen schrundig werden, aber nichts kommt. Irgendwann senkt sie den Stift, schreibt, stockt, streicht durch, schreibt. Was man so fühlt. Das ist neu. Die Welt wird veränderbar.

Und darin steckt auch die Besonderheit dieses Romans, die ihn auch mit dem vorangegangenen Gedichtband Rede verbindet: Die Betonung des Aufschreibens, Artikulierens, das Aufnehmen des Schaffensprozesses in die Erzählung selbst. The Daily Frown meint: Trotz Trauma – lesenswert!

Kerstin Preiwuß: Restwärme. Berlin Verlag, 224 Seiten, 18,99 €

Buchpremiere in Berlin am 21. August 2013, 20:30 Uhr, ocelot, not just another bookstore

Erich Mühsam (1878-1934): Ein Überblick für Einsteiger

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„Ob sich in 80 oder 100 Jahren mal jemand findet, der meine Tagebücher der öffentlichen Mitteilung für wert halten und herausgeben wird, kann ich nicht wissen.“
 
Auf den Tag genau vor achtzig Jahren ist der Dichter, Dramatiker, Herausgeber und emsig Tagebuch schreibende Anarchist Erich Mühsam gestorben, von der Wachmannschaft im KZ Oranienburg erschlagen.

Seine Schriften sind lebendig wie nie. Der Verbrecher Verlag, der vor zwei Jahren mit der Herausgabe von Mühsams umfangreichen Tagebüchern begann, erfreut sich anhaltend guter Presse, die jeden der bis jetzt herausgekommenen Bände mit Begeisterung aufgenommen hat. Und das hat viele Gründe: Erich Mühsam war nie nur politischer Denker und Agitator, sondern immer auch im Literatur- und Bohemebetrieb seiner Zeit engagiert und bekannt als lebenslustiger Mensch, wie in den frühen Tagebuchaufzeichnungen deutlich erkennbar ist.

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Eintrag vom 3. Oktober 2011 (Quelle: muehsam-tagebuch.de)

Zum Mühsam-Jahr gibt es nun auch ein im Softcover produziertes Mühsam-Lesebuch, das in einer entlang der Biografie getroffenen Auswahl Lieder und Texte außerhalb des Tagebuch-Korpos umfasst. Außerdem entstand aus dem Umkreis der Herausgeber des Lesebuchs, in der Formation Der singende Tresen, die schöne Idee, eine CD mit Mühsams Liedern zu produzieren. Diese wurde erfolgreich ins Crowdfunding gegeben und erscheint diese Woche unter dem Titel Mühsam Blues.

Der Verlag zieht nach mit einer Einzelheft-Edition als E-Book, die die ohnehin schon vorbildlich edierte kritische Ausgabe aus muehsam-tagebuch.de glänzend ergänzt. Zum Abschluss ein kurzer Auszug aus dem Lesebuch „Das seid ihr Hunde wert“, der Erich Mühsams Einstellung zu seinem eigenen Schaffen sehr treffend charakterisiert und gerade vor dem Hintergrund seiner brutalen Ermordung durch die Nationalsozialisten einen herben Beigeschmack bekommt – aus dem autobiographischen Text „Auf zwei Gäulen“ von 1924:

Die Arena des politischen Kampfes, des Meinungskampfes, hat mich bisher nicht freigegeben, wird mich auch nie freigeben, solange nicht Ziele erreicht sind, die nicht die Ziele der Leser diese Bekenntnisse sind. Politische Memoiren gedenke ich somit in absehbarer Zeit nicht zu schreiben. Vielleicht werde ich einmal im Rollstühlchen sitzen, müde, runzlig und resigniert – dann mag meinetwegen auch auf dem Gebiet des sozialen Geschehens der erzählende Schriftsteller den Agitator, Propagandisten und auf öffentliches Wirken bedachten Menschen ablösen. Die Frage erhebt sich: Lässt sich Leben und Schicksal eines in verschiedenen Bezirken geistiger Regsamkeit tätigen Individuums im Ausschnitt betrachten? Kann ich den Teil meiner Daseinsbemühungen, der um Wandlung von Welt und Gesellschaft geht, herausnehmen aus meinen Erinnerungen und Rückschau halten nur auf Begebenheiten, die außerhalb des politischen Kampfplatzes geschahen? Ich glaube, das wird möglich sein. Gerade meine Vergangenheit lief viele Jahre auf zwei getrennten Geleisen, und wenn die Schienen auch manchmal einander eng berührten oder selbst schnitten, so war ich doch streng bedacht, die Züge, deren einen ich als Passagier benutzte, deren anderem ich die Weichen zu stellen strebte, nicht aneinanderfahren zu lassen.

Mühsam für Einsteiger – Vorsicht Suchtfaktor!

Erich Mühsam: Die Tagebücher (bereits erschienen: Band 1-6)
Online-Variante der Tagebücher mit Fußnoten
Erich Mühsam: Das seid ihr Hunde wert. Ein Lesebuch
Der singende Tresen: Erich Mühsam Blues
Erich Mühsam: Die Tagebücher in Einzelheften (E-Book)

Und ein Tipp für alle Berliner: Am 12. Juli findet am Ostkreuz ein großes Erich-Mühsam-Fest statt, mit Musik, Lesungen und Gesprächen!

Fotonachweis: Bundesarchiv / Wikimedia Commons

In eigener Sache: Electric Book Fair

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Am Samstag, den 21. Juni 2014 findet im Berliner Supermarkt ganztägig die Electric Book Fair statt – mitorganisiert von Fabian Thomas, dem Herausgeber von The Daily Frown. Zwischen Lesungen, Diskussionen und E-Book-Leseecken soll ein Brückenschlag für eine neue digitale Lesekultur stattfinden. Zu Gast sind Richard Nash, Johannes Thumfart, Anne Waak, Elisabeth Ruge, Kathrin Passig und viele andere.

Mehr Informationen und Programm unter electricbookfair.de

Lauer Sommerabend mit Apokalypse

Ein angenehm apokalyptischer Abend: Georg Leß las von Haushaltsunfällen und Glühwürmchen, Sonja vom Brocke führte in die Intimität plastischer Phantasiewelten, Yevgeniy Breyger machte einen Ausflug ins politische Theater und Daniela Seel brachte ganz neue Gedichte aus Island mit.

In der Berliner Galerie oqbo läutete das Viererteam die neue Reihe KOOK.Lyrik@oqbo ein, bei der in unregelmäßiger Folge zwei- bis dreimal im Jahr neue Stimmen der Gegenwartslyrik zu hören sein werden. Das Thema „Apokalypse“, auf den sich alle Lesenden scheinbar zufällig bezogen, spiegelte sich in den eigens für den Abend gehängten Bildern von Mark Booth wider, der auf Wasserfarben-Basis geometrische Formen mit fragmentarischen Textstellen kombinierte.

Daniela Seel brachte im anschließenden Gespräch noch einmal die ganz großen Fragen nach der Inspiration, dem Schreiben und Lebensentwürfen zwischen Literatur und beruflichem Alltag auf den Tisch, tatsächlich wirkte diese Abschlussrunde aber, vielleicht auch bedingt durch den lauen Sommerabend, wie eine lockere Küchenplauderei unter Freunden.

Die Galerie oqbo begeht gerade übrigens ihre Festwochen, die am 14. Juni mit einer kleinen Party einschließlich Kunst-Tombola zu Ende gehen. Über die nächsten KOOK-Termine kann man sich auf oqbo.de und kookbooks.de informieren.

Prosanova-Prequel 2: On Photography

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Am 29. Mai beginnt in Hildesheim zum vierten Mal das deutschlandweit größte Festival für junge Literatur: PROSANOVA 2014. Zur Einstimmung erscheinen an dieser Stelle in den kommenden Wochen, willkürlich, ungeordnet und streng subjektiv, Fundstücke und Eindrücke aus den vergangenen Jahren.

Juliane Henrich hat das Bild der jungen Gegenwartsliteratur entscheidend mitgeprägt: ihre Autorenfotos von Katharina Hartwell, Thomas Pletzinger, Kevin Vennemann und zahllosen anderen sind auf Buchumschlägen und in Zeitungsporträts verewigt, die jeder schon einmal in der Hand gehabt haben müsste. In den Jahren 2008 und 2011 war Juliane Henrich auch auf dem Prosanova-Festival in Hildesheim und hat festgehalten, was sie gesehen hat. Und das ist, gerade im Rückblick, großartig anzuschauen: Die Bilder von 2008, die mit ihrem leichten Gelbstich locker noch einmal zehn Jahre älter aussehen; wie ein blutjunger Finn-Ole Heinrich seinen Teller leerschaufelt, Mara Genschel über einen winzigen Lautsprecher aus ihrem Debüt Tonbrand Schlaf liest und Ann Cotten abenteuerlustig in die Ferne schaut; und auch die Wiese in der Mackensen-Kaserne 2011, die Schreibmaschinen und die Kühlschrankpoesie scheinen auf einmal ziemlich weit weg zu sein, aufgehoben in einem fernen, guten Traum.

Mehr Literaturfotografie auf Juliane Henrichs Portfolio-Seite litpic.net

Prosanova 2011
Prosanova 2011 © Juliane Henrich

Prosanova-Prequel 1: Behördengang mit Parschtschikow

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Am 29. Mai beginnt in Hildesheim zum vierten Mal das deutschlandweit größte Festival für junge Literatur: PROSANOVA 2014. Zur Einstimmung erscheinen an dieser Stelle in den kommenden Wochen, willkürlich, ungeordnet und streng subjektiv, Fundstücke und Eindrücke aus den vergangenen Jahren.

Der Prosanova-Freitag 2011, 12.30 Uhr. Noch etwas scheu und zaghaft versammeln sich Neugierige in dem einer Amtsstube nachempfundenen Wartesaal irgendwo auf dem Festivalgelände, es werden Nummern ausgegeben, eine strenge Dame im Kostüm bellt Ordnungsrufe und weist übereifrige Fotografen zurecht. Dann wird man (schnell, schnell, das ist hier schließlich kein Kaffekränzchen) mit vielleicht zehn anderen Personen in einen kahlen Raum mit Betonwänden bugsiert, mittendrin ein riesenhafter, geradezu ätzenden Gestank verströmender Ölkanister. Hendrik Jackson tritt an das Lesepult. Liest, erst in dröhnendem Russisch, dann auf deutsch aus Alexej Parschtschikows Erdöl-Gedichten. Und alles passt zusammen.

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Lesung via Soundcloud anhören – Dank an litradio!