von Daniel Stähr
In den vergangenen Wochen hat die Aktie des Spielehändlers GameStop explosionsartig an Wert gewonnen. Hedgefonds wie Melvin Capital, die auf fallende Kurse gewettet hatten (sogenannte Shorts, bzw. das Shorten einer Aktie), wurden an den Rand des Ruins gebracht. Dahinter steht eine mehr oder weniger abgesprochene Aktion von Nutzer*innen des Reddit Unterforums WallStreetBets, deren Ziel es war, in GameStop zu investieren, um so den Preis der Aktie nach oben zu treiben. Seitdem beobachtet die gesamte Welt fasziniert, wie Reddit die Wall Street Giganten ins Wanken bringt. Die Hintergründe, wie genau Shorts funktionieren, und wieso die Verluste bei stark steigenden Kursen so hoch sind, wurden inzwischen umfassend erläutert (oder wie hier von Angela Göpfert).
Wie lassen sich solche Phänomene, die scheinbar unvereinbar sind mit der traditionellen Theorie der Wirtschaftswissenschaften, wissenschaftlich erklären? Eine mögliche Antwort darauf liefert der Ökonomie-Nobelpreisträger [1] Robert Shiller in Narrative Economics, ( dt. Narrative Wirtschaft, Plassen Verlag 2020, übers. v. Philipp Seedorf)[2]. Darin vertritt Shiller die These, dass reale Wirtschaftsabläufe durch virale Geschichten, also bestimmte sich schnell verbreitende Narrative, die innerhalb einer Gesellschaft zirkulieren, beeinflusst werden können.
Ein ökonomisches Narrativ in Shillers Sinne ist demnach eines, dass das Verhalten der Wirtschaftssubjekte (bspw. Unternehmen oder individuelle Haushalte) aktiv verändern kann. Was wir im Zuge der Reddit vs. Wallstreet Geschehnisse erlebt haben, kann als das Funktionieren eines solchen Narratives interpretiert werden. Viele der Nutzer*innen, die sich über das Subreddit WallStreetBets an der Rallye auf die GameStop-Aktie beteiligten, taten das wahrscheinlich nicht aus einem Kalkül der eigenen Gewinnmaximierung heraus, sondern waren von dem „we are the 99 percent“ Slogan beeinflusst.
Der Gedanke, Teil der großen, unterprivilegierten Masse zu sein (zumindest in ökonomischer Hinsicht im Vergleich zu den 1 Prozent der Reichsten, für die die Hedgefonds der Wallstreet stellvertretend stehen), war die Motivation für dieses am Ende gebündelte Vorgehen. Dass der Kauf der Aktien häufig über eine App Namens RobinHood abgewickelt wurde, half dem David gegen Goliath Narrativ zusätzlich. Denn Fakt ist auch, wer am Ende finanziell von dem Kurs-Boom am meisten profitiert, ist noch nicht genau abzusehen. Es ist nicht auszuschließen, dass auch große Anleger*innen profitieren, die rechtzeitig aufgesprungen sind. Schließlich ist auch der Investmentriese Blackrock einer der größten GameStop Anteilseigner und verdient, da die Aktie Teil einiger seiner Finanzprodukte ist, indirekt mit an dem Kursanstieg. Weiterlesen