Damals, als die Plagiatsaffäre um Karl-Theodor zu Guttenberg öffentlich wurde, schien es ganz so, als habe dieser nur einen Fehler gemacht: nicht anständig Fußnoten gesetzt, also die eigentlichen Urheber gekennzeichnet. Ganz ähnlich denken auch viele Betreiber von Internetseiten. Sie möchten gerne, aber sie können nicht: richtig zitieren.
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Die Dame, die hinter obigem Wuthinweis steht, verlangt also für ihre seichten Texte den Schutz des Urheberrechts und pöbelt dies in die Welt. Sie fordert für das Arrangieren von Teddybären um Teetafeln den Schutz des Gesetzes1, räumt diesen aber der Autorin, deren Gedicht sie nebenan zitiert, nicht ein.2 Solche Dreistigkeit wird nicht sanktioniert, sie lässt aber tief blicken. Fräulein Urheberrecht hat, genauso wie KTG, falsch zitiert.
Falschzitate sind der Stolz und das Vorrecht der Gebildeten.3
Die Zitierfreiheit wird in der Praxis oft missverstanden, denn es reicht eben nicht, nur anzugeben, dass ich im Folgenden ein komplettes Erich Kästner oder Karl Valentin Gedicht übernommen habe. Die Regeln für rechtlich sauberes Zitieren sind nicht ganz leicht zu überblicken, aber richtig zitieren ist auch kein Hexenwerk.
§ 51 UrhG
Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn
1. […]
2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3. […]
(Die ersten beiden Varianten werden in diesem Beitrag ausgeklammert, da ich der einfachheithalber davon ausgehe, dass Du weder ein wissenschaftliches Werk, noch ein solches der Musik, zu schöpfen vorhast.)
Jedes Zitat muss also drei Grundvoraussetzungen genügen, nämlich (1) den besonderen Zitatzweck erfüllen, (2) sich im gebotenen Umfang bewegen und (3) in ein selbständiges Werk übernommen werden. Dazu muss gem. § 63 UrhG (4) die Quelle angegeben werden.
(1) Besonderer Zitatzweck
Erste Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Zitats ist ein besonderer Zweck. Es muss sich in jedem Fall um den Beleg einer gedanklichen Bezugnahme handeln. Entscheidend ist, dass das Zitat nur Hilfsmittel zum Verständnis der eigenen Darstellung bleibt; das zitierende Werk muss die Hauptsache, das Zitat die Nebensache bleiben.4 Ein Zitat ist nach § 51 UrhG nur zulässig, wenn eine innere Verbindung zwischen der zitierten Stelle und eigenen Gedanken des Zitierenden hergestellt wird.5 Ein Zitat ist deshalb grundsätzlich nur zulässig, wenn es als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erscheint. 6 Ein irgendwie mit dem restlichen Text in Verbindung stehende Zitation ist rechtlich unerheblich. Es ist eine “nahe innere Beziehung herzustellen, um die abgebildeten Werke als Zitat mit der Gedankenführung zu verbinden und diese zu erläutern”7.
Der Zitatzweck ist aber nicht auf die Erläuterung des Inhalts beschränkt. Das Zitat kann auch dazu verwendet werden, als Devise oder Motto zu dienen oder einen Kontrast zu dem zitierenden Werk herzustellen. Die absolute Grenze des zulässigen Zitatzwecks ist dagegen überschritten, wenn nicht das zitierte Werk dem neuen Werk dient, sondern das neue Werk lediglich den Rahmen für eine Nutzung des aufgenommenen Werks darstellt.8
Ein Zitat ist nicht gerechtfertigt, wenn man es nur anfügt, um sich eigene Ausführungen zu ersparen oder sie lediglich zu illustrieren.9
(2) Gebotener Umfang
Wie viel darf ich denn nun zitieren? “Bei der Ermittlung des sachlichen Umfangs lassen sich keine arithmetischen Maßstäbe anlegen”10. Große höchstrichterliche Hilfe!
Die genaue Bestimmung der Grenzen des Zulässigen setzt eine umfassende Abwägung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles voraus. Der Umfang des Zitats wird durch den konkreten Zitatzweck im Rahmen des zitierenden Werks, seiner Art, seines Inhalts und Zwecks begrenzt.11.
Entscheidend ist sowohl das Verhältnis der Länge des Zitats zum Umfang des Werkes, aus dem zitiert wird (relativer Maßstab) als auch die Länge des Zitats selbst (absoluter Maßstab). Beide Maßstäbe sind zu kombinieren und die Zulässigkeit in Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalles in Kombination relativer und absoluter Maßstäbe unter Berücksichtigung insbesondere des Zitatzwecks zu ermitteln.
Dreier/Schulze, § 51 UrhG, Rn. 14, 5. Auflage 2015
Bei dieser Abwägung mischen sich die Voraussetzungen des Zitatzwecks und der Länge. Hat das Zitat Belegcharakter für referierende oder eigene Ausführungen und dient der Unterstützung oder Fortentwicklung des eigenen Gedankengangs so kann auch ein längeres Zitat zulässig sein. Könnt ihr also mit dem Zitat von zwei oder drei Sätzen nicht hinreichend euren Standpunkt in Bezug auf Stil des Autors, dessen Handlungsführung etc. pp. deutlich machen, dürft ihr daher unproblematisch auch längere Abschnitte zitieren. Dient, auch die kurze Übernahme fremder Gedanken, im Wesentlichen nur dazu eigene Ausführungen zu ersparen, so ist dies unzulässig.12
Im Einzelfall ist sogar die Übernahme von ganzen Werken zulässig13. Dies ist bei manchen Medien – Karikaturen, Bilder, technische Darstellungen – gar nicht anders möglich. Die Übernahme ganzer Werke ist bei Schriftwerken, aber höchstens bei kurzen Gedichten oder Sinnsprüchen zulässig!
(3) Unabhängiges Werk
Zuletzt muss das zitierende Werk eine urheberrechtliche Unabhängigkeit vom zitierten Werk besitzen.
Die urheberrechtliche Unabhängigkeit ist nur gegeben, wenn die eigene geistige Leistung den Schwerpunkt bildet. Entscheidend ist, ob eine eigenständige individuelle Schöpfung übrig bleibt, wenn man sich die übernommenen Werke wegdenkt.14
(4) Kennzeichnung als Zitat
Bei einem Zitat ist man gemäß § 63 Abs. 1 UrhG verpflichtet die Quelle anzugeben. Zu dem Wie der Angabe schweigt das Gesetzt allerdings. Diese muss aber deutlich sein. Der (in unserem Fall) Leser soll eindeutig erkennen können, welches Werk oder welcher Werkteil welchem Autor und welchem anderen Werkteil zuzuordnen ist.
Sinn der Vorschrift ist es, zur Vermeidung von Plagiaten den Zitierenden zur Angabe seiner Quellen zu nötigen und dadurch sicherzustellen, daß die benutzten »fremden Federn« dem Leser erkennbar werden. Gefordert wird vom Gesetz lediglich die »deutliche Quellenangabe«. Wie diese zu erfolgen hat, ist nicht im einzelnen vorgeschrieben; insbesondere erfordern weder der Wortlaut des Gesetzes noch sein Zweck, der nicht dahin geht, dem Leser das sofortige Auffinden der Passagen im Werk des zitierten Autors zu ermöglichen, eine genaue Angabe der Fundstelle bereits im Text des neuen Werks oder die Angabe der Seiten der zitierten Werke, aus denen die Exzerpte übernommen worden sind.
OLG Brandenburg ZUM-RD 1997, 483 – Stimme Brechts
In der Regel sind anzugeben: Der Titel und Autor des Werkes, bei Teilen von Werken die jeweilige Seite. Zitiert ihr aus dem Internet, ist neben Titel und Autor die URL anzugeben.
Wo die Quellenangabe erfolgt, prägt natürlich ebenfalls deren Deutlichkeit. Am markantesten ist sicher die Angabe direkt am Zitat (also hier z.B.). Grundsätzlich sind aber auch Fuß- oder Endnoten zulässig. Hierdurch muss aber eine eindeutige Zuordnung möglich sein.
Allein die Nennung des Urhebers reicht nicht aus die Übernahme fremder Texte zu legitimieren!
Richtig zitieren:
- Ist der Text, den ich zitieren möchte urheberrechtlich geschützt?
- Erlaubter Zitatzweck oder will ich mir nur Arbeit sparen?
- Ist die Länge des Zitats zulässig?
- Habe ich das Zitat als solches gekennzeichnet und die Quelle angegeben?
Bitte beachten: In diesem Artikel geht es nicht um das “richtige (saubere) Zitieren” in der Wissenschaft, sondern um das Zitieren von urheberrechtlich geschützten Werken. Das sind verschiedene Paar Schuhe: unsauberes Zitieren (ohne Quellenangabe = Plagiat) kann einen zwar durchaus den Doktor-Titel kosten, muss aber nicht zwangsläufig eine Urheberrechtsverletzung darstellen!
Die Frage ist nur, ob alle die Autoren, deren Urheberrecht auf der oben zitierten15 Seite verletzt wurden, eine Rechnung gestellt haben, wie die Seitenbetreiberin selbst ankündigt. Wie das funktioniert, erfahrt ihr im nächsten Teil.
- Den dieses bigotte Mistvieh ihr auch noch zuspricht.
- Wahrscheinlich vielmehr aus Unwissenheit, denn aus bösem Willen.
- Hesketh Pearson, Common Misquotations, 1934.
- BGH, GRUR 1994, 800 – Museumskatalog.
- BGH NJW 2008, 2346 – TV-Total
- BGH GRUR 1987, 34 – Liedtextwiedergabe I; GRUR 1986, 59 – Geistchristentum.
- BGH GRUR 1968, 607 – Kandinski I.
- OLG München, ZUM-RD 2012, 479 – Das unlesbare Buch.
- BGH GRUR 2012, 819 – Blühende Landschaften; GRUR 2012, 628 – Vorschaubilder.
- BGH, GRUR 1986, 59 – Geistchristentum.
- BGH, GRUR 1986, 59 – Geistchristentum.
- KG Berlin GRUR-RR 2012, 194 – Editorial.
- großes Kleinzitat.
- BGH GRUR 1994, 802 – Museumskatalog; BGH GRUR 1992, 384 – Leitsätze.
- Dem aufmerksamen Leser ist nicht entgangen, dass ich oben keine Quelle angegeben habe. Dies ist aber zulässig, da bei einem solchen Hinweistext überhaupt kein urheberrechtlicher Schutz besteht.